Gladbeck. Vor dem Krieg mit Russland geflohene Kinder und Jugendliche werden an Schulen aufgenommen. Die Kapazitäten in Gladbeck werden knapper.

Die Rechtslage ist eindeutig, ukrainische Kriegsflüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis und sobald sie eine festen Wohnsitz haben, entsteht für betroffene Kinder und Jugendliche dort die Schulpflicht. Eine weitere Belastung für die Schulen in Gladbeck und die Stadt als Schulträger, da die Zahl dieser Schutzsuchenden vorab kaum planbar oder steuerbar ist. Städte mit schon angespanntem Schulsystem, in denen viele Familien aus der Ukraine ankommen, haben Hilferufe ans Land gerichtet. In Duisburg konnten aktuell zum Beispiel rund 700 Kinder und Jugendliche nicht an Schulen untergebracht werden, da alle Plätze vergeben sind. In Gladbeck werden die Kapazitäten auch knapper.

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Bei der Stadtverwaltung sind derzeit 132 schulpflichtige Kinder registriert, von denen 99 von Schulen zurückgemeldet wurden, 43 besuchen eine Grundschule und 56 eine weiterführende Schule. 33 sind noch ohne Beschulungsnachweis. Hinzu kommen ältere Jugendliche ab 16 Jahren, die grundsätzlich über das Berufskolleg aufgenommen werden. Vorteil an den Schulen ist, dass seit 2015/16 aufgrund der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak, Syrien oder Afghanistan und der EU-Binnenzuwanderung bereits Strukturen und Erfahrungen zur Integration und Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache bestehen. „In unsere bestehenden vier Internationalen Förderklassen, je 20 Schüler, werden auch die Ukraineflüchtlinge integriert“, so Direktor Holger Pleines vom Berufskolleg Gladbeck. Zurzeit seien es 27, weitere fünf seien angekündigt. Ob eine fünfte IFÖ-Klasse eingerichtet werden könne, müsse geprüft werden, „denn Deutschlehrer sind knapp“, so der Schulleiter.

Unbesetzte Lehrerstellen belasten die Situation an den Schulen zusätzlich

An der Erich-Fried-Schule wurde eine der ersten Auffangklassen für Flüchtlingskinder an einer weiterführenden Schule bereits 2014  eingerichtet (Archivbild).
An der Erich-Fried-Schule wurde eine der ersten Auffangklassen für Flüchtlingskinder an einer weiterführenden Schule bereits 2014 eingerichtet (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die teils mangelhafte Lehrerversorgung belastet die Integration an den Schulen zusätzlich. An der Lambertischule in der Stadtmitte sind zum Beispiel drei Stellen unbesetzt. Neun Flüchtlingskinder werden derzeit an der Grundschule unterrichtet. Die noch vorhandene Aufnahmekapazität sei „je nach Jahrgang, den möglichen und bestehenden Klassengrößen unterschiedlich“, so Rektorin Cäcilia Nagel. Im ersten und zweiten Schuljahr seien die Plätze im Grunde belegt, im dritten und vierten noch Kapazitäten vorhanden.

Bislang gelinge es aber noch, „alle aus der Ukraine geflüchteten Kinder und Jugendliche im Gladbecker Schulsystem unterzubringen“, sagt Schuldezernent Rainer Weichelt. Dass das aber nicht immer die Wunschschule ist und es mit der Einschulung länger dauern kann als erhofft, das erfahren derzeit ukrainische Familien. „Die grundsätzlich ein großes Interesse an guter Schulbildung ihrer Kinder haben“, unterstreicht der Schuldezernent. Wie zum Beispiel Anetta und Roman J., die im Juli mit ihren drei Kindern aus Kiew nach Gladbeck geflohen sind. Für ihre beiden schulpflichtigen Töchter, bislang in der Ukraine gute Schülerinnen, hofft das Paar „auf den Besuch eines Gymnasiums“.

Die geflüchtete Familie hat eine Wunschschule im Blick

Dass Wunsch und Wirklichkeit leider nicht immer vereinbar sind, musste die Familie jetzt bei ihren Bemühungen erfahren, einen Schulplatz für die (noch) neunjährige Milana und elfjährige Lada zu finden, die eine fünfte und sechste Klasse zum Schulstart besuchen sollten. Denn die Lehrkräfte, die für das Kommunale Integrationszentrum tätig sind und bei der Schulsuche unterstützen waren in den Ferien nicht im Dienst. Die Eltern begaben sich so selbst auf die Suche. „Eine Wunschschule in der Nähe unserer Wohnung haben wir auch schon im Blick“, erzählt Vater Roman, der daheim als Dolmetscher tätig war und gut Deutsch spricht: das Riesener-Gymnasium, das bereits Nachbarskinder aus Kiew besuchen, die einige Monate vor den J.’s nach Gladbeck geflohen sind. Das Riesener sei zudem Favorit, „weil wir gehört haben, dass hier die musische Ausbildung im Schwerpunkt gefördert wird“. Die Mädchen musizieren gerne, spielen beide ein Instrument.

Zwei Anlaufstellen für Ukrainer auf Schulsuche

Die Stadt Gladbeck informiert auf ihrer Homepage, dass zum Schulbesuch das Kommunale Integrationszentrum mit Anlaufstellen an der Wittringer Schule, Bottroper Straße 55, zu Kindern im Grundschulalter zwischen sechs und zehn Jahren Auskunft (Herr Guerdelli , donnerstags von 9 bis 13 Uhr) gibt.

Für Kinder und Jugendliche (ab zehn Jahren), die eine weiterführende Schule besuchen möchten, ist die Anlaufstelle im Gebäude der Erich-Fried-Schule, Kortenkamp 19 - 21. Ansprechpartnerin ist Frau Gutowski, 96 21 13 oder per E-Mail an Frau.Gutowski@e-fried.de.

Auf die schriftliche Anfrage am Riesener erfolgte aber leider eine Absage. „Im fünften und sechsten Schuljahr sind die Klassen mit mehr als 30 Kindern bereits voll“, bedauert Direktorin Verena Wintjes. In der 7., 8. und 9. Jahrgangsstufe wäre die Unterbringung an der Schützenstraße derzeit kein Problem. Je nach Sprach- und Leistungsstand würden maximal 25 Kinder jahrgangsübergreifend in einer DaZ-Gruppe (Deutsch als Zweitsprache) gefördert, berichtet die Schulleiterin. Differenziert an zehn bis zwölf Stunden pro Woche, um mit der Sprache voranzukommen. Die restliche Schulzeit seien die Kinder altersgemäß einer regulären Klasse zugeordnet. Die zuerst von den Flüchtlingskindern besuchte weiterführende Schule sei aber noch keine Festlegung für die weitere Schullaufbahn, erklärt Wintjes. „Da generell erst nach der zweijährigen Einführungsphase die Schulkonferenz festlegt, für welche Schulform das Flüchtlingskind geeignet ist.“

Bislang nur Absagen von den kontaktierten Schulen erhalten

Der Hinweis, dass eventuell das Ratsgymnasium noch wohnortnah die Mädchen aufnehmen könne, ist leider auch nicht von Erfolg gekrönt. Roman J. erhält hier ebenso eine Absage wie auch am Heisenberg-Gymnasium, an der Anne-Frank- und an der Werner-von-Siemens-Realschule. Eine Anfrage der WAZ an der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule gibt aber Grund zur Hoffnung. Direktorin Alrun ten Have berichtet, dass derzeit sieben Kinder aus der Ukraine an der Schule unterrichtet werden. Und sei es in den höheren Jahrgängen knapp, so könnten „im fünften und sechsten Jahrgang noch gut Kinder aufgenommen werden“. Zum Beispiel Milana und Lada, die so zwar nicht ganz wohnortnah, aber in Rentfort-Nord Aussicht auf eine gymnasiale Schullaufbahn hätten.

Das Schulministerium des Landes hat bereits im März eine Info-Mail zum Schulbesuch geflüchteter Kinder und Jugendlicher aus der Ukraine an alle involvierten Institutionen verschickt. Ziel ist demnach zunächst, durch intensive Vermittlung der deutschen Sprache und den Kontakt zu Gleichaltrigen die Integration zu fördern und Grundvoraussetzungen für die spätere Teilnahme an allen Fächern des Regelunterrichts zu schaffen. Außerdem sollen die Geflüchteten auch schulpsychologische Unterstützung erhalten. Die Schulen seien ein wichtiger sicherer Ankerpunkt für das Lernen und das psychische und soziale Wohlbefinden von geflüchteten Kindern, die Angehörige und ihre Heimat verlassen mussten, so das Ministerium. Er wisse, dass hier mit viel Engagement an den Gladbecker Schulen wichtige Arbeit geleistet werde, lobt Schuldezernent Weichelt. Die Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz geht davon aus, dass 25 bis 35 Prozent der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine unter schweren psychischen Belastungen leiden.