Gladbeck. Gladbecker Rat stellt sich gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft im Hotel Van der Valk. Doch auch das Land hat sich in der Sitzung geäußert.

Nahezu drei Stunden haben die Gladbecker Ratsmitglieder am Donnerstagnachmittag über die mögliche Unterbringung von Flüchtlingen im Hotel Van der Valk in Ellinghorst debattiert, teils begleitet von den Trillerpfeifen der Demonstranten vor dem Rathaus. Im Ratssaal wurde deutlich: Parteiübergreifend wird die Zentrale Unterbringungseinheit in der Form, wie Land und Bezirksregierung sie in Wittringen planen, abgelehnt. Eine entsprechende Resolution wurde am Ende der Debatte einstimmig verabschiedet, wobei sich Grüne und AfD enthielten.

Für die Grünen machte Fraktionschef Bernd Lehmann deutlich, dass man mit der Bezirksregierung im Gespräch bleiben wolle, dass man das Dilemma, vor dem das Land steht, durchaus sieht. Staatssekretär Lorenz Bahr aus dem Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hatte zuvor Zahlen genannt. 29.300 standardgerechte Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen müsse NRW landesweit schaffen, auf den Regierungsbezirk Münster entfielen 4450 Plätze. Bisher gibt es davon gerade einmal 2310. Der Regierungsbezirk sei deshalb angehalten, in erheblichem Maße weitere Plätze aufzubauen.

Gladbecker Rat kritisiert Art der Unterbringung – Regierungspräsident widerspricht

Man kritisiere die derzeit angedachte Unterbringung, aber am Ende, so Lehmann, bleibe es dabei, dass Menschen einen sicheren Hafen brauchten. Er schlug der Bezirksregierung vor, einen Beirat zu gründen, um so Belangen von Stadt, Land und Geflüchteten gerecht werden zu können.

Das Hotel Van der Valk in Gladbeck, eingerahmt von A2, Bahnlinie und Wittringer Wald am Rand der Stadt Gladbeck.
Das Hotel Van der Valk in Gladbeck, eingerahmt von A2, Bahnlinie und Wittringer Wald am Rand der Stadt Gladbeck. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Durchgehende Kritikpunkte: Die Art der Unterbringung, die Entfernung zur Stadt, die fehlende ÖPNV-Verbindung und die vielen Menschen, die dort zusammenleben müssten. Mehrfach fiel auch das Wort „Massenunterkunft“. Ein Begriff, gegen den sich der Münsteraner Regierungspräsident wehrte. Die größte Landesunterkunft in NRW biete rund 1200 Plätze, die kleinste 166. Gladbeck liege mit 620 Plätzen im Mittel. Zudem – das ist neu – würden inzwischen nicht mehr nur die Hälfte, sondern alle Plätze auf das Gladbecker Flüchtlingskontingent angerechnet. Gleichzeitig sprach er davon, dass man in der momentanen Situation jedes Bett brauche.

Regierungspräsident weist Stimmungsmache der Gladbecker AfD zurück

Bothe machte deutlich, dass aus Sicht des Landes ZUE und dezentrale Unterbringung kein Widerspruch sind. Er legte den Ratsmitgliedern dar, dass nahezu alle Menschen, die nun dezentral untergebracht worden seien, zuvor in einer ZUE gelebt haben. Die Flüchtlinge, so Bothe, kämen in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Bochum an, würden dort registriert und dann innerhalb weniger Stunden einer Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen. Nach etwa sieben bis zehn Tagen folge der Transfer in eine ZUE. Dort warten sie den Ausgang des Asylverfahrens ab und werden dann auf die Kommunen verteilt. Nur 19 Prozent der Menschen seien länger als sechs Monate in einer ZUE, nur vier Prozent länger als neun, so Lorenz Bahr.

Landtag lehnt Stopp der Planung ab

Vor dem Gladbecker Rat hat sich bereits der Landtag mit der geplanten Flüchtlingsunterkunft in Gladbeck befasst. Die AfD hatte den Antrag eingebracht, die Planungen einzustellen. Das lehnte der Landtag mehrheitlich ab. Allerdings machte die SPD-Fraktion deutlich, dass sie diese Art der Unterbringung aus humanitären Gründen ablehne. Dennoch stimmte sie – wie auch CDU, Grüne und FDP – gegen den AfD-Antrag.

Die zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne) sprach dagegen – laut Bild – von einem sinnvollen Mittel, den Versorgungsauftrag sicherzustellen.

Bothe wünschte sich eine sachliche Debatte. Ausdrücklich wandte er sich gegen die Stimmungsmache seitens der AfD: „Weder planen wir hier eine Vier-Sterne-Luxushotel-Unterbringung, noch eine humanitär bedenkliche Zusammenballung von Menschen.“ Die Lage am Naherholungsgebiet sehen die Verantwortlichen der Bezirksregierung als Vorteil. Das erleichtere dem Betreuungsverband das Vorhalten eines tagesstrukturierenden Freizeitangebots. was sich erfahrungsgemäß auf das konfliktfreie Miteinander auswirke.

Im Umkehrschluss gab es seitens des Rats und der Bürgermeisterin aber auch Kritik an der Kommunikation von Land und Bezirksregierung. Man fühle sich vor Ort übergangen, haben vieles durch Indiskretionen über die Presse erfahren und sei nicht mitgenommen worden. Ein solches Projekt aber funktioniere nur, wenn die lokale Expertise mit am Tische sitze. Das sei verpasst worden, so die übereinstimmende Kritik, die auch Bürgermeisterin Bettina Weist übte. Die Rede war von einem „Kommunikationsdesaster“, bei dem Vertrauen verspielt worden sei.

Rat kann nur appellieren, ob der Appell angenommen wird, liegt nicht in seiner Hand

Am Ende also die gemeinsame Resolution, in der der Rat das Land auffordert, die Planungen für die ZUE in Gladbeck einzustellen. Als Gründe werden die zunehmenden Sorgen der Bevölkerung und der demokratischen Parteien angeführt, ebenso die Kritik an der Art der Unterbringung durch die evangelische Flüchtlingshilfe. Gladbeck sei mit dem Mix aus zentraler und dezentraler Unterbringung erfolgreich und diesen Weg wolle man weiter beschreiten. Tatsächlich wurde dieses Vorgehen von Land und Bezirksregierung als „vorbildlich“ gelobt. Die Resolution schließt mit dem Satz: „Die Stadt Gladbeck wird sich auch zukünftig nicht der gesamtstaatlichen Aufgabe zur Aufnahme von Flüchtlingen verschließen.“

Doch wie geht es nun weiter? Lorenz Bahr und Andreas Bothe wollten sich unmittelbar nach der Sitzung nicht äußern, zunächst einmal die Eindrücke mitnehmen. Letztlich ist es so, wie Dustin Tix (SPD) in seinem Redebeitrag schon vorausgesehen hatte: „Wir wollen heute einen Appell beschließen, ob dem entsprochen wird, liegt nicht in unserer Hand.“ Denn weder Verwaltung noch Lokalpolitik hätten formal die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Andreas Bothe bat die Stadt dagegen um Unterstützung bei der Errichtung der ZUE: „Wir zählen darauf, dass Sie uns begleiten, konstruktiv, solidarisch und gerne auch mit kritischen Fragen.“