Gladbeck. Menschen über Menschen auf dem Gladbecker Wochenmarkt: ein ungewohntes Bild. Ein Influencer zeigt, wie die sterbenden Märkte noch zu retten sind.

Janni Petidis ist von Düsseldorf nach Gladbeck gekommen – mit Bus und Bahn an einem verregneten Samstagvormittag, einmal hat er auch noch seinen Anschluss verpasst. Das Ziel seines Ausflugs: der Wochenmarkt. Nein, nein, der junge Mann ist nicht nach Gladbeck gefahren, um Tomaten, Tulpen oder frischen Käse zu kaufen. Er hat die Strapazen wegen eines Sandwichs auf sich genommen. Wegen eines Sandwichs von Düsseldorf nach Gladbeck? Aus gutem Grund.

„Zwei Sandwiche“, korrigiert Janni Petidis. Er werde zwei Sandwiche verzehren. Pastrami-Sandwiche, um genau zu sein. Und außerdem ist er nicht nur wegen des Imbisses gekommen, sondern auch wegen Sharo und dessen Art, die „belegten Brote“ zuzubereiten.

Lecker Ding will Weile haben: Dreiviertelstunde Wartezeit aufs Pastrami-Sandwich

Mit Heißhunger auf ein oder zwei oder drei Pastrami-Sandwiche hat sich nicht nur Janni Petidis auf den Weg nach Gladbeck gemacht. Eine lange Schlange von zumeist jungen Menschen – nicht gerade die üblichen Wochenmarktkunden – zieht sich über den Platz. Wer hinten ansteht, der wird schätzungsweise eine Dreiviertelstunde benötigen, bis er zum Objekt der Begierde und bis zu Sharo vorgedrungen ist. Verrückt, aber lecker Ding will Weile haben.

Ein Tanz-Flashmob verkürzte den Besuchern auf dem Gladbecker Wochenmarkt die Zeit – immerhin standen sie für ein Pastrami-Sandwich gut und gerne eine Dreiviertelstunde an.
Ein Tanz-Flashmob verkürzte den Besuchern auf dem Gladbecker Wochenmarkt die Zeit – immerhin standen sie für ein Pastrami-Sandwich gut und gerne eine Dreiviertelstunde an. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Sharo heißt mit bürgerlichem Namen Ahmed Sharif. Er stammt aus Gladbeck und betreibt zusammen mit Tristan Barkowski seit 2020 den You-Tube-Kanal namens Beastkitchen. Da wird gekocht und geplaudert wie anno dazumal im Fernsehen bei Alfred Biolek. „Wir wollen mit dem Essen zwischen den Kulturen vermitteln“, sagt Barkowski und ergänzt: „Essen verbindet.“

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Im vergangenen Jahr kam das Duo, dessen Kanal knapp 370.000 Abonnenten zählt, auf den Geschmack von Pastrami-Sandwiche und tourt damit nun per Pop-up-Store – früher hätte man wohl vom fliegenden Händler gesprochen – durch die Lande. Heute Köln, morgen Berlin – oder am Samstag in der Heimatstadt Gladbeck.

Das Team um Ahmed Sharif hat einen schwarzen Pavillon aufgebaut, unter dem die Pastramis zubereitet werden. Und diese Aufgabe obliegt ganz allein dem Meister höchstpersönlich, der um einen Spruch nie verlegen ist. „Das ist die neue Currywurst“, ruft er in die Menge.

Das ist die neue Currywurst!
Ahmed Sharif - Der Gladbecker bereitet Pastrami-Sandwiche zu

Mit einer Currywurst hat das Sandwich allerdings wenig zu tun. Bei Pastrami – der Imbiss ist in den USA weit verbreitet – handelt es sich um geräucherte Rinderbrust zwischen zwei Toastbrotscheiben. Ahmed Sharif hat das amerikanische Rezept ein wenig für den deutschen Geschmack modifiziert. Er verwendet Butter-Brioche aus Österreich, das Fleisch kommt aus Polen, geräuchert wird die marinierte Rinderbrust in Italien.

Fans folgen dem Pastrami-Verkauf durch die Region

„Wir haben sehr, sehr viel ausprobiert“, berichtet Tristan Barkowski, „bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren.“ Auf die Brotscheiben kommt eine Mayonnaise-Senf-Mischung nach Art des Hauses, dazu gereicht werden Nachos, eine dicke Gewürzgurke und eine grüne Salsa. Der Preis für den Imbiss: zehn Euro. Wer mehrere Sandwiche – und das sind wenige Kundinnen und Kunden – kauft, bekommt Mengenrabatt.

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Aus Dorsten ist Marvin Westhoff nach Gladbeck gekommen. Sharo kennt er aus dem You-Tube-Kanal. Was schätzt er an dem Sandwich? „Das gute, leckere Fleisch“, antwortet er. Wenn man bedenke, welcher Aufwand hinter dem Imbiss stecke, dann sei der Preis auch gerechtfertigt, so der 22-Jährige. Er hat es sich zusammen mit einem Freund auf den Bierbänken bequem gemacht, die City-Managerin Katja Krischel auf dem Marktplatz aufgebaut hat.

Flashmob bringt ordentlich Schwung zwischen die Marktbuden

Sie ist darum bemüht, den Wochenmarkt zu beleben und bietet an diesem Vormittag selbst Essen an. Sie serviert Grünkohl, der allerdings nicht annähernd so viel Zuspruch findet wie die Sandwiche nebenan. Gleichwohl ist Katja Krischel rundum zufrieden und schaut glücklich dem bunten und ungewöhnlichen Treiben zu.

Hip-Hop-Musik tönt aus den Lautsprechern. Einige junge Tänzerinnen und Tänzer haben sich zu einem Flashmobverabredet und springen und hüpfen auf dem Marktplatz. Und sie tanzen auch auf dem regennassen Boden, gefilmt von Tristan Barkowski, der das Geschehen auf dem You-Tube-Kanal zeigen will. So hat man den Wochenmarkt noch nicht erlebt.

Nächste kulinarische Aktion des City-Managements: der kreative Markt zur Osterwoche am 23. März. Ob sich Janni Petidis sich dann wieder von Düsseldorf auf den Weg nach Gladbeck macht? Wohl eher nicht. Er folgt lieber Sharo auf dem Weg durch die Region.