Gladbeck. Die Polizei erkennt bei Ladendiebstählen in Gladbeck eine deutliche Tendenz nach oben. Diese Entwicklung kann mehrere Ursachen haben.

Ein prüfender Blick nach rechts und links, ein flinker Griff ins Regal – und schwuppdiwupp landet die Ware in der Jackentasche oder unter einem Kleidungsstück. Ohne bezahlt zu sein, verlässt die Beute den Laden. Andreas Lesch, Pressesprecher im Polizeipräsidium Recklinghausen, stellt für Gladbeck fest: „Wir verzeichnen aktuell einen Anstieg der Fälle, die Tendenz geht deutlich nach oben.“ Hinter den nackten Zahlen können mehrere Ursachen stecken.

Auch interessant

Der Polizeisprecher betrachtet als Vergleichszeiträume die Spanne Januar bis Februar 2021 beziehungsweise 2022. Und berücksichtigt die sehr unterschiedlichen Grundsituationen von damals und heute. Lesch erinnert daran: „Im Jahr 2021 befanden wir uns im Lockdown.“ Bei geschlossenen Geschäften bieten sich wenige Gelegenheiten für potenzielle Langfinger. Dieser Umstand könnte ein Grund für den Aufwärtstrend bei den Fallzahlen sein.

Matthias Alt, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Gladbeck: „In meinem Geschäft stöbert die Kundschaft nicht allein.“
Matthias Alt, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Gladbeck: „In meinem Geschäft stöbert die Kundschaft nicht allein.“ © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Eine andere Möglichkeit: „Es kann auch daran liegen, dass mehr kontrolliert wird.“ Denn wenn mehr Ladendetektive erfolgreich seien, schlage sich das eben in der Statistik nieder. Der entstandene wirtschaftliche Schaden lasse sich kaum beziffern. Ein Flakon eines teuren Parfüms oder ein billiges Shirt – die Spanne der Beuteobjekte ist groß.

Auch interessant

Häufig fielen Ladendiebstähle erst Ende des Jahres bei der Inventur auf. Dieser Aussage stimmt Matthias Alt zu. Der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Gladbeck hat sich bei den Geschäftsleuten im Einzelhandel umgehört und zieht aus den Gesprächen den Schluss: „Die Situation ist nicht auffallender als in den Vorjahren. In Geschäften gestohlen wird immer.“ Es mag allerdings sehr branchenspezifische Unterschiede geben. Der Optiker und Hörgeräte-Akustiker Alt berichtet: „Bei mir besteht der Vorteil der Personaldichte im Verhältnis zur Ladenfläche. Die Kundschaft stöbert hier nicht allein.“

Die Gladbecker Geschäftsleute ergreifen vielerlei Vorkehrung zur Sicherung der Ware

Außerdem habe er seine Laden-Einrichtung umgebaut, so dass ein unbemerkter Griff in die Auslage verhindert werde. „Früher haben wir die Lücke im Regal nicht sofort bemerkt, erst bei der Inventur“, sagt Alt. Er widerspricht Leschs Aussage über die steigende Tendenz bei Ladendiebstählen: „Sonst wurden mir 20 Sonnenbrillen im Jahr geklaut, jetzt ist es eine.“ Vielleicht würden insgesamt einfach mehr Fälle angezeigt.

Lesen Sie auch:

Bei Textilern sehe das Bild anders aus: „Da ist dann auf einmal ein leerer Bügel, ein fehlender Karton, eine Lücke im Regal“ – was nicht sofort ins Auge falle. Jens Große-Kreul, stellvertretender Vorsitzender der Werbegemeinschaft Gladbeck und Schuhhändler: „Ich stelle erst am Ende des Jahres den Fehlbestand fest.“

Die Geschäftsleute unternehmen so einiges, um Langfingern das Handwerk zu legen. Alt denkt, „dass jeder in dieser Richtung etwas getan hat“. Der textile Einzelhandel setze beispielsweise Magnetchips ein, Überwachungskameras haben das Geschehen zwischen Regalen und Verkaufstischen im Blick, „größere Häuser setzen Ladendetektive ein“, Zigaretten sind hinter Rolltoren gesichert. Der Vorsitzende der Werbegemeinschaft: „Es existieren spezielle Warensicherungssysteme.“ Jeder ergreife die Maßnahme, die im Verhältnis zu seinem Sortiment stehe. Alt führt beispielhaft an: „Bei meinem Bruder, der Juwelier ist, ist jede Ware verschlossen.“ In anderen Geschäften seien teure Artikel, wie Rasierklingen, ebenfalls hinter Schloss und Riegel und würden erst an der Kasse ausgehändigt – gegen Bezahlung, versteht sich.

Damian Gerlic, Inhaber des Edeka-Supermarktes in Zweckel, hat diverse Maßnahmen gegen Ladendiebstahl ergriffen.
Damian Gerlic, Inhaber des Edeka-Supermarktes in Zweckel, hat diverse Maßnahmen gegen Ladendiebstahl ergriffen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

So handhabt es auch Damian Gerlic, seit Anfang 2021 Inhaber des Edeka-Marktes in Zweckel. „Teure Spirituosen, zum Beispiel Whiskey und Champagner, sind bei uns abgeschlossen und nur übers Personal direkt an der Kasse zu bekommen.“ Zudem „haben wir am Eingang eine Schranke“: Es falle also auf, wenn jemand durch die Obstabteilung den Supermarkt verlassen wolle. Nicht zu vergessen die Kameraüberwachung.

Aber ob sie filmt, wenn jemand klammheimlich in Zeiten teurer Lebensmittel ein Päckchen Margarine oder Kaffee im Beutel verschwinden lässt? Gerlic sagt: „Laut Statistikern werden zurzeit mehr Butter, Käse und Aufschnitt eingesteckt.“ Das könne er so nach einem halben Jahr nicht bestätigen. Er wisse aber auch: „Es gibt Banden, die unterwegs sind und versuchen, gestohlene Artikel wie Spirituosen an Kiosken zu günstigen Preisen abzugeben.“ Zweimal im Jahr steht bei Gerlic eine Inventur an: „Toitoitoi hat bisher alles gepasst.“ Ein bisschen Schwund werde eingerechnet: „Als Kaufleute wissen wir um das Problem.“

Fälle in Zahlen

Die aktuelle Kriminalitätsstatistik weist für Gladbeck 205 Ladendiebstähle im Jahr 2021 aus. Das ist ein Rückgang um 3,76 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (213 Taten). Die Daten 2022 werden erst im kommenden Jahr veröffentlicht.

Im statistischen Zahlenwerk der Polizei lassen sich große Schwankungen feststellen. So wurden im Jahr 2016 in Gladbeck 385 Ladendiebstähle aufgenommen – Spitzenwert. Den niedrigsten Stand seit 2012 registrierte die Polizei im Jahr 2018: 151.

Andreas Lesch, Sprecher im Polizeipräsidium Recklinghausen, sagt: „Wir arbeiten in diesem Bereich mit einem starken Hell-/Dunkelfeld.“ Soll heißen: Viele Taten bleiben im Verborgenen.

Wird jemand auf frischer Tat ertappt, steht der Aufklärung nichts im Wege. Im Jahr 2021 betrug die Aufklärungsquote 88,78 Prozent. Weniger als im Vorjahr. Seinerzeit standen 90,61 Prozent in der Statistik.

Manchmal passiere es, dass eine Tat beobachtet werde. „Wir nehmen dann die Personalien auf und erteilen Hausverbot“, beschreibt der Geschäftsinhaber das Prozedere, „wenn sich jemand weigert, ziehen wir die Polizei hinzu.“ Und wie schaut es mit einer Anzeige aus? Da ist Gerlic kritisch: gerade bei geringen Summen viel Aufwand, und „meistens wird die Angelegenheit fallen gelassen“. Auch wenn die Polizei immer wieder dazu aufrufe, Ladendiebstähle zur Anzeige zu bringen.

+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++

Ebenfalls gilt die klare Ansage der Fachleute: Wer einen Täter entdeckt, sollte sich nicht in Gefahr begeben. Diesen dringenden Appell beherzigt beispielsweise das Team von Matthias Alt. Das Personal soll nicht auf Biegen und Brechen den Dieb festhalten – „man weiß ja nicht, ob er vielleicht ein Messer zückt!“ Leben und Gesundheit gehen vor Ware.

Auch interessant

Der Polizeisprecher erläutert: „Das Jedermannsrecht berechtigt dazu, einen Täter festzuhalten. Aber die Abwägung des Risikos ist eine Gratwanderung.“ Genaue Beobachtungen können hingegen ein probates Werkzeug sein, um Diebe dingfest zu machen. Lesch: „Durch eine Öffentlichkeitsfahndung mit Foto lassen sich lokale Täter gut fassen.“

Weitere Berichte und Meldungen aus Gladbeck lesen Sie hier.