Gladbeck. Praktikum, Freiwilligendienst und bald Tagesstättenleiter: Warum ein 26-jähriger Gladbecker hauptberuflich Wohnungslosen helfen will.
Vor fünf Jahren hat Robert Pankratz aus Gladbeck Wohnungslose zum ersten Mal richtig kennengelernt. Nicht so, wie wohl viele denken: mit gesenktem Blick auf eine Person, die mit ausgestreckter Hand auf einem staubigen Teppich in der Fußgängerzone sitzt und ein leises „eine Spende, bitte“ auf den Lippen hat. Er saß neben ihnen, auf Augenhöhe, hat mit ihnen gesprochen und vor allem ganz viel zugehört.
Damals hatte er seinen ersten Tag bei der Caritas-Wohnungslosenhilfe. Die Räume der Tagesstätte an der Humboldtstraße wirkten für Pankratz wie eine neue Welt: „Die Menschen waren so herzlich und ganz anders, als sie sich die meisten vorstellen“, erinnert er sich. Die Betreuung der Wohnungslosen war für den heute 26-Jährigen immer eine Ehrensache – bald ist sie sogar sein Hauptjob.
26-Jähriger leitet bald die Gladbecker Tagesstätte für Wohnungslose
Ende des Jahres übernimmt Pankratz die Stelle als Leiter der Wohnungslosenhilfe von Annette Frerick, die dann in den Ruhestand geht. Viele Besucher kennen ihn aber noch als Praktikanten. Als dieser kam er 2018 zur Tagesstätte. Kurze Zeit später hatte er sein Fachabitur im Bereich Gesundheit und Soziales in der Tasche. Sein Bundesfreiwilligendienst (BFD) beim Caritasverband Gladbeck führte ihn direkt wieder zurück in die Räume an der Humboldtstraße.
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Während des Freiwilligendiensts lernte Pankratz so richtig, was es heißt, jeden Tag mit sozial benachteiligten Frauen und Männern zu arbeiten. Die Bedürftigen kommen nämlich nicht nur für ein Mittagsessen, eine warme Dusche und frisch gewaschene Kleidung zur Tagesstätte. „Die brauchen vor allem ein offenes Ohr und eine starke Schulter, an die sie sich anlehnen können“, sagt der 26-Jährige.
Jeder Besucher komme mit anderen Themen auf die Caritas-Helfer zu: das Leben im Gefängnis oder auf der Straße, Probleme in der Familie, Einsamkeit, Stigmatisierung, Gott. „Damit die Menschen über so etwas reden, müssen wir über Wochen eine starke Beziehung aufbauen, teilweise auch über Monate“, erklärt Pankratz.
Helfer müssen auch Extremsituationen meistern
Im Gespräch mit den Besuchern sei es wichtig, sich mit Wertungen zurückzuhalten. Die Gründe, warum sie zur Tagesstätte kommen, seien schließlich komplett unterschiedlich. Manche hätten gar keine Wohnung und wollen sich aufwärmen, andere kommen bei Freunden unter und besuchen die Hilfe für eine warme Mahlzeit und aus Geselligkeit. „Es sind auch Akademiker dabei, die an die falschen Kontakte geraten sind“, meint Pankratz.
Teilweise müssten der 26-Jährige und seine Kollegen auch mit Extremsituationen klarkommen, „zum Beispiel, wenn sich hier ein Heroin-Abhängiger hinsetzt, um seinen Rausch auszuschlafen.“ Ein Bedürftiger habe im Konflikt mit einem anderen auch schon mal ein Messer gezogen. „Wir haben ihn beruhigt, nach draußen geführt und ihm Hausverbot erteilt“, sagt Pankratz. Denn bei der Wohnungslosenhilfe gibt es klare Regeln: kein Alkohol, keine Drogen und keine Gewalt.
26-Jähriger will Digitalisierung der Wohnungslosenhilfe vorantreiben
Dass der Gladbecker bald hauptberuflich Wohnungslose betreut, macht ihn stolz: „Ich wollte schon immer Sozialarbeiter werden.“ Seine Mutter habe früh erkannt, dass Pankratz gerne und gut mit Menschen arbeitet. Auch fachlich ist er fit, denn nach seinem BFD-Einsatz hat er ein Sozialarbeiter-Studium in Osnabrück begonnen. Bis zum Dienstantritt ist er damit fertig.
Was sich ab Ende des Jahres für Pankratz ändert: Er schaut bei Gesprächen der Fachberatungsstellen nicht nur über die Schulter, sondern er führt sie selbst. Wie kommen Bedürftige an eine Wohnung? Welche Sozialleistungen können sie beziehen? Wo finden Menschen mit psychischer Erkrankung Hilfe? Solche Fragen wird er dann beantworten.
Für seine Zeit als Tagesstättenleiter hat er sich schon jetzt ein Projekt auf die Fahne geschrieben: die Hilfe der Caritas für Wohnungslose zu digitalisieren. So will er den Besuchern Zugang zu WLAN ermöglichen. Sein Ziel: „Dadurch sollen sie schneller und einfacher Wohnungen, Ärzte und andere Hilfen finden. Ein Smartphone haben die meisten ja schon, nur kein Internet.“
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