Gladbeck. Der Fortbestand der Sprach-Kitas ist auch in Gladbeck nicht gesichert. Der Bund stoppt das Förderprogramm zum Jahresende, steht so in der Kritik.
Die Enttäuschung ist groß an der Superhelden-Kita in der Gladbecker Stadtmitte. Die zaudernde, abwehrende Haltung von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Haushaltsdebatte am Mittwoch zur Fortführung der Finanzierung der Sprach-Kitas über den Jahreswechsel hinaus, lässt das Erzieherinnenteam bei wichtiger personeller Verstärkung nach wie vor in der Luft hängen. Und das betrifft auch weitere sieben Kindertageseinrichtungen in Gladbeck. Konkret geht es um den Fortbestand dieser acht Einrichtungen im Stadtgebiet als Sprach-Kitas durch Weiterbeschäftigung speziell ausgebildeter Fachkräfte. Diese erhält jede Sprach-Kita über Bundesmittel, um die Sprachentwicklung der Kinder unter Einbeziehung der Eltern zu fördern. Die Stadtspitze um Bürgermeisterin Weist will jetzt in der Sache ein klares Zeichen setzen.
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Im jüngsten Jugendhilfeausschuss hatten Gladbecker Verwaltung und Lokalpolitik unisono unterstrichen, wie wichtig die Sprachförderung für die frühkindliche Bildung und später gelingende Schullaufbahnen sei. Einstimmig wurde eine scharfe Resolution in Richtung Land und Bund verabschiedet, die die Notwendigkeit der Weiterfinanzierung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ deutlich macht. Denn gerade in Gladbeck ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund besonders hoch, für rund 40 Prozent der Kita-Kinder ist Deutsch Zweit- oder Fremdsprache. Erschreckende Folge: Jedes dritte Vorschulkind in Gladbeck spricht laut Schuleingangsuntersuchung kaum oder schlecht Deutsch.
Das Personal der Superhelden Kita beteiligt sich am bundesweiten Protesttag
Die Superhelden-Kita beteiligte sich am bundesweiten Aktionstag „Sprach-Kitas retten“ anlässlich der Haushaltsdebatte und hat die Eltern auf ihrer Seite. „Viele fragen jetzt nach, ob wir schon etwas Neues zur Weiterfinanzierung gehört haben“, berichtet Einrichtungsleiterin Yvonne Müller. Dies sei eine Bestätigung, dass die Eltern offensichtlich mitbekommen und schätzen, was die Sprach-Kita an besonderen Möglichkeiten für ihre Kinder und sie anbieten könne. „Sie empfehlen unsere Einrichtungen auch im Bekanntenkreis weiter, was wir dann bei Anmeldegesprächen erfahren und uns freut“, so Müller.
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Dass intensivierte Sprachförderung in der Einrichtung an der Uhlandstraße besonders wichtig ist, wird im weiteren Gespräch zum Thema schnell deutlich. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund, die die Sprach-Kita besuchen, „liegt bei 95 Prozent“, berichtet die Leiterin. Im ersten Jahrgang der noch neuen Kita hätten gut 90 Prozent der Kinder kein oder nur wenig Deutsch gesprochen, im zweiten Jahrgang sei es jetzt besser; „da betrifft dies nur noch 60 Prozent der Kinder.“ Ihre über das Förderprogramm finanzierte und besonders zum Thema geschulte Kollegin, Paulina Szymankiewicz, unterstütze und entlaste das gesamte Team. „Sie wirkt auch als Multiplikatorin, indem sie uns ihr über Fortbildungen erhaltenes Wissen weiter gibt.“
Die Sprach-Fachkraft bindet auch die Eltern mit in die Förderung ein
Das Team erhalte so auch zusätzliche Sicherheit, ergänzt Rebecca Forst (Erzieherin Blaue Gruppe), da die Sprach-Fachkraft die Kinder in Sachen Sprachentwicklung noch besser einschätzen könne. Dies sei für eine Sprach-Kita, die auch inklusiv arbeite, von hoher Bedeutung, um frühzeitig mit optimaler Förderung anzusetzen. Kollegin Paulina sei keiner Gruppe direkt zugeordnet, sie habe so eine bereichernde Multiperspektive in der Reflexion von Gruppenalltag, -strukturen und Arbeitsmethoden. Sie entlaste durch ihre differenzierten Beobachtungen und Aufzeichnungen auch in der Bildungsdokumentation. Zudem leiste sie Entlastung in der Kommunikation mit den Familien. Ein Teil der Eltern seien Analphabeten. Für die etwa am schwarzen Info-Brett neben dem Hinweiszettel „kleine Audiogeräte zum Abruf von Sprachnachrichten angebracht werden“, so Forst.
Land NRW finanziert ab Sommer
Im Sommer war bekannt geworden, dass das Bundesprogramm für die Sprach-Kitas zum Jahresende gestrichen wird, das nach Willen der Bundesregierung die Länder übernehmen sollen. Begründung: Kitas seien Ländersache. Daraufhin hagelte es deutliche Kritik.
Das Land NRW hat bereits angekündigt, ab dem Sommer 2023 die Sprach-Kita-Finanzierung sicher zu stellen. Für das halbe Jahr solle der Bund mit einer Übergangslösung einspringen. Bundesfamilienministerin Paus hat jüngst Entgegenkommen signalisiert, aber noch keine definitive Zusage gegeben.
Jede der acht Sprach-Kitas in Gladbeck erhält eine Förderung des Bundes in Höhe von 25.000 Euro jährlich. Verpflichtend ist die kontinuierliche Besetzung jeweils einer 19,5 Stunden-Sprachfachkraftstelle. Das Programm beinhaltet die methodische Förderung der Sprachentwicklung, Zusammenarbeit der Kita mit Familien sowie Optimierung der Inklusion.
Yvonne Müller ergänzt, dass das gesamte Konzept der Einrichtung auf den Schwerpunkt Sprach-Kita ausgerichtet sei und es undenkbar wäre, „alles dazu weiter Erarbeitete jetzt völlig umzukrempeln, weil das Geld und die Fachkraft fehlen“. Das gesamte Team betone, dass durch die Sprach-Fachkraft „die pädagogische Arbeit als Ganzes qualitativ aufgewertet wird“. Auf allen Ebenen von Stadt über Land und Bund werde ja bestätigt und gelobt, dass die Sprach-Kitas einen unverzichtbaren Beitrag in der frühkindlichen Bildung leisteten. „Jetzt muss endlich Klartext geredet, die Finanzierung sicher gestellt und damit ein Zeichen gesetzt werden, dass unsere Arbeit wichtig genommen und wertgeschätzt wird.“
Die Bürgermeisterin schlägt der Lokalpolitik vor, ein Zeichen zu setzen
Paulina Szymankiewicz insistiert abschließend: „Uns ist es wirklich wichtig, und wir bitten die Entscheidungsträgerinnen auf Landes- und Bundesebene ausdrücklich, mitzuhelfen, dass Familien mit besonderen Herausforderungen und verschiedenen kulturellen Hintergründen Teilhabe erleben und weiter Hilfen bekommen, ihre Kinder zu unterstützen. Außerdem wollen wir, dass Kinder mit erschwerten Ausgangsbedingungen hier weiter so gefördert werden können, dass sie gute Chancen haben, zu Superhelden heranzuwachsen.“
Die Stadtspitze will dazu ein Zeichen setzen, und Bürgermeisterin Weist der Lokalpolitik vorschlagen, die Sprach-Kita-Fachkräfte in den Stellenplan der Kommunalverwaltung aufzunehmen. Mit der Voraussetzung, dass diese über Mittel des Bundes- oder Landes finanziert werden.