Gladbeck. Die Grünen in Gladbeck haben einen neuen Vorstand. Ihm ist Bürgerbeteiligung besonders wichtig – zum Wohle der Stadt. Was jetzt noch geplant ist.

Jung und voller Ideen: Zwei Ehepaare bilden den neuen Vorstand der Grünen in Gladbeck – Sprecherin Sandra Borgwerth und Beisitzer Bernd Borgwerth sowie Sprecher Frederic Uschmann und Beisitzerin Nicole Uschmann. Damit ist der Vorstand deutlich gewachsen, doch dieser Schritt war gut überlegt. „Wir sind alle junge Eltern und berufstätig. Diese Teamlösung haben wir nun, um die Aufgaben in der Partei auf mehreren Schulter zu verteilen“, sagt Beisitzerin Nicole Uschmann. Denn das neue Führungsteam möchte einiges anstoßen.

Ein großes Ziel haben sich die vier gesteckt: Erschrocken über die niedrige Wahlbeteiligung bei der vergangenen Landtagswahl, möchten sie mehr Bürgerinnen und Bürger aus Gladbeck wieder an die Wahlurne bringen – und sie wissen, das geht nur, indem man die Menschen einbindet. „Auftrag der Politik ist es, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Da muss man ihnen nicht mit Vorlagen und Beschlüssen kommen“, sagt Nicole Uschmann.

Die Grünen in Gladbeck möchten die Politik in die Stadtteile bringen

Daher wollen die neuen Grünen ganz neue Themen setzen. „Der alte grüne Gedanke ,Wir sind dagegen’ ist vorbei. Wir möchten die Menschen mehr abholen und mehr Bürgerbeteiligung stärken“, so Frederic Uschmann. Erste Ideen seien, Bürgerstammtische im Stadtgebiet verteilt anzubieten und Infostände etwa auf Marktplätzen zu organisieren – und zwar nicht nur zu Wahlkampfzeiten. „Wir möchten die Politik in die Stadtteile bringen. Auch bei Social Media wollen wir verstärkt Präsenz zeigen, und über den Integrationsrat möchten wir Kontakt zu den Menschen im Stadtsüden aufnehmen“, sagt Sandra Borgwerth. Denn besonders diese Stadtteile seien abgehängt.

Die Grünen bemängeln: Immer wieder gibt es Vandalismus-Fälle in Gladbeck, wie hier umgestürzte Parkbänke im Wittringer Wald.
Die Grünen bemängeln: Immer wieder gibt es Vandalismus-Fälle in Gladbeck, wie hier umgestürzte Parkbänke im Wittringer Wald. © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Ein großes Problem sehen die Grünen beim Thema Identifikation: An vielen Stellen in der Stadt gebe es Vandalismus, beispielsweise auf Spielplätzen oder an den Banken auf den Halden, auch jede neue Wand werde gleich besprüht. „Das zeigt, die Menschen fühlen sich für ihre Stadt nicht mehr verantwortlich“, so Nicole Uschmann. Doch ein Verantwortungsbewusstsein entstehe nur, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie beteiligt werden. Daher gehe es darum, sich Input von den Gladbeckern einzuholen. „Wir wollen auch gezielt fragen, ob die Bürger Ideen für Anträge haben. Die Stadt muss unser gemeinsames Wohnzimmer sein.“

Grüne sehen den A52-Ausbau weiter kritisch

Kritik übt Frederic Uschmann an der Verwaltung bezüglich Bürgerbeteiligung. Beispielsweise die Veranstaltung zum A52-Stadtumbau-Projekt „37 Grad“ im vergangenen Jahr sei eher eine Werbeveranstaltung als ein Workshop gewesen. Es sei der Eindruck entstanden, dass die Verwaltung nur die Ideen der Menschen weitergeben werde, die ihr gefallen. „Die Vorschläge wurden nicht ernst genommen. So funktioniert Bürgerbeteiligung nicht.“

Zu den Personen

Der bisherige Vorstand – mit Elke Marita Stuckel-Lotz und Andreas Rullmann an der Spitze – war bei der Wahl nicht erneut angetreten. „Das war von vornherein als Übergangslösung gedacht“, so der neue Sprecher Frederic Uschmann. Der vorübergehende Vorstand war nötig geworden, da deren Vorgänger wiederum überraschend zurückgetreten waren.

Sprecher Frederic Uschmann ist 36 Jahre und Betriebsprüfer bei einer Rentenversicherung. Er hat zwei Söhne (zwölf und neun Jahre). Seit rund einem Jahr gehört er den Grünen in Gladbeck an. „Ich habe mich immer mehr dafür interessiert, was in dieser Stadt passiert und kann mich nur einbringen, wenn ich in einer Partei aktiv bin.“

Sprecherin Sandra Borgwerth ist 44 Jahre und hat drei Kinder (elf, acht und fünf). Sie ist ebenfalls seit 2021 bei den Grünen aktiv. „Als Diplom-Biologin bin ich im Herzen schon immer grün gewesen.“ Auch sie sei nun in die Partei eingetreten, um „selbst anpacken“ zu können und dazu beizutragen, dass „Gladbeck eine junge, familienfreundliche Stadt ist“.

Beisitzerin Nicole Uschmann hat nach dem Partei-Eintritt ihres Mannes und ihrem damit verbundenen Engagement im Landtagswahlkampf gemerkt, „dass es voll mein Ding ist.“ Sie selbst sei mit Hartz IV und einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und weiß: „Auch Frauen mit wenig Geld brauchen eine Stimme.“ Die 36-Jährige ist ebenfalls Betriebsprüferin bei einer Rentenversicherung.

Beisitzer Bernd Borgwerth ist seit 2012 in der Kommunalpolitik tätig – zunächst bei den Piraten, bevor er zu den Grünen wechselte. Es gelte stets zu hinterfragen, ob die angestrebten Lösungen die richtigen seien. „Wir als Grüne sind kritisch, wollen aber auch konstruktiv Entwicklungen begleiten.“ Der 44-Jährige ist Medizintechnik-Ingenieur und arbeitet als Softwareentwickler.

Auch Ninja Lenz gehört als Schatzmeisterin zum Vorstand der Grünen in Gladbeck.

Den A52-Ausbau sieht der neue Vorstand der Grünen weiter kritisch. „Mit dem Ausbau kommen nur mehr Autos, eine Entlastung für den Verkehr wird das nicht“, ist Frederic Uschmann überzeugt. Die Lösung für eine gelungene Verkehrswende wäre vielmehr der Ausbau des ÖPNV mit einer „ordentlichen Verbindung nach Essen und Bottrop“. Das müsse über den Ausbau von Bus- und Bahnverbindungen sowie den Bau von Radschnellwegen geschehen. „Die Menschen werden nicht umsteigen, wenn diese Anreize nicht gesetzt werden.“ Doch statt neue Ideen zu entwickeln, werde „an 20 Jahre alten Plänen festgehalten“, kritisiert Bernd Borgwerth. Auch die Haltepunkte, etwa der Oberhof, seien unattraktiv.

Die Grünen seien nicht blauäugig, dass sich beim beschlossenen Ausbau der A52 jetzt noch etwas tue, nun komme es aber darauf an, die Chance der Ausgestaltung zu nutzen.

Eine Grüne Jugend gibt es in Gladbeck mangels Nachwuchses derzeit nicht

Um Demokratie bei den Menschen zu stärken, müsse man ihnen Demokratie erklären – und damit möglichst früh anfangen. „Wir müssen schon Schüler für Politik begeistern“, sagt Frederic Uschmann. Doch derzeit werde sich viel zu wenig um Kinder und Jugendliche gekümmert. „Spielplätze werden gesperrt, Geräte abgebaut, wir bauen mit dem Heisenberg ein neues Gymnasium, gleichzeitig fällt das Riesener-Gymnasium zusammen. Oft gehen Dinge kaputt, und die Stadt Gladbeck ist davon ganz überrascht“, kritisiert Frederic Uschmann.

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Mit dem eigenen Parteinachwuchs sieht es indes nicht besonders rosig aus. Eine Grüne Jugend vor Ort gebe es aktuell nicht, dafür eine „sehr aktive Kreisjugend“. Der Aufbau der Jugendorganisation in Gladbeck sei immer wieder schwierig, da die jungen Leute oft zum Studium in eine andere Stadt zögen. „Gladbeck ist nun mal keine Studentenstadt“, sagt Bernd Borgwerth. Generell sei es nicht leicht, junge Menschen für die Politik zu begeistern. Grundsätzlich aber sei die Partei in der vergangenen Zeit gewachsen. „Baerbock und Habeck tun uns gut.“