Gladbeck. Finanznot: Die Zukunft des katholischen Berufskollegs in Gladbeck ist noch nicht geklärt. Nachbarstädte haben Interesse an einer Übernahme.

Verliert Gladbeck eine über die Stadtgrenzen anerkannte gute Ausbildungsstätte für Mangelberufe im Sozial- und Gesundheitswesen? Denn die weitere Zukunft der in Finanznöte geratenen Johannes-Kessels-Akademie (JKA) über 2026 hinaus wurde jetzt im Bildungsausschuss des Kreises angesprochen. Dabei wurde deutlich, dass auch großes Interesse in Nachbarstädten besteht, das renommierte Berufskolleg bzw. seine Bildungszweige aus Gladbeck abzuziehen und ins eigene Hoheitsgebiet zu übernehmen.

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Bislang hatten sich die Krisengespräche darum gedreht, ob oder wie die Fachschule der Sekundarstufe II an der Allensteiner Straße in Gladbeck erhalten bleiben kann. Denn der Fortbestand des katholischen Berufskollegs ist gefährdet, seitdem das Bistum Essen im Frühjahr 2022 angekündigt hatte, den Eigenanteil für den Betrieb der Akademie ab dem Haushaltsjahr 2023 nicht mehr in Gänze tragen zu können und bis Ende 2026 sukzessive bis auf die Hälfte abzuschmelzen. Um die laufende Ausbildung sicherzustellen, hat der Kreistag im September 2022 einstimmig beschlossen, die fehlenden Gelder vorübergehend bereitzustellen. Der kalkulierte Zuschussbedarf für die JKA in Gladbeck umfasst für die kommenden vier Jahre (2023-2026) ca. 812.000 Euro, also pro Jahr durchschnittlich 203.000 Euro.

Die Stadt Bottrop ist bereit, ein leergezogenes Schulgebäude zu reaktivieren

Im Jahr 2016 wurde mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck das Jubiläum 50 Jahre Johannes-Kessels-Akademie gefeiert. Das Katholische Berufskolleg wurd 1966 von Ordensschwestern der göttlichen Vorsehung als Eduard-Michelis-Schule in Gladbeck gegründet.
Im Jahr 2016 wurde mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck das Jubiläum 50 Jahre Johannes-Kessels-Akademie gefeiert. Das Katholische Berufskolleg wurd 1966 von Ordensschwestern der göttlichen Vorsehung als Eduard-Michelis-Schule in Gladbeck gegründet. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Wie es mit der Schule dann im 60. Jahr ihres Bestehens ab 2027 weitergeht, ist noch unklar. Ein Arbeitskreis (u.a. mit Vertretern des Bistums, der Bezirksregierung, des Kreises, der Schule und der Stadt Gladbeck) ist bereits drei Mal zusammengekommen, um über Konzepte für eine langfristige Zukunft des Berufskollegs zu beraten (z.B. Profilveränderungen, Trägerwechsel). Die Gladbecker Lokalpolitik spricht sich deutlich für den Erhalt des Standortes aus.

Die Stadt Gladbeck kann nicht selbst übernehmen

Träger des Katholischen Berufskollegs ist bislang der Johannes-Kessels-Akademie e.V., der dem Diözesan Caritasverband des Bistums Essen angeschlossen ist. Mitglieder sind die örtlichen Caritasverbände im Bistum Essen und der Kita Zweckverband.

Träger eines Berufskollegs können laut Schulgesetz nur kreisfreie Städte und Kreise sein. Die Stadt Gladbeck kann auch nicht als öffentlicher Schulträger für die Johannes-Kessels-Akademie einspringen, da sie keine Ersatzschulen errichten oder betreiben darf.

JKA-Schulleiter Matthias Schwark hatte in Ausschüssen die Vielfalt der Bildungsgänge des Berufskollegs auch als beruflichem Gymnasium vorgestellt. Deutlich wurde bei seiner Präsentation auch, dass der Großteil der aktuell 373 Schülerinnen und Schüler nicht von weither anreist, sondern aus Gladbeck (34 %), Bottrop (33 %) und Gelsenkirchen (24 %) kommt.

Diese Tatsache bringt jetzt auch neue Begehrlichkeiten in den Prozess, die Dr. Richard Schröder, (Fachbereichsleiter Gesundheit, Bildung und Erziehung im Kreishaus), dem Kreis-Bildungsausschuss in jüngster Sitzung öffentlich bekannt machte. Die Stadt Bottrop bekundet demnach Interesse, die Bildungsgänge aus Gladbeck zu übernehmen, ein leergezogenes Schulgebäude könnte dafür reaktiviert werden. Ebenso interessiert ist Gelsenkirchen, wo an einem Berufskolleg der bestehende Bildungsgang aufgestockt werden könnte. Das wäre auch in Dorsten denkbar. Der Schulleiter des Berufskollegs Gladbeck, Holger Pleines, hatte auf Anfrage der WAZ bereits informiert, dass Kapazität an der Herderstraße bestehe, Bildungsgänge der JKA am Standort zu übernehmen.

Schuldezernent in Gladbeck hat das Ziel, den Schulstandort langfristig zu erhalten

Gladbecks Schuldezernent und Erster Beigeordneter, Rainer Weichelt, bekräftigt auf Anfrage der WAZ, dass es aus seiner Sicht erstes Ziel sein müsse, „die Schule in Gladbeck zu erhalten. Am besten so, wie sie ist und sich als anerkannter Ausbildungsort etabliert hat“. Um die Finanzierung sicherzustellen, müsste der Kreis dann langfristig als Geldgeber einspringen. Gladbeck wäre sicherlich bereit, „anteilig eine Kostenbeteiligung von ca. 45.000 Euro pro Jahre bereitzustellen“, so Weichelt. JKA-Schulleiter Matthias Schwark sagt, dass es durchaus wünschenswert wäre, wenn auch mit einer Finanzierung des Kreises „das Bistum als Träger erhalten bleibt“.

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Denn sozusagen die Krux am System sind die Bestimmungen für die Trägerschaft eines Berufskollegs der Sekundarstufe II. Bislang wird die Johannes-Kessels-Akademie als ein katholisches Berufskolleg und staatlich genehmigte Ersatzschule der Sekundarstufe II geführt. Diese Form der Privatschule ermöglichte auch die Anstellung von Quereinsteigern beziehungsweise Lehrkräften, die vollumfänglich unterrichten, obgleich sie nicht über die Lehrberechtigung (Fakultas) verfügen, wie sie für eine öffentliche berufsbildende Schule des Sekundarbereichs II vorgeschrieben ist.

Als staatliche Schule hatte die Hälfte des JKA-Kollegiums keine Lehrbefugnis

Diese strengeren Maßstäbe würden gelten, wenn der Kreis oder eine kreisfreie Stadt als Träger die JKA übernähme. Auswirkung: Für knapp die Hälfte des rund 30 Köpfe großen Kollegiums würde dann die Lehrbefähigung nicht mehr ausreichen, um an einem „staatlichen“ Berufskolleg der Sekundarstufe II zu unterrichten. Matthias Schwark hofft im Sinne des Zukunftsplanung des Kollegiums und der neu in die meist dreijährige Ausbildung startenden Schülerinnen und Schüler, „dass zeitnah eine Entscheidung getroffen wird, wie es weitergeht, möglichst noch dieses Jahr“.