Gladbeck. Ein stationäres Hospiz für Gladbeck wird geprüft. Einblicke in die bestehende Einrichtung in Bottrop zeigen wirtschaftliche Herausforderungen.
Ein stationäres Hospiz in Gladbeck wäre eine Bereicherung für das noch sehr lückenhafte Palliativnetzwerk im Stadtgebiet. Für eine Machbarkeitsstudie sollen im Haushalt 2023 rund 30.000 Euro bereitstehen. Im Sozialausschuss kommen derweil schon Expertinnen und Experten zum Thema zu Wort. Ihre Ausführungen konkretisieren den mangelhaften Staus Quo, den Bedarf und die Wünsche der Menschen in Gladbeck. Aufgezeigt wurde jetzt aber auch, warum der Betrieb eines stationären Hospizes in Gladbeck für einen möglichen Betreiber eine wirtschaftliche Herausforderung bedeutet.
- Lesen Sie weitere Nachrichten aus Gladbeck:
- Hausdurchsuchung. Polizei wieder bei Gladbecker „Problemfamilie“ im Einsatz
- Krankenhaus. Verletzter wird in Notaufnahme des Krankenhauses abgewiesen
- Problemimmobilien. Anwohner: Stadt soll Problemhochhaus Steinstraße räumen
- Pläne vorgestellt. Neues Pflegeheim mit besonderem Konzept entsteht in Gladbeck
- Verkehrswende. Radschnellweg RS7: Auf Gladbecker Gebiet bewegt sich etwas
Er wolle nüchtern darüber informieren „welche Probleme stationäre Hospize auch haben“, eröffnete Christoph Voegelin seine Ausführungen. Der Leiter des stationären Hospizes in Bottrop ist zugleich stellvertretender Vorsitzender des Hospiz- und Palliativ-Verbands NRW und berichtete dem Gladbecker Sozialausschuss aus der Praxis. Er machte deutlich, dass es in unmittelbarer Nachbarschaft ja bereits stationäre Hospizangebote gebe, die auch von Gladbeckern genutzt werden könnten und genutzt werden. Neben Bottrop existiere eine solche Einrichtung auch in Essen, Oberhausen, Gelsenkirchen, Recklinghausen oder in Marl, „das erst diesen Juni eröffnet“ habe. In Gelsenkirchen plane man zudem „seit geraumer Zeit ein zweites Hospiz“.
Nur mit Gästen aus Gladbeck lässt sich ein Hospiz nicht auskömmlich betreiben
Auch in Bottrop würden Gäste aus umgebenden Städten aufgenommen, denn „nur mit Bewerbern aus der eigenen Stadt lässt sich kein Hospiz wirtschaftlich betreiben“, so Voegelin. Im vergangenen Jahr seien beispielsweise 43 Prozent der Gäste an der Osterfelder Straße Bottroper gewesen. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 18 Tagen bedeutete eine Vollauslastung des Hauses 21 Gäste pro Jahr und Bett (in Bottrop sind es zehn). Um noch auskömmlich zu arbeiten brauche ein Hospiz „mindestens eine Auslastung von 80 Prozent“, dies bedeute für Bottrop 168 Gäste pro Jahr. Zum Stichtag 30. Juni lagen für das laufende Jahr 227 Anfragen für einen Aufenthalt im Bottroper Hospiz vor. Klingt gut, reduziere sich aber tatsächlich deutlich, da oft in mehreren Hospizen im Umkreis eine Anfrage erfolge, potenzielle Gäste teils vor der Aufnahme versterben „und letztlich nur aus etwa jeder dritten offiziellen Anfrage eine Aufnahme resultiert“.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Die Kostenträger würden für die Gäste dann einen Tagessatz gewähren, der, gemessen an den nötigen Ausgaben, nicht auskömmlich sei und sich angesichts steigender Energiepreise sicherlich weiter erhöhen werde. Schon der von Voegelin genannte und aufzubringende Eigenanteil für das Vorjahr 2021 war eine stattliche Summe: „Es waren rund 130.000 Euro, die das Bottroper Hospiz selbst aus Spenden aufbringen musste.“ Und obwohl es vielleicht unschön sei, es so zu nennen, mache jedes neue Hospiz freilich den umgebenden Einrichtungen Konkurrenz, sei es bei den Gästen oder den Spenden. Bei letzteren sei aufgrund des allgemein gestiegenen Energiekostendrucks für die Bürger per se mit einem Rückgang zu rechnen, sagt der Experte.
Die meisten Gladbecker wollen Zuhause in vertrauter Umgebung sterben
Zum generellen Hospizbedarf habe eine Studie der Uni Göttingen (2017) benannt, das von 40 bis 50 Betten pro einer Million Einwohner auszugehen sei. „Für das Ruhrgebiet mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern ergebe dies einen Bedarf von 250 bis 280 Hospizplätzen“, so Voegelin. In den bestehenden Hospizen existierten bereits 231 Plätze und sechs weitere Einrichtungen seien in Planung, „so dass wir im Ballungsraum deutlich über 280 Betten liegen werden“. Jede neue Einrichtung, egal, ob sie acht oder zehn Betten vorhalte, benötige 12,5 Vollzeitkräfte, um den Hospizbetrieb gewährleisten zu können. „Die muss man erst mal zusammenkriegen“, verwies Voegelin auf den leer gefegten Personalmarkt für Pflegeberufe.
Der Hospiz-Leiter verdeutlichte weiter, dass ein stationäres Hospiz ja nicht der einzige Weg sei, um den palliativen Bedarf in Gladbeck zu decken. Die Möglichkeiten palliativer Versorgung habe ja auch schon Beate Letzel vom Hospiz-Verein Gladbeck im Sozialausschuss Anfang des Jahres benannt. Generell hätten ja auch Umfragen in Gladbeck ergeben, dass die meisten Menschen in vertrauter Umgebung zu Hause sterben möchten. Dies könne auch bei ausreichend vorhandenen Palliativstrukturen, vor allem mit Palliativmedizinern und ambulanten Palliativ-Pflegediensten, gegebenenfalls einem ambulanten Tageshospiz, gewährleistet werden. Die Strukturen in Gladbeck, mit zurzeit nur einem praktizierenden Palliativ-Hausarzt, „müssten dann aber deutlich ausgebaut werden“, so Voegelin.