Gladbeck. Zahl der Einsätze im Rettungsdienst steigt immer weiter. Das bringt die Feuerwehr an Grenzen. Blick auf Einsätze, Zahlen und mögliche Lösungen.
Mehr als 1000 Einsätze zusätzlich hat Robert Körner, bei der Feuerwehr verantwortlich für das Berichtswesen, für das Jahr 2023 notiert. Und das ist nur die Zahl für den Rettungsdienst. Dazu kommen noch die Brand- und Hilfeleistungseinsätze, die die Feuerwehr ja ebenfalls abarbeiten muss. So kamen die Gladbecker Retter insgesamt im vergangenen Jahr auf 17.600 Einsätze.
Zum Vergleich: 2022 musste die Feuerwehr 16.501 Mal ausrücken. Und ein Großteil dieser Mehreinsätze entfiel auf den Rettungsdienst. Besonders ärgerlich: 2850 Mal rückte der Rettungsdienst vergeblich aus – Fehlalarm. Im Rettungsdienst spricht man immer dann von einem Fehlalarm, wenn kein Patient transportiert werden musste.
Gladbecker Rettungsdienst muss immer wieder für Lappalien ausrücken
Oftmals sind es dann Lappalien, zu denen der Rettungswagen ausrücken muss. Und das setzt den Feuerwehrkräften zu. Drei Rettungswagen stehen in Gladbeck rund um die Uhr parat. Rein rechnerisch kommt jeder davon am Tag auf 9,5 Einsätze. „Das ist teilweise die Leistungsgrenze, vor allem wenn man es in Arbeitszeit verrechnet“, sagt Georg Fragemann, Abteilungsleiter Rettungsdienst bei der Feuerwehr. Zuletzt hatte Udo Schröder-Hörster, Landesvorsitzender der Malteser, gewarnt, dass sich das System auf einen „Kipppunkt“ zubewege.
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Das Phänomen zeige sich aber nicht nur in Gladbeck, sondern in allen Städten des Kreises. Nach dem Erkenntnisstand von 2021 brauche es im gesamten Kreisgebiet neun zusätzliche Rettungswagen. Eine Zahl, die jetzt noch einmal überprüft werde, mit dem Ende der Pandemie. Doch schon jetzt ist klar, für Gladbeck wird es einen vierten Rettungswagen geben, der tagsüber von Montag bis Freitag einsatzbereit ist.
Auslieferung eines Rettungswagens kann bis zu drei Jahre dauern
Doch man könne diese immer weiter steigende Zahl an Rettungseinsätzen ja nicht dadurch auffangen, dass immer mehr Personal und Material eingesetzt werde, sagt Feuerwehrchef Thorsten Koryttko. „Wir können doch nicht an jede Straßenecke einen Wagen stellen.“ Zumal: Selbst wenn man Personal aufstocken und auch weitere Fahrzeuge anschaffen wollen würde – eine schnelle Hilfe ist das nicht. Die Ausbildung zum Notfallsanitäter dauert drei Jahre. Ebenso lang kann sich die Anschaffung eines neuen Rettungswagens hinziehen, sagt Koryttko mit Blick auf die Lieferzeiten.
Dagegen steht eine Menge verschiedener Ursachen, die zu dieser Vielzahl an Einsätzen führten. Zum einen würden die Menschen tatsächlich älter, damit steigt aber auch die Anfälligkeit. Doch es gebe bei manchen auch den Anspruch, dass sie sofort behandelt werden müssten. Diese Menschen würden zwar den ärztlichen Notdienst 116 117 kennen, doch wenn sie dann vier Stunden auf einen Hausarzt warten sollen, würden sie stattdessen die 112 anrufen und auf den Rettungswagen setzen. Nehme der sie dann nicht mit, gebe es immer wieder den Fall, dass die vermeintlichen Patienten ausfällig würden, sagt Fragemann.
Menschen müssen wieder lernen, echte Notfälle zu erkennen
Er schildert einen besonders skurrilen Fall. Ein Mann sein mit seiner Mutter im Auto bei der Feuerwehr vorgefahren. Die habe zum Barbara-Hospital gemusst. Der Mann habe dann verlangt, dass die Mutter in einen Krankenwagen umsteigt. Währenddessen sei die bereits aus dem Auto gestiegen und habe gewartet. Sicher ein Extremfall, doch es gebe generell eine hohe Anspruchshaltung, haben Fragemann und seine Kollegen beobachtet.
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Schwieriger sei es, wenn Menschen allein sind, die erwachsenen Kinder weiter entfernt wohnen und es niemanden in der Nähe gibt, der so jemanden dann zum Arzt oder im Zweifel auch selbst in die Notaufnahme fährt. Generell, so Robert Körner, wären Maßnahmen wünschenswert, die der Selbstbefähigung der Menschen dienlich seien. Sprich: Menschen sollten wieder lernen zu erkennen, was echte Notfälle sind.
Wege für den Gladbecker Rettungsdienst werden weiter
Damit werde dann auch der Rettungsdienst entlastet, sagt Fragemann. Denn Zeit, die für solche Einsätze draufgeht, fehle womöglich bei echten Notfällen. Zumal auch für die Feuerwehr die Wege weiter geworden sein. Nein, Gladbeck ist flächenmäßig nicht gewachsen, bevor sich jemand wundert. Aber die Spezialisierung der Krankenhäuser habe eben auch zur Folge, dass Patienten in weiter entfernt liegende Kliniken transportiert werden müssten, so Fragemann.
In einem Ballungsgebiet wie dem Ruhrgebiet ist das sicher alles noch überschaubar, trotzdem kommen da reichlich Kilometer zusammen. 35.000 Kilometer legt so ein Rettungswagen in Gladbeck pro Jahr zurück. Dabei sind die Beanspruchungen gerade bei Einsatzfahrten hoch. Das merke man am Verschleiß, etwa bei Bremsen und Reifen, so die Feuerwehr. Die Folge: Nach sechs Jahren wird so ein Rettungswagen ausgemustert und muss neu beschafft werden.
Umrüstung der Gladbecker Fahrzeuge für den Telenotarzt
Das Problem: Durch die Preissteigerungen zuletzt sind zum einen die Fahrzeuge teurer geworden, zum anderen seien die Käufe schwerer zu kalkulieren, so Koryttko. Denn niemand vermöge genau zu sagen, wie die Entwicklung der nächsten Jahre aussehe. Die Preise werden am Ende auf den Kostenträger, sprich die Krankenkassen, umgelegt.
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Die nächste Herausforderung steht auch schon an, im Laufe des Jahres werden die Gladbecker Fahrzeuge für den Einsatz des Telenotarztes umgerüstet. Dann können Sanitäter im Zweifel einen Notarzt per Kamera zuschalten. Dorsten und Oer-Erkenschwick gehen demnächst mit der Technik an den Start. Was man bisher beobachtet habe, so Fragemann: „In Regionen, inb denen es den Telenotarzt bereits gibt, ist die Zahl der Hubschraubereinsätze zurückgegangen.“ Denn: Wenn alle Notärzte im Einsatz sind, wird bei Bedarf ein zusätzlicher Notarzt eingeflogen. Das scheint aber zumindest teilweise durch den Telenotarzt aufgefangen zu werden.
Weniger Infektionsfahrten
Der geänderte Umgang mit Corona, der Wegfall der Testpflicht, er zeigt sich auch im Rettungsdienst. Kennzahl dafür ist die Zahl der Infektionsfahrten. Das sind Fahrten, bei denen Patienten etwa mit multiresistenten Keimen transportiert wurden. Noch 2022 zählten auch Fahrten mit Corona-Patienten zu den Infektionsfahrten. Entsprechend standen 2022 auch noch 744 solcher Fahrten in der Bilanz. Für 2023 waren dagegen nur noch 182 dokumentiert.
1996 hat die Gladbecker Feuerwehr sogar nur sechs solcher Fahrten nachgehalten. Das könne aber auch daran liegen, dass zu dieser Zeit die Dokumentationspflicht noch nicht so ausgeprägt gewesen sei, sagt Georg Fragemann.