Gladbeck. Die kostengünstige Mahlzeit lockt zunehmend Pilzsammler in den Wald. Experten warnen davor, ohne Kenntnisse loszuziehen. Lebensgefahr droht.
Vielleicht liegt es auch an den höheren Kosten durch gestiegene Energiepreise und weniger Geld in den Portemonnaies, dass die Anzahl der Pilzsammler in den Wäldern um und in Gladbeck sowie auf Wiesen zugenommen hat. Ein schmackhaftes und magenfüllendes Hobby, wenn die Gefahren und Risiken bekannt sind und beachtet werden. Denn Gladbecker und weitere Pilz-Experten warnen davor, ohne ausreichende Vorkenntnisse auf Sammeltour zu gehen. Das neue Hobby könnte nämlich lebensgefährlich enden.
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Warum, das erklärt Bernhard Schregel: „Im Grunde hat jede leckere und ungefährliche Pilzsorte einen täuschend ähnlichen Doppelgänger, der unbekömmlich ist – oder dessen Verzehr sogar tödlich enden kann“. Der pensionierte und einstige Leiter der Abteilung Stadtgrün beim Zentralen Betriebshof der Stadt Gladbeck ist erklärter Fan und Fachmann in Sachen heimische Pilze. Seine Fotos dieser faszinierenden Lebensform bereichern ein anerkanntes Pilze-Fachbuch (von Wolfgang Bachmann).
Ergiebige Pilzstandorte werden ungern preisgegeben
Schregel empfiehlt aber dringend, nicht einfach mit einem gekauften Pilzbuch loszuziehen und sich auf der sicheren Seite zu fühlen. „Man sollte zunächst mit jemandem Pilze sammeln gehen, der sich in der Materie auskennt“. Er selbst ist schon seit Jugendtagen in heimischen Wäldern und Wiesen unterwegs, um seinen Korb mit schmackhaften Leckerbissen zu füllen. Erfahrene Sammler wissen aufgrund ihrer regelmäßigen Touren, wo sich das Objekt der Begierde finden lässt. Wobei Standorte meist ungern preisgegeben werden, um die eigene Ausbeute nicht zu schmälern. Der Vorteil bekannter Fundorte bekömmlicher Pilze ist auch, dass dort wahrscheinlich kein giftiger Doppelgänger steht.
Gleichwohl ist Bernhard Schregel immer vorsichtig und lässt sich nicht vom plötzlichen Fund einer größeren Ansammlung so beliebter Sorten wie dem Steinpilz blenden. „Da gehe ich selbst als erfahrener Sammler im Zweifel lieber mit größter Vorsicht heran.“ Er nehme dann vom möglichen Sammelgut ein winziges Stückchen zwischen die Zähne, „um vorsichtig den Geschmack mit der Zunge zu testen“. Sei der nicht mild, sondern gallig bitter, lasse sich schnell erkennen (und ausspucken), „dass es sich statt Steinpilz um einen Gallenröhrling handelt. Der im Prinzip zwar essbar ist, aber jede Pilzpfanne mit diversem Sammelgut statt Delikatesse in ein ungenießbares Abfallprodukt verwandelt.
Ein Befähigungskurs kann einer gefährlichen Pilzvergiftung vorbeugen
Schregel selbst empfiehlt, sich aufgrund der vielen Pilzsorten, allein vom Champignon gebe es 25 Unterarten, sich auf ein-zwei Sorten zu spezialisieren, um so die Kenntnisse zu sichern und die Vergiftungsgefahr zu minimieren. Der Gladbecker ist selbst Hallimasch-Fan, der im Bereich von Totholz seinen Lebensraum hat. Er empfiehlt nur junge und so bekömmlichere Pilze dieser beliebte Art zu genießen. Die freilich auch einen Doppelgänger hat, den Gift-Häubling, der auch auf toten Baumstümpfen wächst. Wie der Name schon kenntlich macht. Der Verzehr führt zu erbrechen und Blutdruckabfall, kann bei einer Menge ab 100-150 Gramm auch tödlich enden. Gut zu wissen, dass der Hallimasch zum Beispiel durch Schüppchen auf seinem Hut vom giftigen Doppelgänger unterschieden werden kann.
Da die Unterschiede zwischen „Gut“ und „Böse“ teils aber kaum auszumachen sind, empfiehlt Schregel „einen Befähigungskurs bei ausgewiesenen Fachleuten“. Zum Beispiel einem ausgebildeten und geprüften Pilzsachverständigen (PSV) der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Im benachbarten Bottrop ist der in direkter Nähe wohnende nächste dieser Experten für Gladbecker zu finden. PSV Björn Sontopski, der an der Kirchhellener Straße wohnt. Schlechte Nachricht: Für dieses Jahr habe er leider keine Termine mehr bei den von ihm geführten Pilztouren mit maximal zehn Personen frei. Er macht aber das Angebot eines Sorglos-Paketes für unerfahrene Pilzsammler. „Wer unsicher ist, kann vor der Sammeltour einen Termin mit mir ausmachen und dann vorbeikommen. Ich begutachte dann das Sammelgut und sortiere möglicherweise giftige Sorten aus“, so Sontopski (mobil zu erreichen unter 0176 24 723 841).
In Naturschutzgebieten darf grundsätzlich nicht gesammelt werden
Im Sinne des Grußes aller Schwammerl-Freunde, die damit auch ihren Schutzpatron anrufen: „Antonius behüt!“ Der ausgebildete Experte kennt sich auch mit Schutzbestimmungen und Gesetzesgrundlagen aus. Um einer gewerbsmäßigen Ausbeutung von Wald und Co. vorzubeugen dürften, „Pilze nur für den Eigenverbrauch mit einer Menge bis zwei Kilogramm gesammelt werden“. Per se tabu als Sammelgebiet seien mit Hinweisschild ausgewiesene Naturschutzgebiete, wo man sich ja auch nur als Besucher auf den angelegten Wegen aufhalten dürfe um Flora (Wildtiere) und Fauna (schützenswerte Pflanzen, ggf. auch Pilze) nicht zu beeinträchtigen.
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Dies ist auch Gerd Tersluisen vom Gladbecker Hegering wichtig. Der Naturfreund warnt zudem, dass „es auch private Waldgebiete gibt, in denen das Pilzsammeln nicht erlaubt ist“. Darauf werde in der Regel mit Informationen an den Zuwegen hingewiesen. Verstöße dort, oder in Naturschutzgebieten, würden teils rigoros von den Revierförstern verfolgt. Er wisse allein „von rund 480 kostenpflichtigen Verwarnungen in einem Jahr im Bereich der Üfter Mark“. Tersluisen erklärt, warum gerade Pilze so wichtig für den Fortbestand des Waldes sind. „Sie zersetzen Totholz und bedeuten für Bäume eine wichtige Symbiose. An der Oberfläche sehen wir ja nur den Fruchtkörper des Pilzes, sein feingliedriges Wurzelwerk breitet sich aber in viel größeren Bereichen im Boden aus.“ Und gerad dieses vernetze sich mit dem Feinwurzelsystem benachbarter Bäume, „die im Tausch gegen Kohlenhydrate (Glucose) von Pilzen mit Wasser und wichtigen Nährstoffen (Mineralien) versorgt werden“.