Gladbeck. Das Jobcenter hat Zahlungen an eine schwerkranke Frau aus Gladbeck eingestellt. Nun läuft ein Eilverfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen.
Vor vier Monaten hat das Jobcenter die Zahlungen an eine 58 Jahre alte Frau (der Name ist der Redaktion bekannt) eingestellt, auch die Miete wird nicht mehr bezahlt. Einige Wochen später wurden Strom- und Gaszähler ausgebaut, weil auch diese Rechnungen nicht mehr beglichen werden. S. fühlt sich „schikaniert“.
Die 58-Jährige ist chronisch krank, leidet nach eigenem Bekunden unter anderem an starken Rücken- und Knieschmerzen, kann ohne Rollator nicht laufen, ist, wenn sie ihre Wohnung überhaupt verlässt, auf einen Rollstuhl angewiesen. Die schlimme Situation, in der sie gerade steckt, belaste sie zudem psychisch. Wegen ihrer gesundheitlichen Probleme habe sie ihre Stelle verloren, sagt sie, beziehe seit vier Jahren Arbeitslosengeld II. Lange Zeit habe es kaum Probleme gegeben. Ihre aktuelle Sachbearbeiterin aber verlange immer wieder andere Unterlagen und Belege. „Sachen, die ich längst vorgelegt habe, manche sogar mehrfach.“
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Die Betreiber des Wertvoll-Cafés in Gladbeck versuchen, der Frau zu helfen
Ernst und Tabea Eng, die Betreiber des Wertvoll-Cafés am Goetheplatz, versuchen alles, um der Frau zu helfen. Sie haben Bürgermeisterin Bettina Weist geschrieben, die Fraktionen (außer der AfD) im Rat der Stadt auf die unhaltbare Situation aufmerksam gemacht, die Petitionsausschüsse von Bund und Land um Hilfe gebeten, kaufen jede Woche für sie ein.
„Wie das Jobcenter mit der schwerkranken Frau umgeht, ist unerträglich“, urteilt Ernst Eng und nennt ein paar Beispiele: „Sie ist aus dem Obergeschoss des Drei-Familien-Hauses in eine etwas größere Wohnung im Erdgeschoss gezogen, weil sie die Treppen nicht mehr bewältigen konnte und deshalb lange Zeit überhaupt nicht vor die Tür kam. Anderthalb Jahre später ist der Mitarbeiterin des Jobcenters eingefallen, eine amtsärztliche Untersuchung anzuweisen, um einen Beleg dafür zu bekommen, dass der Umzug wirklich notwendig war. Sie wirft der Betroffenen mangelnde Kooperation vor und Ungereimtheiten in den Unterlagen. Wir bekommen aus Datenschutzgründen keinerlei Informationen, obwohl die Frau ihr erlaubt hat, mit uns über ihren Fall zu reden.“
Datenschutz und laufendes Verfahren
Die WAZ hat auch die Stadtverwaltung und das Jobcenter mit den Vorwürfen konfrontiert und um Stellungnahme gebeten. Beiden ist der Fall bekannt.
Stadtsprecher David Hennig konnte sich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht äußern, ebenso Thomas König, Pressesprecher des Jobcenters Kreis Recklinghausen, der zudem auf das laufende Verfahren am Sozialgericht Gelsenkirchen verwies.
Die Gladbeckerin möchte sich nun selbstständig machen, um unabhängig vom Jobcenter zu sein
Ohne Geld vom Jobcenter könne sie nicht einmal die Zuzahlungen für ihre Medikamente aufbringen, was ihre Schmerzen noch verschlimmere, klagt die 58-Jährige. Glücklicherweise lebt eine ihrer zwei erwachsenen Töchter im selben Haus. „Wir haben ein Stromkabel aus ihrer in meine Wohnung verlegt, damit ich wenigstens Licht habe, wenn ich schon kalt duschen muss.“ Unterkriegen lassen will sie trotz allem nicht. „Ich mache mich selbstständig, um endlich wieder unabhängig vom Jobcenter zu sein.“
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Sie nimmt zur Vorbereitung darauf gerade online an einem, vom Jobcenter finanzierten sechsmonatigen Coaching teil, ihr Trainer unterstütze ihren Plan und lobe ihre Motivation. „Laufen kann ich zwar kaum, aber ich kann telefonieren. Und deshalb werde ich Telefon-Marketing im Gesundheits- und Kosmetikbereich betreiben.“ Erst aber will sie erreichen, dass bis dahin die Zahlungen vom Jobcenter wieder aufgenommen werden. Rechtsanwältin Christina Worm hat ein Eilverfahren beim Sozialgericht Gelsenkirchen beantragt.