Gladbeck. Ab März ziehen Flüchtlinge in die Landesunterkunft auf dem Festplatz. Bei einem Besuch wurde deutlich, wie die Menschen hier bald leben werden.
Es riecht rein. Das ist das Erste, was auffällt, wenn man die Wohncontainer der Zentralen Unterbringungseinheit (ZUE) des Landes auf dem Festplatz betritt. In der Luft hängt ein Hauch von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln. Kein Wunder, schließlich laufen hier die letzten Vorbereitungen, ab dem 1. März sollen die ersten Menschen hier einziehen.
Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen war am Freitagmorgen vor Ort und hat sich gemeinsam mit Gladbecks Bürgermeisterin Bettina Weist und Vertretern der Bezirksregierung des Landes die neue Unterkunft angeschaut.
Unterbringung in Vierbettzimmern mit Doppelstockbetten
Ein Blick in die Zimmer zeigt: Die Menschen, die hier leben, werden zu viert untergebracht sein. An den Wänden stehen Doppelstockbetten aus Metall, die Matratze ist abwaschbar. Ein Tisch mit Stühlen und vier schmale Stahlspinde vervollständigen die Ausstattung. Die erste Assoziation, die einem kommt: Es erinnert an eine sehr schlichte Jugendherberge aus den 80er-Jahren. Manch einer fühlt sich vielleicht noch an Klassenfahrten oder Jugendfreizeiten erinnert.
Kai-Joachim Rose, der Betreuungsleiter der ZUE, führt die Gruppe durchs Containerdorf. Vom Flur geht es ab in die Waschräume. Eine Reihe Duschkabinen, gegenüber eine Reihe Waschbecken, dazu ein riesiger Warmwasserboiler in einer der Ecken. Mit „praktisch“ ist die Ausstattung wohl am unverfänglichsten beschrieben.
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Zu der Unterkunft gehört auch eine Sanitätsstation. Rose öffnet die Türen zu zwei Behandlungsräumen. Liege, Computer, Pflaster und andere medizinische Verbrauchsgegenstände liegen schon bereit. Dank der guten Unterstützung des DRK-Kreisverbands Gladbeck und dessen guter Kontakte werde es wohl gelingen, vor Ort auch eine Arztsprechstunde anzubieten.
Ehemalige Lehrerin aus Gladbeck will Deutschunterricht anbieten
Eine ehemalige Lehrerin habe sich schon angeboten und werde Deutschstunden anbieten. Gemeinsam mit anderen Kräften wird es ein tägliches Angebot geben, die Sprache zu lernen. Ein Kursraum ist vorbereitet, der dient zu anderen Zeiten auch als Freizeit- und Fernsehraum, das geht zumindest aus Aushängen an der Tür hervor. Die sind in sechs Sprachen beschriftet, Rose geht jedoch davon aus, dass vor allem Afghanisch und Arabisch als Sprache hier wichtig werde.
Rose arbeitet fürs DRK, das die Einrichtung für das Land betreut. Er und seine Mitarbeiter haben schon viel Erfahrung, war Rose doch auch in der ZUE in Dorsten im Einsatz. Die gibt es schon seit fast zehn Jahren, und sie läuft geräuschlos, ist in ihrem Umfeld bestens integriert. Davon konnte sich eine Delegation des Rates im vergangenen Jahr bereits ein Bild machen. Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff betonte damals noch die gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Bezirksregierung und des Landes.
So leben Flüchtlinge in der Gladbecker Landesunterkunft
Die gute Zusammenarbeite betonten Josefine Paul und Bettina Weist beim gemeinsamen Termin vor Ort auch, Josefine Paul machte aber keinen Hehl daraus, dass es nicht immer so war: „Mit der Stadt Gladbeck waren wir nicht immer übereinstimmend, was die beste Lösung war“, spielt sie auf die Diskussion um die Unterbringung von Flüchtlingen im Van der Valk an. Das hatte die Stadt scharf kritisiert und den Verantwortlichen Vorwürfe gemacht, schließlich hatte das Land das Vorhaben aufgegeben.
Stadt Gladbeck und das Land haben sich zusammengerauft
In einem intensiven Prozess habe man sich aber zusammengerauft, sagt die Ministerin. Bettina Weist spricht von „anfänglichen Schwierigkeiten“. Seither aber sei die Zusammenarbeit hervorragend gelaufen, auf Augenhöhe habe man eine gute Lösung erarbeitet. Die Einrichtung auf dem Festplatz existiere schon länger, daraus eine ZUE zu machen, sei „eine gute Lösung, die schon akzeptiert und etabliert ist.“
Doch seit das Land übernommen hat, hat sich einiges dann doch geändert. Beim Rundgang fallen immer wieder die Essensräume auf. Die werden derzeit noch gebraucht, weil der Küchencontainer, in dem die Mahlzeiten ausgegeben werden, und zu dem auch ein Speisebereich gehört, noch nicht da ist. Ab dem 11. März, werde er aufgebaut, heißt es seitens der Bezirksregierung. Bis alles angeschlossen und eingerichtet ist, werde es wohl rund vier Wochen dauern. Bis dahin also wird in anderen Räumen gegessen.
Männercafé mit Kicker, Billard- und Tischtennisangebot
Wer hier ankommt, kann sich zunächst einmal eine Erstausstattung abholen, dazu gehört auch Bettwäsche. Ein paar Räume weiter ist eine Kleiderkammer eingerichtet. Auch hier kooperiere man mit dem örtlichen DRK, sagt Kai-Joachim Rose. Die Flüchtlinge erhalten hier gespendete Kleidung. Auch bei der Umfeldsprechstunde kooperiere man mit dem Kreisverband Gladbeck. Sie wird regelmäßig in Räumen an der Bottroper Straße in der Innenstadt stattfinden.
Eine Tür weiter gibt es dann noch ein weiteres Freizeitangebot. Rose spricht von einem „Männercafé“. Denn die Unterkunft wird genutzt, um alleinreisende Männer unterzubringen. Hier gibt es einen Kicker, einen kleinen Billardtisch und eine Mini-Tischtennisplatte, um sich die Zeit zu vertreiben. Denn die Menschen, die künftig hier leben werden, stehen noch am Anfang ihres Asylverfahrens. Erst wenn es abgeschlossen ist und klar ist, ob sie bleiben dürfen, also anerkannt werden, werden sie von hier aus auf die Städte im Land aufgeteilt. „Denn am Ende, wird Integration vor Ort gelebt“, sagt Josefine Paul und betont die Bedeutung der Verteilung auf die Städte.
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In Gladbeck soll eine weitere ZUE entstehen, etwa in derselben Größenordnung wie auf dem Festplatz. Dazu, so Ministerin Josefine Paul, liefen derzeit Gespräche mit Stadt und Bezirksregierung, und sie habe die begründete Hoffnung, dass es konkreter erarbeitet wird.
Stadt Gladbeck und Bezirksregierung prüfen weiteren Standort
Ähnlich äußert sich Bürgermeisterin Bettina Weist. Die Stadt sei in intensiver Prüfung mit der Bezirksregierung. Es gehe nun auch darum zu klären, ob der Rahmen, den die Bezirksregierung setzt, an dieser Stelle realisierbar sei. Es gebe die Überlegung, die zweite Unterkunft, die an anderer Stelle in der Stadt entstehen soll, im Verbund mit der auf dem Festplatz zu führen. In dem Fall kämen den Verantwortlichen die kurzen Wege innerhalb Gladbecks zugute.
Land will Kapazitäten weiter ausbauen
Die Unterkunft in Gladbeck, für die Ministerin ist es „ein Baustein, um das Landessystem weiter auszubauen“. Mit der ZUE am Festplatz und dem, was sonst in NRW aufgebaut werde, habe das Land damit sein Versprechen gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden eingehalten, heißt es seitens des Ministeriums. Im September 2023 hatte man zugesichert, bis Ende März 3000 zusätzliche Landesplätze zu schaffen. Zum 21. März 2024 stünden nach aktueller Planung 34.218 aktive Plätze in Landesunterkünften zur Verfügung. Das seien entspreche einem Netto-Zuwachs von 3108 Plätzen, so die Rechnung des Landes.
Damit seien die Bemühungen des Landes aber noch nicht am Ende. Ministerin Josefine Paul spricht in Gladbeck von 41.000 Plätzen, die das Land bereitstellen werde, „um zu puffern, zu steuern und die Kommunen zu entlasten“. Bis Ende 2024 will man dieses Ziel erreichen.