Gladbeck. Beraterin warnt, dass auch Gladbecker Jugendliche unkontrolliert Drogencocktails über das Internet bestellen. Die Wirkung kann gefährlich sein.
Martina Richter von der städtischen Drogenberatung „Drop Out“ kann die Bedenken gegen die von der Bundesregierung beabsichtigte Legalisierung von Cannabis nachvollziehen. Die Expertin sorgt sich aber noch viel mehr um synthetische Drogen, die über das Internet als THC-Liquid aus dem Ausland für die E-Zigarette bezogen werden können. Denn, anders als bei natürlichem Cannabis-Gras, kenne man die berauschenden Inhaltsstoffe nicht und inhaliere beim Verdampfen „gefährliche Chemie-Cocktails, die lebensbedrohlich sein können“.
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Martina Richter berichtet von Fällen aus ihrer Berufspraxis, wo Konsumenten bereits nach der ersten Einnahme mit schweren körperlichen Problemen wie Herzrasen, Kreislaufschwierigkeiten, Krampfanfällen, Panikattacken und sogar psychotischen Schüben zu kämpfen hatten. Es könne sogar passieren, dass man durch einen Drogen-Horrortrip zum Gefangenen im eigenen Körper werde, „von außen alles mitbekommt, sich aber selber weder bewegen noch irgendwie äußern kann“.
Jugendliche mussten nach Drogenkonsum auf der Intensivstation behandelt werden
Drastische Folgen wurden etwa im Februar deutlich, als drei Jugendliche aus dem Kreis Recklinghausen nach dem Konsum synthetischer Drogen mit Nierenversagen lange auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Die Gefahr der Abhängigkeit bei synthetischen Cannabinoiden sei um einiges höher als bei natürlichem Cannabis, sagt Martina Richter, das vergleichsweise weniger Abhängigleite schaffe und mit dem man bei der Suchtberatung gut arbeiten könne.
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Ein Cannabisentzug gehe etwa schnell, innerhalb von nur einer Woche, und sei körperlich gut auszuhalten. „Der Betroffene ist dann vielleicht nervlich etwas dünnhäutig, schwitzt stärker und hat Schlafprobleme“, so Richter. Ganz anders sehe es beim synthetischen Cannabis aus. „Das THC-Liquid hat eine viel höherer Wirkung und führt schon nach einer Woche Konsum zu Entzugserscheinungen, die denen Heroinabhängiger gleichen“, so die Beraterin, „mit grippeähnlichen Kältesymptomen wie Schüttelfrost und Durchfällen“. Lediglich starke Schmerzen würden nicht auftreten.
Das Einstiegsalter für den Drogenkonsum liegt in Gladbeck bei 14 bis 17 Jahren
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Fatal sei auch, dass die beispielsweise in chinesischen Laboren hergestellten Chemie-Cocktails den berauschenden Wirkstoff THC imitieren, „aber ohne seine charakteristischen Inhaltsstoffe aufzuweisen“. Demnach würden die von der Polizei bei Verkehrskontrollen verwendeten Cannabis-Nachweistests auch nichts anzeigen, „obwohl der Getestete von Rausch-Liquids voll bedröhnt hinter dem Steuer sitzt“. Und der in diesem nicht verkehrstüchtigen Zustand zur Unfallgefahr für sich selbst, für Mitfahrende oder andere Verkehrsteilnehmen werde.
Niederschwellige Beratung
Die städtische Drogenberatung „Drop Out“ ist nicht nur ein niederschwelliges Angebot für Drogenabhängige. Auch Angehörige von Suchtkranken finden dort Beratung und Unterstützung.
Erziehungsberechtigten, die an ihren Kindern Veränderungen bemerken, rät Martina Richter dazu, sich rasch an die Drogenberatung zu wenden, um der Sache besser auf den Grund gehen zu können.
Die Drogenberatung „Drop Out“, Goethestraße 42, Telefon 20 40 44, hat montags bis freitags von 8.30 bis 12 Uhr und mittwochs von 13.30 bis 15.30 Uhr geöffnet.
Das Einstiegsalter für den Drogenkonsum liege auch in Gladbeck „zwischen 14 und 17 Jahren, also in der Pubertät, wo sich Jugendliche gerne ausprobieren und Grenzen austesten“, so die Drogenberaterin. In Gladbeck gebe es aber keine so harte Szene wie in den Nachbarstädten Bottrop, Gelsenkirchen und Essen. Daher sei es auch für weiche Drogen schon schwieriger, in Kontakt mit Dealern zu kommen. Was wiederum die Gefahr erhöhen könne, selbst Drogen über das Internet zu bestellen.
Der kontrollierte Cannabis-Verkauf nimmt der Drogenszene ihren Einfluss
Die Legalisierung von Cannabis könne dazu führen, „dass das Interesse dann nicht mehr so groß ist, zum niederschwellig via Internet bestellbaren THC-Ersatz auszuweichen“, sagt Martina Richter. Der kontrollierte Verkauf würde zudem der Drogenszene und Dealern ihren Einfluss nehmen, die über den weichen Cannabis-Einstieg Kundschaft für harte Drogen gewinnen. Die Expertin beschreibt dazu ein mögliches Szenario: Der Dealer sagt dann zum Beispiel beim 21. Kundenkontakt, „du, heute habe ich kein Cannabis, aber hier, probier doch mal was anderes“. Und das könnte dann Koks, Crack oder Heroin und der Weg zur harten Drogen und Abhängigkeit sein.