Gladbeck. Erstmals – mit Ausnahme der Corona-Ausfälle – gibt es in Gladbeck keine Kundgebung zum 1. Mai. „Mir blutet das Herz“, so ein Gewerkschafter.

In den vergangenen zwei Jahren fiel die Kundgebung zum 1. Mai in Gladbeck coronabedingt aus – wie so ziemlich alle Veranstaltungen. In diesem Jahr aber wäre eine Aktion zum Tag der Arbeit wieder möglich gewesen. Und dennoch wird es am kommenden Sonntag in Gladbeck keine Mai-Kundgebung geben. Damit endet eine Tradition in der Arbeiterstadt Gladbeck. Darüber – und über die Gründe für das Aus – ist die Enttäuschung bei vielen Gewerkschaftern groß.

„Mir blutet das Herz“, sagt Hans Karwig, ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Gladbeck, der die Veranstaltung in der Vergangenheit traditionell organisiert hat. Das Problem: „Wir sind dabei auf aktive Ortsverbände angewiesen, und in Gladbeck gibt es keinen funktionierenden Ortsverbandsvorstand“, so DGB-Regionsgeschäftsführer Mark Rosendahl.

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Zuletzt hatte der DGB von Recklinghausen aus die Kundgebung in Gladbeck organisiert

Das sei zwar schon seit einiger Zeit so, zuletzt habe aber der DGB Emscher-Lippe von Recklinghausen aus die Kundgebungen in Gladbeck organisiert. „Vor drei Jahren haben wir das gerade noch so hinbekommen, jetzt aber nicht mehr“, sagt Rosendahl. Er hoffe, dass es möglich ist, in Gladbeck wieder eine aktive Gruppe etablieren zu können. Zudem hoffe er, dass am Sonntag auch einige Gladbeckerinnen und Gladbecker auf die Kundgebungen in den umliegenden Städten (siehe Info-Box) ausweichen werden. „Aber wir werden nicht alle umlenken können.“

Kundgebungen und Demos in den Nachbarstädten

In der Emscher-Lippe-Region gibt es mehrere Veranstaltungen zum 1. Mai. In Gladbecks Nachbarstädten Bottrop und Gelsenkirchen sind beispielsweise Kundgebungen und Demonstrationszüge geplant.

In Bottrop startet die Demo am Sonntag um 10.45 Uhr auf dem Berliner Platz. Die Kundgebung beginnt um 11 Uhr an der Gladbecker Straße. Als Hauptrednerin kommt Birgit Biermann, Mitglied im geschäftsführenden Hauptvorstand der IGBCE.

In Gelsenkirchen startet die Demo um 10.15 Uhr auf dem Margarethe-Zingler-Platz, um 11 Uhr beginnt die Kundgebung am Neumarkt. Hauptredner ist Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Karwig, der einst auch Sprecher aller Betriebsratsvorsitzenden in Gladbeck war, macht die Entwicklung „sehr traurig“. Gerade in diesen Zeiten seien Gewerkschaften wichtiger denn je. Etwa beim Thema Homeoffice. „Es wäre wichtig, dass es auch weiterhin noch die Möglichkeit dazu gibt.“ Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutete es einen Vorteil, von zu Hause aus arbeiten zu können. „Und auch beim Thema 1. Mai hätte man Druck machen können, dass der Feiertag, der in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt, nachgeholt wird.“ Doch immer weniger Menschen engagierten sich in der Gewerkschaft, „die Alten sterben aus, Jüngere kommen nicht nach“.

Walter Hüßhoff, ehemaliger Bergmann, war lange Jahre als Gewerkschafter aktiv.
Walter Hüßhoff, ehemaliger Bergmann, war lange Jahre als Gewerkschafter aktiv. © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Schon zuletzt war der Zulauf bei den Mai-Kundgebungen in Gladbeck gering

Einige Gewerkschafter erinnern sich noch gerne an Zeiten, als die Stadthalle zum 1. Mai „proppevoll“ war. Doch zuletzt war der Zulauf deutlich geringer. Das schmerzt auch Walter Hüßhoff, ehemaliger Bergmann, und Gewerkschafter mit Leib und Seele. „Dass es in diesem Jahr keine Kundgebung mehr gibt, macht mich unendlich traurig.“ Der letzte DGB-Vorsitzende habe die Menschen „nicht bei der Fahne halten können“, über die vergangenen zwei Corona-Jahre sei nun letztlich alles eingeschlafen. „Uns fehlt die Solidarität in der Arbeitnehmer-Bewegung“, ist Hüßhoff überzeugt.

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Der 1. Mai gilt traditionell als sozialdemokratischer Feiertag. Auch wenn die Partei wenig Einfluss auf die Entscheidung gehabt habe: „Wir bedauern es, dass es in diesem Jahr in Gladbeck keine Kundgebung geben wird“, sagt SPD-Vorsitzender Dustin Tix. Um immerhin eine Tradition aufrechtzuerhalten, nämlich die der Erbsensuppe, die immer bei der Kundgebung in der Stadthalle gereicht wurde, biete die SPD nun am 1. Mai einen Erbensuppen-Lieferservice an. „Eine Kundgebung mit Forderungen nach besserer Arbeit und höheren Löhnen hätte natürlich eine andere Qualität“, so Tix.