Recklinghausen/Gladbeck. Weißstörche sind im Kreis keine Seltenheit mehr. Gladbeck allerdings stellt da noch die Ausnahme dar. Ein Experte erklärt, warum das so ist.

Wie viele Störche sind in diesem Jahr aus ihren Winterquartieren in den Kreis Recklinghausen geflogen, um hier Frühjahr und Sommer zu verbringen? Und sind auch in Gladbeck schon Störche gesichtet worden? Niels Ribbrock zögert einen Moment mit der Antwort. „Die genaue Zahl kann ich noch nicht sagen. Aber was ich bisher gesehen habe, sind die Nester aus den Vorjahren besetzt, es müssten in etwa so viele Weißstörche hier sein wie 2022“, sagt der Experte von der Biologischen Station im Kreis Recklinghausen.

In Gladbeck allerdings, ergänzt Ribbrock, habe sich seines Wissens nach bislang noch kein Storch blicken lassen. „Gladbeck ist in der Beziehung ein weißer Fleck. So wie übrigens auch Castrop-Rauxel, Herten und Recklinghausen. Das liegt einfach an der Siedlungsstruktur“, erklärt der Fachmann. Im vergangenen Jahr haben sich 38 Storchenpaare im Kreis Recklinghausen niedergelassen – der bisherige Höhepunkt einer rasanten Entwicklung seit 2005. Damals waren Werner und Luise das erste Storchenpaar im Kreis.

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Die Storchenzahl liegt wohl auch in diesem Jahr wieder auf Rekordniveau

Seitdem steigt die Storchenzahl – und liegt offenbar auch in diesem Jahr wieder auf Rekordniveau. Bereits Mitte Februar sind die ersten Störche im Kreis Recklinghausen angekommen, mittlerweile ist die Tier-Riege komplett. „Die Störche brüten jetzt, liegen auf den Eiern“, berichtet Niels Ribbrock. Und die Zeit des Schlüpfens steht bevor: „Die Küken schlüpfen nach 33 Tagen. Es ist damit zu rechnen, dass Ende April bei den ersten Paaren erste Fütterungen des Nachwuchses zu beobachten sind“, weiß der Landschaftsökologe.

Durchschnittlich drei bis vier Küken bringt ein Storchenpaar zur Welt, „allerdings werden nicht alle Küken groß.“ Hier sei neben der Nahrungsverfügbarkeit vor allem das Wetter für das Überleben wichtig. „Einzelne Schauer sind kein Grund zur Sorge. Im Anfang können die Altvögel ihre noch sehr kleinen Jungen gut schützen.“ Dieses sogenannte Hudern reicht vom Bergen der Küken unter dem Gefieder bis zum Schutz durch die über dem Nest ausgebreiteten Flügel. „Beim Wetter ist die entscheidende Phase Anfang Mai. Wenn es um die Eisheiligen herum eine längere nass-kalte Periode gibt, wird es für die Küken schwierig. Denn die Jungstörche sind dann schon etwas größer, nicht mehr so gut zu hudern.

Häufig überlebt nur ein Storchenküken

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Tatsächlich überlebe häufig nur ein Küken. Es gebe auch Nester mit Totalausfällen. Überstehen die Küken die erste Zeit, folgt meist eine rasante Entwicklung. „Etwa sechs Wochen nach dem Schlupf geht es Richtung Flüggewerden“, berichtet Niels Ribbrock von ersten Flugübungen über dem Nest und folgenden Ausflügen, die auch dadurch gefördert werden, dass die Altvögel die Fütterung einstellen. Schließlich machen sich die Jungstörche im Juli Richtung Süden auf. Die Altvögel erholen sich zunächst noch von der anstrengenden Brutphase und starten meist im August.

Ziel der Störche aus dem Kreis Recklinghausen ist hauptsächlich Spanien. Der anstrengende Weg bis nach Afrika ist in der Regel nicht mehr nötig. „Die Störche finden inzwischen im Winter zumeist genug Nahrung in Südeuropa“, so Ribbrock. Dass sich der Kreis Recklinghausen seit 2005 wachsender Beliebtheit bei den Weißstörchen erfreut, liegt zum einen an den guten Nisthilfen, zum anderen an dem vorhandenen Nahrungsangebot, wie Ribbrock erläutert: „Im Gegensatz zu dicht besiedelten und trockenen Gegenden bieten Feuchtgebiete den Störchen verlässlich über Jahre langfristig ausreichend Nahrung. Hier besteht eine ,bunte Vielfalt‘ mit Kleinsäugern, Amphibien, Insekten, Würmern.“

Auch in Gladbecks Nachbarstadt Bottrop hat eine Nisthilfe funktioniert

Schwarzstörche kommen im Kreis nicht vor

Im Gegensatz zu den Weißstörchen werden Schwarzstörche nicht im Kreis Recklinghausen ansässig. „Natürlich wünschen wir uns auch diese Art im Kreis, aber die Hoffnung ist klein“, sagt Niels Ribbrock mit Blick auf die landschaftlichen Gegebenheiten. „Die Schwarzstörche sind zum einen sehr störungsanfällig, brauchen zur Brut absolute Ruhe. Zum anderen brüten sie im Wald, sie benötigen große Wälder mit hohen feuchten Anteilen. So etwas haben wir hier nicht.“

So sind Schwarzstörche bislang im Kreis Recklinghausen lediglich „auf der Durchreise“ zu sehen – und auch das nur mit viel Glück. Niels Ribbrock: „Sie sind mit ihrem dunklen Gefieder unauffälliger als die Weißstörche – und sie sind sehr scheu.“

Mehr zur Arbeit der Biologischen Station im Kreis unter www.biostation-re.de.

Als Beispiele nennt der Experte im Kreis Recklinghausen den Halterner Norden und die Lippeaue, „wo sich die Weißstorch-Quartiere von Waltrop bis Dorsten wie an einer Perlschnur aufreihen“. Ganz in der Nähe von Gladbeck, nämlich in Bottrop-Grafenwald, hat sich ebenfalls seit dem vergangenen Jahr ein Storchenpaar häuslich niedergelassen. Ein Nisthilfe dort hat funktioniert. Feuchtgebiete, so die Einschätzung von Nils Riebbrock, gibt es durchaus auch in Gladbeck, entlang der renaturierten Bäche. Ganz unwahrscheinlich ist die Vorstellung also nicht, auch hier irgendwann einmal Meister Adebar mit Familie anzutreffen.

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Nisthilfen, sagt Ribbrock, habe der Storch allerdings im Kreis Recklinghausen nicht mehr unbedingt nötig. Die Population sei enorm gewachsen. Sprich: Um Familie Storch muss man sich in der Region keine Sorgen mehr machen. Nach Absicht des Experten von der Biologischen Station sei es deshalb wünschenswert, wenn man nun andere Arten, die es nötiger haben, in den Fokus nehmen würde. Ribbrock fällt da sofort der Kiebitz ein. Der schwarz-weiße Vogel mit der auffälligen Kopfhaube gilt als stark gefährdet, kommt dementsprechend auch hier kaum vor. Er könnte, sagt Niels Ribbrock, ein wenig Unterstützung gut gebrauchen.