Gladbeck. Saisonale Krankheiten steigen an. Ärzte sehen mehr Fälle von Allergien, und Durchfall. Keuchhusten trifft vermehrt auch Erwachsene.

Viele Arztpraxen in Gladbeck sind – salopp gesagt – rammelvoll. Alle Welt scheint sich mit Husten, Halsweh und Schnupfen, Durchfall und diversen Infekten herumzuplagen. Dabei haben es Mediziner in Gladbeck derzeit verstärkt mit einigen Krankheiten besonders häufig zu tun.

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Etliche Beschwerden sind der Jahreszeit mit den dazugehörigen Verhaltensmustern geschuldet. Svenja Küchmeister, Sprecherin in der Kreisverwaltung, nennt ein Beispiel: die Campylobacteriose. Sie ist auf der Übersicht des Landeszentrums Gesundheit aufgeführt, das regelmäßig meldepflichtige Infektionskrankheiten listet. „Die Campylobacteriose tritt häufig in der Grillsaison auf, wenn beispielsweise rohes Fleisch in der Sonne gelegen hat“, erklärt Svenja Küchmeister. Verunreinigte Lebensmittel können dann die bakterielle Durchfallerkrankung auslösen. Symptome sind Bauchschmerzen und Fieber.

Bericht listet 164 Infektionskrankheiten auf

Im Infektionsbericht für den Kreis Recklinghausen mit einer Einwohnerschaft von rund 620.000 Menschen, einschließlich Gladbeck, waren bis zur Kalenderwoche 20/2024 insgesamt 164 Infektionskrankheiten aufgenommen. Die Auflistung reicht von A wie Acinetobacter-Infektion, die unter anderem Harn- und Atemwege trifft, über Malaria und Tollwut bis zur Zikavirus-Erkrankung, die mit Symptomen wie Fieber, Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen einhergeht.

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Bei den wenigsten Erkrankungen sind überhaupt Fälle in Gladbeck genannt. „Wir haben kein Ausbruchsgeschehen“, sagt Svenja Küchmeister, „bei uns im Kreis ist alles im grünen Bereich.“ Das gelte auch für die „üblichen“, immer wieder auftretenden Erkrankungen. Landesweit breite sich aktuell das Rotavirus aus, eine der häufigsten Ursachen für Magen-Darm-Erkrankungen bei Kleinkindern. Im Kreis Recklinghausen seien die Fallzahlen nicht auffällig; wie auch beim Norovirus: „Die klassische Verbreitungszeit ist vom Winter bis Jahresbeginn. Gemeldet waren im April 52 Fälle, im Mai 18 Fälle.“ Nichts Außergewöhnliches, so die Kreissprecherin.

Längst nicht jeder Keuchhusten-Fall wird erkannt und gemeldet
Svenja Küchmeister - Sprecherin in der Kreisverwaltung Recklinghausen

Mit 0 eingetragen sind in der Liste des Landeszentrums Gesundheit mit Blick auf den Kreis Recklinghausen Meningokokken. „Wir befinden uns hier nicht in einem Gefährdungsgebiet“, erklärt Svenja Küchmeister. Und zielt damit darauf ab, dass Zecken als Überträgerinnen der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), also Gehirnentzündung, in unseren Breiten keine (große) Gefahr darstellen.

Scharlach, Röteln, Läuse: „Sie treten gerade im Grundschulbereich auf. Davon gibt‘s mehrere Fälle.“ Aber kein gehäuftes Aufkommen. Was das Auftreten von Keuchhusten angeht, „haben wir in Gladbeck im Vergleich zur landesweiten Lage wenig Fälle“. Für Mai wurden acht Erkrankungen registriert, für April sieben. Dabei sei darauf hingewiesen: Längst nicht jeder Fall wird erkannt und gemeldet.

Wir haben die typischen Magen-Darm-Erkrankungen, die man bekommen kann, wenn man grillt und den Kartoffelsalat mit Mayo in der Sonne stehen lässt, bevor man ihn isst
Dr. Gregor Nagel - Ärztenetz Gladbeck

Dr. Gregor Nagel, Sprecher des Ärztenetzes Gladbeck, berichtet: „Wir haben eine akute Erkältungswelle, es grassieren Mandelentzündungen. Das ist nichts Besonderes, wenn‘s draußen wärmer wird.“ Infizierte Insektenstiche gehören gleichfalls zum Praxisalltag. Außerdem: „Die typischen Magen-Darm-Erkrankungen, die man bekommen kann, wenn man grillt und den Kartoffelsalat mit Mayo in der Sonne stehen lässt, bevor man ihn isst.“

Patienten leiden derzeit oft an Allergien

Der Gladbecker Kinderarzt Carsten Rothert berichtet von vielen Allergien und Heuschnupfen – wie jedes Jahr zu dieser Saison. Mädchen und Jungen leiden zudem derzeit vermehrt unter bakteriellen und viralen Durchfällen.

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Wer denkt, Pertussis sei eine, wie es im Volksmund häufig heißt, Kinderkrankheit, irrt. Sie ist unter Erwachsenen verbreitet. Nagel erläutert: „Keuchhusten verläuft wie eine – in Anführungsstrichen – normale Erkältung ab und ist schwer zu diagnostizieren. Dafür braucht es eine spezielle Laboruntersuchung.“ Ein Routine-Test wie beispielsweise zum Nachweis des Coronavirus‘ existiere nicht. Der Mediziner rät, den Impfschutz regelmäßig aufzufrischen.

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Dem pflichtet Kinderarzt Carsten Rothert bei und blickt bei seinem Appell, regelmäßig den Impfschutz aufzufrischen, speziell auf die Altersgruppe 50 plus. „Für Keuchhusten gibt es keinen Schnelltest. Wenn der Husten auffällig wird, ist es für einen Nachweis zu spät. Außerdem auch für eine wirksame Therapie.“

Zu Beginn der Erkrankung sei ein Abstrich als Nachweis möglich, nach vier Wochen ein Bluttest, um Antikörper nachzuweisen. Ja, derzeit trete Keuchhusten vermehrt in den Praxen auf, bestätigt der Kinderarzt, aber mehr im Erwachsenenbereich. Er begründet dies: „Heutzutage sind wir Erwachsenen, besonders die Großeltern, der Hauptpool für das Bakterium. Dies deshalb, weil die Impfung nur etwa fünf Jahre wirkt.“

Gladbecker Ärzte appellieren: „Frischen Sie regelmäßig Ihren Impfschutz auf!“
Gladbecker Ärzte appellieren: „Frischen Sie regelmäßig Ihren Impfschutz auf!“ © dpa | Christin Klose

Kinder seien durch die früheren mehrfachen Impfungen in den ersten sechs Lebensjahren viel besser geschützt als die sehr lückenhaft, bestenfalls alle zehn Jahre, geimpften Erwachsenen. „Mutter und Vater werden mittlerweile während der Schwangerschaft geimpft. Vorteil: Das Kind kommt mit frischen Leihantikörpern von der Mutter auf die Welt und wird acht Wochen nach der Geburt erstmals aktiv für den Langzeitschutz geimpft“, führt Rothert aus.

Das Immunsystem ist gegen den raffiniert verpackten Erreger recht schwach
Carsten Rothert - Kinderarzt in Gladbeck

Der Kinderarzt: „Das Schlimme bei Säuglingen ist, dass sie wenig Husten haben, stattdessen Atemstillstände. Leider gibt es seit etwa 15 Jahren keinen Pertussis-Einzelimpfstoff mehr. „Man muss immer eine Kombination mit mindestens Tetanus und Diphterie nehmen“, bedauert Rothert, „auch eine Verbesserung des Impfstoffes mit längerer und besserer Wirkung, eine höhere sichere Impfantwort, wäre dringend wünschenswert.“

Für Neugeborene und Kinder sei der wichtigste Schutz, neben der eigenen frühen Impfung, dass die Erwachsenen des Umfeldes aktuell und regelmäßig geimpft sind: „Dies gilt besonders für die Großeltern-Generation.“ Denn: „Der Hauptpool des Erregers sind heutzutage die Erwachsenen über 50 Jahre.“

Keuchhusten kann man immer wieder bekommen

Keuchhusten habe der Mensch im Vergleich zu anderen Krankheiten nicht etwa einmal und dann nie wieder. „Das Immunsystem ist gegen den raffiniert verpackten Erreger recht schwach. Es lässt sich alles paar Jahre wieder aufs Neue übertölpeln. Das gilt leider auch für das Impfgedächtnis“, erklärt Rothert. Deswegen erkranken Erwachsene – „wenn auch längst nicht so stark wie ein Kind“ – in regelmäßigen Abständen an Keuchhusten und tragen zur Verbreitung bei.