Gladbeck. Professoren der Westfälischen Hochschule erarbeiten Papier zur Energiekrise: Preise werden explodieren, arme Menschen sie nicht zahlen können.
Die sich verschärfende Klimakrise ist ein zentrales Thema der Gegenwart und Zukunft. Sieben Professoren des Westfälischen Energieinstituts (WEI) an der Westfälischen Hochschule (WH) haben jetzt ein Positionspapier zur Energie- und Klimawende vorgestellt. Ein Ergebnis: Die Energiewende wird sehr teuer, „aber sie ist in Deutschland möglich – allerdings nur mit ganz ganz großen Anstrengungen“, wie Professor Heinz-Josef Bontrup bilanziert. Der Mit-Autor des Papiers hält unter anderem „massive Umverteilungen bei Einkommen und Vermögen“ für notwendig. Das Positionspapier „Energie- und Klimawende zwischen Anspruch, Wunschdenken und Wirklichkeit“ des Energieinstituts der Westfälischen Hochschule ist jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Die Westfälische Hochschule hat unter anderem einen Campus in Recklinghausen und in Gelsenkirchen-Buer. Auch Gladbeckerinnen und Gladbecker studieren dort. Das Professorenteam der Hochschule legt in der mehr als 100 Seiten umfassenden Forschungsarbeit dar, welche technischen, wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Maßnahmen für eine gelingende Energiewende notwendig sind.
Klimakrise durch eine verstärkte internationale Kooperation lösen
Hier einige der zentralen Ergebnisse des Positionspapiers mit dem Titel „Energie- und Klimawende zwischen Anspruch, Wunschdenken und Wirklichkeit“: Die Klimakrise kann nur durch eine verstärkte internationale Kooperation gelöst werden. Mit einem Anteil von rund zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen kann Deutschland dazu nur einen marginalen Beitrag leisten. „Deutschland rettet das Weltklima nicht. Wenn andere nicht mitziehen, geht es nicht. Aber wir müssen als eines der reichsten Länder der Erde eine Vorreiterrolle übernehmen“, stellt Heinz-Josef Bontrup fest.
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Das Gremium stuft die jetzt von der Ampel-Regierung neu ausgegebenen Ziele als hoch anspruchsvoll ein. Vor allem die Versorgungssicherheit mit Elektrizität beim notwendigen weiteren Ausbau mit erneuerbaren Energien (EE) sei eine Herausforderung. Der Ausbau mit erneuerbarer Energie müsse auf jeden Fall von Brückentechnologien begleitet werden. Dazu zählen Erdgaskraftwerke im H2-ready-Format und/oder Biogasanlagen.
Schwellen- und Entwicklungsländer mehr unterstützen
Zudem müsse der Blick auf die Unterstützung von Schwellen- und Entwicklungsländern gerichtet werden. Da viele dieser Länder im Sonnengürtel der Erde liegen und enorme Windenergiepotenziale haben, biete sich hier eine neue internationale Arbeitsteilung an, bei der dort grüner Wasserstoff erzeugt und nach Europa exportiert wird. Dazu müssten aber die reichen Industrieländer entsprechende technische und finanzielle Unterstützungen bereitstellen.
„Wir werden Wasserstoff im Ausland erzeugen und vor allem speichern müssen, weil uns dafür die Kapazitäten fehlen. Eine Möglichkeit ist hier, zum Beispiel aus Afrika über eine Pipeline plus Tanker Wasserstoff nach Deutschland zu transportieren. Das wird natürlich furchtbar teuer“, erläutert Prof. Markus Löffler. Heinz-Josef Bontrup hält zur Finanzierung der Energiewende wirtschaftliche Umschichtungen mit deutlichen Einschränkungen des Exports für notwendig.
Energiepreise werden sich drastisch verteuern
Von einer drastischen Verteuerung gehen die Autoren bei den Energiepreisen aus. „Wir leben bereits heute in einer völlig zerrissenen Gesellschaft – mit einer Armutsquote von 16 Prozent und acht Millionen prekär Beschäftigten. Das untere Drittel der Bevölkerung wird die Preiserhöhungen nicht bezahlen können“, sagt Heinz-Josef Bontrup, der eine massive Umverteilung zugunsten der Einkommensschwachen fordert.
Die Instituts-Professoren der Westfälischen Hochschule kommen zu dem Entschluss, dass die Energiewende ohne Lenkung und Regulierung durch den Staat und bedingte Interventionen nicht realisierbar ist. In dem Papier ist die Rede von wesentlich höherer Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen. Ebenfalls sei eine Verschuldung des Staats unumgänglich – orientiert an Zukunftsinvestitionen. „Die Schuldenbremse muss weg“, steht für Heinz-Josef Bontrup fest. Und der Wirtschaftswissenschaftler ergänzt: „Bei der Energie- und Klimawende kommen Riesenherausforderungen auf uns zu. Aber sie ist notwendig – ein ,weiter so wie bisher‘ funktioniert nicht.“