Gladbeck. Pflege-Jobs haben ein schlechtes Image. Jonas Nenninger aus Gladbeck hat sich bewusst für diesen Bereich entschieden. Aus vielen Gründen.
Eine körperlich anspruchsvolle Knochenarbeit, Stress, Schichtdienst, geringe Bezahlung, gestandene Fachleute schmeißen das Handtuch: Das Image der Pflegeberufe ist denkbar schlecht. Wen wundert‘s da, dass die Betreiber von Einrichtungen händeringend Nachwuchskräfte suchen, schreckt doch der Ruf der Branche gerade junge Leute ab. Nicht so Jonas Nenninger aus Gladbeck. Der 21-Jährige hat sich ganz bewusst für die Ausbildung zum Pflegefachmann entschieden, aus mehreren Gründen – die nicht nur finanzieller Natur sind. Ein Beruf mit Perspektive, findet der Gladbecker.
Pflege-Azubi Jonas aus Gladbeck: „Man bekommt viel zurück!“
Die Vokabel Work-Life-Balance, die immer mehr in aller Munde ist als Bemessungsfaktor für Lebensqualität, fällt in dem Gespräch mit Nenninger nicht. Dafür redet er viel von Vertrauen, Respekt, Empathie und dass man als Fachkraft in einer Senioren-Einrichtung „viel zurückbekommt“, nämlich die Wertschätzung derjenigen Bewohner, um die er sich kümmere. .
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Er selber absolviert den praktischen Teil seiner dreijährigen Ausbildung im Johannes-van-Acken-Haus des Caritasverbands Gladbeck. Seit einem Jahr ist Jonas Nenninger dabei. Was es bedeutet, in der Pflege zu arbeiten, weiß der 21-Jährige hingegem schon viel, viel länger. Mutter Sandra sei vor mehr als zehn Jahren in die Pflege bei einem ambulanten Dienst eingestiegen. Doppelschichten und all das Drum-und-Dran hat ihr Sohn von klein auf hautnah miterlebt. Dann habe sich die 48-Jährige entschlossen, genau die Ausbildung nachzuholen, die der Spross anpeilt. So drücken nun Mutter und Sohn die gleiche Schulbank. „Sie motiviert mich“, sagt der 21-Jährige.
Obwohl: Kaum vorstellbar, dass das nötig ist. Denn der Absolvent der Waldorfschule Gladbeck, der einen Realschulabschluss in der Tasche hat, strotzt geradezu vor Tatendrang und, ja, Begeisterung für seinen Beruf. Auch wenn Nenninger die Schattenseiten dieser Tätigkeit nicht verhehlt. „Ich bin schon mit dem Gedanken in die Ausbildung gegangen, dass ich wenig Freizeit haben werde“, sagt der 21-Jährige. Wenn Freunde am Wochenende freihaben und etwas unternehmen wollen, muss Nenninger auch schon mal arbeiten. Er macht sich keine Illusionen, dass seine Dienste das Privatleben beeinflussen könnten: „Vielleicht bleiben von den Freunden nur diejenigen, die das verstehen.“
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Verständnis zeige Freundin Debora. Jonas Nenninger wohnt mit der 20-jährigen Jura-Studentin zusammen. Er meint: „Sie richtet sich nach mir. Ihre Mutter arbeitet auch in der Pflege.“ Ungeachtet der Arbeitszeiten und des Pensums betont der Gladbecker: „Die Arbeit macht Spaß!“
Und wenn jemand sagt: „Da hast Du Dir aber einen Sch...job ausgesucht!“? Dann antworte er: „Ich habe wie Du meine Erfolgserlebnisse.“ Er sei ja schließlich nicht blind in diese Ausbildung gestartet. Und überhaupt: Wie viele Menschen verdienen ihre Brötchen im Schichtdienst oder zu wenig attraktiven Zeiten: Busfahrer, Krankenschwestern, Bäcker, um nur drei Beispiele zu nennen.
Rebecca Rahe, Ausbildungskoordinatorin im Caritasverband Gladbeck, stellt fest: „Nicht viele Auszubildende sind so superinformiert wie Jonas. Die wenigsten wissen, was auf sie zukommt.“ Da seien Basic-Voraussetzungen wie Höflichkeit, Sozialkompetenz, Respekt und Kommunikationsfähigkeit längst keine Selbstverständlichkeit.
Der „Schützling“ der 41-jährigen Expertin, die selbst in der Pflege tätig gewesen ist, stimmt zu: „Ja, bei jüngeren Menschen ist es manchmal wie eine maschinelle Kommunikation.“ Extrem kurze, abgehackte Sätze – nicht Nenningers Ding. Ihm ist es eine Herzensangelegenheit, „mit den Menschen zu reden“: „Es muss eine Bindung zu ihnen da sein.“
Zu diesen Grundvoraussetzungen gesellen sich Fähigkeiten wie Geduld, Disziplin und Durchhaltevermögen. „Man muss einfühlsam sein, sich den Problemen der Bewohner widmen“, meint der junge Gladbecker. Und vor allem: „Man muss hinter diesem Beruf stehen.“
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Sonst ließe sich wahrscheinlich der Arbeitsalltag mit sämtlichem Pipapo nicht stemmen. Schauen wir beispielhaft auf eine Frühschicht, die von 7 bis 14 Uhr läuft. 80 Menschen leben in der Caritas-Einrichtung Johannes-van-Acken-Haus, aufgeteilt in Bereiche. Auf der ersten Etage, Nenningers Arbeitsfeld, sind es zwölf Bewohner. Untypisch ist, dass es mehr Herren als Damen sind. Frühstück vorbereiten und verteilen, Medikamente zurechtmachen, Grundpflege wie Waschen und Desinfizieren, vielleicht auch hier und da mal eine Spritze setzen, Essen ausgeben, Toilettengänge, Katheter leeren, hauswirtschaftliche Arbeiten: Es gibt viel zu tun.
Seit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung sind Bereiche zusammengeführt
„Eventuell müssen wir auch mit Ärzten und Apotheken kommunizieren“, ergänzt der 21-Jährige. Das müsse er schließlich auch lernen. Nicht zu vergessen die Dokumentationen. Jeder Handgriff muss aufgeschrieben werden. Als Abschluss der Frühschicht steht die Übergabe an die Spätschicht, die von 13.30 Uhr bis 20.30 Uhr im Dienst ist. Der Auszubildende erzählt: „Wenn man Pech hat, hat man zwölf Tage Schicht und dann zwei Tage frei.“
Auch der Tod gehört zum Beruf einer Pflegekraft
Hinzu kommt der Theorie-Anteil in der Fachschule. Rahe erläutert: „Seit 2019 haben wir die generalistische Ausbildung, das heißt: Kranken- und Altenpflege wurden zusammengefasst.“ Fächer wie Anatomie, Ethik, Umgang mit Menschen und Kommunikation stehen auf dem Lehrplan. Nenninger lobt: „Unsere Dozenten gehen auf uns ein. Wir werden während der Ausbildung richtig an die Hand genommen.“ Die Azubis tauschen sich auch untereinander aus, und Rebecca Rahe steht auch als Ansprechpartnerin parat.
Azubi findet: „Ein Beruf mit Perspektive“
Beispielsweise für Situationen wie diese, die Jonas Nenninger erlebt hat. Eine Heimbewohnerin war gestorben. Sicher, der Tod gehört zum Pfleger-Dasein wie Krankheiten. Doch einfach aus den Kleidern schütteln lässt sich solch ein Erlebnis eben nicht; vor allem nicht, wenn‘s vor der Augen eines so jungen Mannes geschieht.
Er selbst beschreibt sein Naturell mit einem Augenzwinkern: „Freundlich, lustig, cool.“ Und kommunikativ, das müsse sein. Er lerne viel bei der älteren Generation, die in Kriegszeiten aufgewachsen ist. Nicht nur Geschichtliches, sondern auch Geisteshaltung. „Wir unterschätzen die Disziplin und Toleranz.“ Noch ein Pluspunkt für eine Ausbildung in der Pflege.
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Antonia Gemein, Sprecherin des Caritasverbandes Gladbeck, stellt klar: „Wir zahlen nach Tarif, sind also ein attraktiver Arbeitgeber.“ Das ist jedoch nur ein weiterer Aspekt, den Jonas Nenninger beachtenswert findet. Er selbst, „ein Familienmensch“, erklärt: „Es war für mich ein Argument, dass ich möglicherweise später einmal meine Angehörigen pflege.“
Der 21-jährige Gladbecker: „Mir stehen alle Türen offen“
Wo er sich denn „später“ beruflich sieht, eventuell in 20 Jahren? Die Antwort fällt schwer. Aber „ganz sicher in diesem Berufsfeld“. Auf welchem Posten genau, das kann sich der junge Gladbecker derzeit nicht vorstellen. Er meint: „Mir stehen alle Türen offen, das war ein großer Faktor für mich: Krankenhaus, Kinderpflege, Altenpflege...“ Doch eines liegt auf der Hand: „Es wird immer Menschen geben, die gepflegt werden müssen.“