Gladbeck. Die moderne Welt beeinflusst auch das Bestattungswesen. Der Zentrale Betriebshof Gladbeck reagiert auf die Wünsche Hinterbliebener.
Die moderne Welt formt Arbeits- und Gesellschaftsstrukturen um, nimmt Einfluss auf Lebende und Tote. Veränderungen machen auch an den Toren der Friedhöfe nicht Halt. Das lässt sich daran ablesen, welche Bestattungsarten die Menschen bevorzugen – und welche sie kaum noch wählen. Der Zentrale Betriebshof Gladbeck (ZBG) als Betreiber der städtischen Friedhöfe reagiert auf die Wünsche der Hinterbliebenen. Für die nahe Zukunft ist ein neues Angebot in Planung – eine weitere Chance, Lebenswirklichkeit und Totenkultur zu vereinen.
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Wer über eine der Anlagen in Gladbeck schlendert, kann den Wandel nicht übersehen: Grabfelder mit einheitlichen Malen zeugen davon, dass immer weniger Menschen die letzten Ruhestätten ihrer Lieben pflegen wollen oder können. Die Auswirkungen dieses Phänomens heben die bisherige Gedächtniskultur aus den Angeln: Individuelle letzte Ruhestätten mit Liebe zum Detail werden erkennbar weniger.
Hinterbliebene wollen immer öfter die Grabpflege an den Zentralen Betriebshof Gladbeck abgeben
Das bestätigt Silke Kuckert-Brinkmann, in deren Verantwortung die Unterhaltung der städtischen Friedhöfe in Gladbeck liegt. Die ZBG-Expertin berichtet: „Die Hinterbliebenen wollen nicht mehr die Verpflichtung haben, jede Woche zum Grab fahren zu müssen, um dort Unkraut zu zupfen und zu gießen.“ Um die Gründe zu erfahren, muss man gar nicht tief graben. Zum Beispiel: „Angehörige wohnen weiter weg vom Friedhof, haben keine Zeit oder auch keine Lust für die Grabpflege.“
Der sonntägliche Besuch auf dem Gottesacker, wie er vor einiger Zeit in vielen Familien noch gang und gäbe war, ist mittlerweile oft passé. Die Expertin sieht in der Entwicklung, dass Menschen nicht mehr wie früher fest an einem Ort verwurzelt sind, das größte Problem: „Die Leute werden immer mobiler.“ Daher suchen sie nach Wegen, um die Fürsorge für ein Grab zu umgehen.
Die Betreffenden, so Kuckert-Brinkmanns Erfahrung, schildern ihre persönliche Lage und Wünsche auch unverblümt. Da kommt das „Gladbecker Modell“ gut zupass: Grabstellen mit einheitlichem Mal, auf dem der Name des Verstorbenen eingearbeitet ist – und die Pflege liegt in Händen des ZBG-Teams. Diese „Gemeinschaftsgräber mit Grabstein sind die beliebteste Bestattungsform bei uns“, stellt Silke Kuckert-Brinkmann fest. Jahr für Jahr stehen zwei Grabstein-Typen zur Wahl, in diesem sind es sogar drei.
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Allerdings gibt’s derzeit Probleme mit Material-Lieferungen. Die Folge: Der Steinmetz, der den diesjährigen Auftrag erhalten hat, kann keine Grabmale herstellen (die WAZ berichtete).
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„Dank der Gemeinschaftsgräber mit Stein ist in Gladbeck die Anzahl der Erdbestattungen – im Vergleich zu anderen Städten – immer noch relativ hoch“, sagt die Expertin. Die Nachfrage nach den pflegeleichten Gräbern wachse seit 23 Jahren stetig.
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Diese Beisetzungen machen nach ihrer Angabe einen Anteil von 47 Prozent aus. Bei den weiteren 53 Prozent handelt es sich um Urnenbestattungen. Zu letzteren zählen auch Beisetzungen in Urnenkammern. Und auch Baumbestattungen, „von denen hatten wir in diesem Jahr schon 17, 2022 waren es insgesamt 31“. Silke Kuckert-Brinkmann leitet ab: „Die Tendenz bei Baumgräbern steigt.“ Diese Möglichkeit der Beisetzung besteht auf den städtischen Friedhöfen in Rentfort und Brauck.
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Kuckert-Brinkmann erkennt eine Verschiebung hin zu „immer mehr Urnenbeisetzungen“. Die Expertin kündigt an: „Wir machen uns Gedanken über neue Bestattungsformen, wahrscheinlich können wir 2023/2024 Urnenbestattungen als Baumwahlgrab anbieten.“ Klingt kompliziert, bedeutet de facto: Es bestünde dann die Möglichkeit, irgendwann „bis zu vier Menschen zusammen zu bestatten“. Die Namen der Verstorbenen würden auf einer Messingplatte verewigt. Diese Neuerung wäre beispielsweise für Familien interessant, denn „bisher werden Verstorbene immer einzeln beigesetzt“. Jedenfalls, wenn die Hinterbliebenen die Pflege dem ZBG überlassen wollen.
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Blick in die Statistik
Für das Jahr 2021 weist die Statistik des Zentralen Betriebshofs Gladbeck (ZBG) insgesamt 690 Bestattungen – also auf allen drei städtischen Friedhöfen – aus. Im Jahr 2022 waren 719 Beisetzungen aufgeführt.
Auf die Standorte aufgeschlüsselt, ergibt sich folgendes Bild: Anno 2022 wurden 285 Beerdigungen auf dem Rentforter Friedhof durchgeführt, im Vorjahr waren es 273. Das sind die meisten auf dem etwa zwölf Hektar großen Areal.
Für den Gottesacker in Brauck gingen im zurückliegenden Jahr 253 Bestattungen in das Zahlenwerk ein (2021: 261). Diese Anlage ist so groß wie jene in Rentfort.
Am wenigstens Beisetzungen registrierte der Betriebshof für den Friedhof in der Gladbecker Stadtmitte. 181 waren es dort im Jahre 2022, nach 176 im Vorjahr. ZBG-Expertin Silke Kuckert-Brinkmann erklärt: „Hier haben wir auch nur die Hälfte der Fläche, die uns auf den beiden anderen Anlagen zur Verfügung steht.“
Was man noch als Familiengruft kennt, werde immer weniger verlangt, stellt Kuckert-Brinkmann fest. Das gilt ebenfalls für Ruhestätten, deren Pflege die Angehörigen in Eigenregie übernehmen. Oder sich das wenigstens vorgenommen haben – und dann doch nicht tun und die Grabstellen verwahrlosen lassen. Kuckert-Brinkmann erzählt: „Bei den Erdreihengräbern müssen ungefähr 30 Prozent der Hinterbliebenen angeschrieben werden.“ Zu manchen Verantwortlichen nehme der ZBG wieder und wieder Kontakt auf. Manche reagieren und bringen die Grabstellen in Ordnung, von anderen komme keine Resonanz. Am Ende räumt das ZBG-Team verkommene Gräber ab.
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Ein anderes Problem bekommen jene Menschen zu spüren, die eine Grabstelle auf dem Friedhof Mitte erhallten möchten. Grund: Es herrscht nach wie vor Platznot. „Deswegen gelten strenge Regeln“, so Kuckert-Brinkmann, „das ist auch für uns nicht schön, wenn wir Menschen abweisen müssen.“ Gute Aussichten, dass ein Verstorbener auf dem kleinsten der städtischen Friedhöfe begraben wird, haben beispielsweise Hinterbliebene außerhalb des Einzugsgebietes, wenn dort bereits Verwandtschaft ersten Grades ihre Ruhe gefunden hat: „Auswärtige verweisen wir auf Brauck und Rentfort.“ Aber Interessenten aus Nachbarstädten würden zahlenmäßig nicht ins Gewicht gefallen, so gering sei ihr Anteil.
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Entspannung für den Friedhof Mitte erwartet Silke Kuckert-Brinkmann 2026/2027, „wenn die ersten Gemeinschaftsgräber mit Grabstein geräumt werden“. Sie wurden erstmals im Jahr 2001 belegt. Wer weiß, ob nicht bis dahin eine andere Bestattungsform mindestens ebenso beliebt wie diese ist...