Gladbeck. Tempo 30 gilt in Gladbeck bereits im Bereich von Kitas und Altenheimen sowie in Wohngebieten. Ist dieses Limit die Zukunft auf den Straßen?
Tempo 30 als vorgeschriebene Regelgeschwindigkeit innerorts, außerhalb von Hauptstraßen? Der Deutsche Städtetag findet, das sollte in Modellversuchen getestet werden. Falls sich die Probe aufs Exempel bewährt: Müssen sich motorisierte Menschen in Gladbeck also darauf einstellen, künftig häufiger auf die Bremse treten zu müssen? Immerhin ist die Stadt im Jahre 2021 dem Anstoß „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten – eine neue kommunale Initiative für stadtverträglicheren Verkehr“ beigetreten. Tempo 30 – die Zukunft auf Gladbecks Straßen?
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David Hennig, Rathaussprecher in Gladbeck, sagt: „Es geht darum, mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrende zu schaffen.“ Dass dieses Ziel durch ein reduziertes Tempo erreicht werden könne, davon sei die Stadtverwaltung überzeugt. Mit diesem Standpunkt befindet sie sich nicht allein auf weiter Flur. „Je geringer die Geschwindigkeit, desto geringer die Unfallfolgen in den meisten Fällen“, nennt Annette Achenbach eine Faustformel. Die Sprecherin im Polizeipräsidium Recklinghausen führt Erfahrungswerte an, wenn sie sagt: „Es spielt schon eine Rolle für die Unfallschwere, ob ich mit 30, 35 Stundenkilometern mit jemandem zusammenstoße, oder ob ich 60, 70 Stundenkilometer fahre.“
Tempo 30 gilt üblicherweise in sensiblen Bereichen wie im Umfeld von Schulen, Kindergärten und Seniorenheimen
Üblicherweise gilt Tempo 30 jetzt schon beispielsweise im Umfeld von Schulen und Kindergärten. „Noch weniger geht auch, wie in Spielstraßen“, so Annette Achenbach. Sie stellt klar: „Der betreffende Bereich muss nicht unbedingt ein Unfallschwerpunkt sein.“ Kinder, die plötzlich auf die Straße rennen, nicht so mobile Menschen, die vielleicht mit einem Rollator unterwegs sind – ihnen gebührt besonderer Schutz. Hennig führt als weitere Pluspunkte an: „Die Reduzierung von Lärm- und Schadstoffimmissionen und eine spürbare Erhöhung der Aufenthaltsqualität.“
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Wie hoch der aktuelle prozentuale Anteil an Gebieten, in denen der Tacho maximal 30 Stundenkilometer anzeigen darf, am gesamten Straßennetz ausfällt, kann Hennig nicht beziffern: „Grundsätzlich sind nahezu sämtliche Wohngebiete in Gladbeck entweder in Tempo-30-Zonen oder verkehrsberuhigte Bereiche integriert. Dazu kommen an allen Streckenabschnitten auf Hauptverkehrsstraßen, wo dies bereits möglich ist, zum Beispiel im Bereich von Schulen und Kitas, Reduzierungen auf Tempo 30 anstelle der innerstädtischen 50 Stundenkilometer.“
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Letzteres dürfen Menschen auf fast allen überörtlichen Hauptverkehrsstraßen in Gladbeck fahren, also unter anderem auf der Horster Straße, Kirchhellener Straße, Bottroper Straße, Schultenstraße, Feldhauser Straße und Konrad-Adenauer-Allee. Jedoch manchmal auch nicht durchgängig, Verkehrsteilnehmer müssen stellenweise vom Gas gehen. Hennig ergänzt: „Auch hier sind schon Abschnitte auf Tempo 40 reduziert worden.“ Beispielhaft zu nennen wären da Teile der Vehrenberg- und der Phönixstraße. Tempo 70 ist lediglich auf kurzen Abschnitten auf der Hegestraße, Feldhauser Straße und Konrad-Adenauer-Allee erlaubt.
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Ja, wo wäre denn überhaupt eine Ausweitung von Tempo 30 in Gladbeck denkbar? Diese Überlegung hieße zum jetzigen Zeitpunkt: den zweiten vor dem ersten Schritt machen. „Denn bevor der Stein ins Rollen kommt, kann es dauern“, räumt Hennig ein. Und meint damit: Gesetze bremsen Bestrebungen in Richtung weiterer Entschleunigungen, der Wunsch nach Tempo 30 stößt an rechtliche Grenzen. „Es ist zu unterscheiden zwischen Tempo-30 Zonen und der Anordnung von Tempo 30 auf der freien Strecke. Die grundsätzlichen Vorgaben hält die StVO und die VwV-StVO (Verwaltungsvorschrift) bereit“, dröselt Hennig auseinander.
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Tempo-30-Zonen kämen nur dort in Betracht, wo der Durchgangsverkehr von geringer Bedeutung ist, sie dienen vorrangig dem Schutz der Wohnbevölkerung sowie der Fußgänger und Fahrradfahrer. In Gladbeck weist der Flächennutzungsplan die überörtlichen Hauptverkehrsstraßen und Wohnbauflächen aus, „die nahezu vollständig deckungsgleich mit den Tempo-30-Zonen der Stadt sind“. Die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf allen anderen Strecken sei nur im Zusammenhang mit einer sensiblen Nutzung, die einen direkten Zugang zur betreffenden Straße habe, möglich – womit wir wieder bei Kindergärten, Schulen, Pflegeheimen etc. wären – und auf einer Länge von maximal 300 Metern.
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Dabei sei aus kommunaler Sicht eine Reduzierung der erlaubten Maximal-Geschwindigkeit auch an anderen Stellen empfehlenswert – beispielsweise für Bereiche der Hegestraße und der Postallee. Doch das sei aktuell nicht rechtssicher machbar.
Und da kommt die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ins Spiel. „Aktuell sind 900 Städte, Gemeinden, Landkreise und ein Regionalverband Mitglieder“, berichtet David Hennig – darunter eben auch Gladbeck. Über das gesamte Land verteilt und über Parteigrenzen hinweg engagieren sich die Beigetretenen dafür, selbst die Zügel – oder besser gesagt: die Lenker – bei der Entscheidung über stadtverträgliche Geschwindigkeiten in die Hand nehmen zu dürfen.
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Derzeit seien den Städten und Kommunen zu enge gesetzliche Grenzen bei der Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten vorgegeben. „Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen werden insbesondere durch die Straßenverkehrsordnung und damit den Bund gesetzt“, erläutert David Hennig. Die Initiative habe das Ziel, den Gesetzgeber von notwendigen Veränderungen zu überzeugen. Und damit mehr kommunalen Gestaltungsspielraum zu öffnen. Der Verwaltungssprecher: „Die Initiative steht nicht für die grundsätzliche und paradigmatische Ausdehnung von Tempo 30 in den Städten, sondern für mehr Spielraum seitens der Kommune und die Entscheidungsmöglichkeit, Höchstgeschwindigkeiten im städtischen Netz aufgrund der örtlichen Kenntnisse anzupassen.“