Gladbeck. Die Bildungspolitik will das Katholische Kolleg für Mangelberufe im Sozial- und Gesundheitswesen in Gladbeck erhalten. Aber nicht um jeden Preis.

Die Zukunft der Johannes-Kessels-Akademie (JKA) in Gladbeck ist zumindest bis 2026 gesichert. Der Bildungsausschuss des Kreises hat jetzt den Weg frei gemacht, dass der Kreis Recklinghausendas jährliche Defizit zur Finanzierung des katholischen Berufskollegs für die kommenden vier Jahre trägt. Die Fraktionen machten am Mittwoch aber deutliche Kritik gegenüber dem Bistum Essen, beziehungsweise dem Schulträger, deutlich. Im Besonderen, da die Akademie pädagogische Fachkräfte ausbildet, die händeringend benötigt werden, um etwa den Personalnotstand an überlasteten KiTas zu lindern.

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„Die Fraktionen haben klar gemacht“, so das Gladbecker Ausschussmitglied Jens Bennarend, „der finanziellen Förderung bis 2026 zuzustimmen, damit die Beschäftigen und die Schülerinnen und Schüler eine Perspektive haben, dass die begonnenen Bildungsgänge beendet werden können“. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion berichtet zudem von allgemein geäußerter Kritik, „dass die Katholische Kirche zum wiederholten Mal wichtige Einrichtungen in ihrer Trägerschaft auf die öffentliche Hand ablädt“. Die staatlich genehmigte Ersatzschule der Sekundarstufe II im Berufsfeld Sozial-und Gesundheitswesen ist dem Diözesancaritasverband des Bistums Essen als Spitzenverband angeschlossen. Sie wird als eingetragener Verein geführt, dessen Mitglieder die örtlichen Caritasverbände im Bistum Essen und der Kita-Zweckverband sind. Die Akademie ist an zwei Standorten in Essen und Gladbeck vertreten, in Gladbeck mit rund 400 Auszubildenden und 29 Lehrenden.

Aufgrund sinkender Kirchensteuereinnahmen deckelt das Bistum Essen die Ausgaben

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Kreistag, Jens Bennarend aus Gladbeck, kritisiert das Vorgehen des Bistums und des Trägervereins der Johannes-Kessels-Akademie.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Kreistag, Jens Bennarend aus Gladbeck, kritisiert das Vorgehen des Bistums und des Trägervereins der Johannes-Kessels-Akademie. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Wie bereits berichtet, hat das Bistum Essen angekündigt, den Eigenanteil für den Betrieb der Akademie ab dem Haushaltsjahr 2023 nicht mehr in Gänze tragen zu können. Hintergrund: Durch sinkende Einnahmen bei den Kirchensteuern wurden die Ausgaben verschiedener Bereiche im Bistum, auch der Caritas, gedeckelt. Für die JKA wird der bisherige Zuschuss bis 2026 auf 165.000 Euro halbiert und trotz danach absehbarer Kostensteigerungen und weiter wachsenden Jahresfehlbeträgen nicht erhöht. Der kalkulierte Zuschussbedarf für die JKA in Gladbeck umfasst für die kommenden vier Jahre (2023-2026) ca. 812.000 Euro, also pro Jahr durchschnittlich 203.000 Euro.

Bislang angesprochene Schulträger haben kein Interesse

Andere mögliche Träger wurden seitens des Bistums und des Johannes-Kessels-Akademie e.V. angefragt; die kein Interesse zur Übernahme haben. Der Vorstand der JKA wandte sich so an den Kreis Recklinghausen, um eine Lösung für den weiteren Betrieb der Schule zu finden.

Für den ähnlich großen JKA-Standort in Essen-Werden springt die Stadt Essen bis 2026 finanziell ein. Träger eines Berufskollegs können laut Schulgesetz nur kreisfreie Städte und Kreise sein. Die Stadt Gladbeck darf als öffentlicher Schulträger auch keine Ersatzschulen errichten oder betreiben.

Die JKA bildet an der Allensteiner Straße 22 in wichtigen Mangelberufen aus: Sozialassistentinnen (für Familien- und Heilerziehungspflege), Kinderpflegerinnen, Erzieherinnen (auch plus Abitur), praxisintegrierte Erzieherinnen (PiA), und ermöglicht das Fachabitur mit Berufspraktikum für die Fachhochschulreife. Die weiteren Berufskollegs des Kreises Recklinghausen mit dem Berufsfeld Sozial-und Gesundheitswesen haben in vielen Bildungsgängen bereits ihre jeweiligen Kapazitätsgrenzen erreicht, einige freie Plätze gibt es noch am Hans-Böckler-Berufskolleg Marl und Paul-Spiegel Berufskolleg in Dorsten.

Es soll aber nach einer stabilen und zukunftsorientierten Lösung gesucht werden

Die Mobilität der Jugendlichen wird von den Schulleitungen aber bei einigen Bildungsgängen (Sozialassistent, Kinderpfleger) als zu gering eingeschätzt, um ihnen weite Anfahrtswege zuzumuten, so dass die Zielgruppe aus Gladbeck bei Schließung der JKA vermutlich „abspringen“ würde. Die obere Schulaufsicht der Bezirksregierung Münster geht indes davon aus, dass in der Region insgesamt genügend Ausbildungskapazitäten und eine gewisse Mobilität unter den Schülern vorhanden ist. Die Bezirksregierung ist grundsätzlich daran interessiert, den Standort für die Ausbildung der sozialen Berufe zu halten, es soll aber nach einer stabilen und zukunftsorientierten Lösung gesucht werden. Die WAZ hatte bereits gefordert, eine Zukunft der JKA auch als Dependance des Berufskollegs Gladbeck zu prüfen. Synergien könnten so genutzt, Kosten eingespart werden.

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Die Politik habe gegenüber Bistum und Schulträgerverein deutlich gemacht, dass angesichts des dringenden Bedarfs die Notwendigkeit gesehen werde, die JKA zu erhalten. „Aber nicht um jeden Preis“, so Bennarend. Als Grundlage für eine langfristigen Lösung werde mehr Transparenz und Einblick in die Wirtschaftsplanung, etwa die Verträge für beschäftigtes Personal, wie auch Klarheit über die Substanz des Schulgebäudes selbst, gefordert. Die Mitglieder des Bildungsausschusses beschlossen neben der Finanzspritze, dass der Arbeitskreis Schulentwicklungsplanung 2022-2027, Vertretende der Schulaufsicht und der Berufskollegs ab Herbst 2022 mit Hochdruck Konzepte für eine langfristige Entwicklung (Abwicklungsszenarien, Profilveränderungen, Trägerwechsel) der Johannes-Kessels-Akademie erarbeiten. Die entscheidende Zustimmung des Kreistages am 19. September steht noch aus, der in der Regel aber dem Votum des Fachausschusses folgt.