Gladbeck. Ärzte in Gladbeck halten Deckelung des Corona-Impfstoffes Biontech für nicht nachvollziehbar. Das Präparat wird bei Sonderaktion gespritzt.
Der Andrang bei Sonderimpfaktionen in Gladbeck zeigt: Der Wunsch, sich gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen, ist bei vielen Menschen groß. Da ist die Ankündigung des geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Verfügbarkeit des Biontech-Wirkstoffes zu drosseln, nach Ansicht von Dr. Gregor Nagel „nicht nachvollziehbar“. Der Sprecher des Ärztenetzes Gladbeck gehört zu den Initiatoren der Impfaktion am 27. November auf dem Medizincampus an der Horster Straße.
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„Die Kollegen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen“, sagt Nagel, der im Ärztezentrum Butendorf praktiziert. Aufgrund der Spahn’schen Aussage entstehe in den Praxen zusätzlicher Erklärungsbedarf und Verunsicherung bei den Impfwilligen. „Das wird an manchen Stellen zu Verärgerung führen“, ahnt Nagel.
Minister Spahn will Biontech-Lieferungen drosseln, um mehr Moderna zum Einsatz zu bringen
Spahn hatte für die kommenden Wochen bekannt gegeben, die Bestellmengen für den Biontech-Impfstoff zu begrenzen. Statt dessen solle mehr das Präparat von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen in die Spritzen kommen. Der Minister begründete diesen Schritt damit, dass andernfalls ab Mitte des ersten Quartals 2022 eingelagerte Moderna-Dosen zu verfallen drohten.
„Das ist ganz schlecht kommuniziert worden“, kritisiert Dr. Gregor Nagel. Der Eindruck, ein Produkt „von der Resterampe“ gespritzt zu bekommen, könnte auf Ablehnung in der Bevölkerung stoßen. Dabei seien beide Impfstoffe, also Biontech und Moderna, gleichwertig, betont der Mediziner. Aber er weiß: „Den Menschen ist es nicht egal, was sie bekommen. Jetzt haben wir einige mühsam überzeugt, sich überhaupt impfen zu lassen, und nun sollen sie einen anderen Impfstoff erhalten.“ Er bittet eindringlich darum, „dass Patienten auch Moderna Vertrauen schenken“. Denn: „Wir sind froh, wenn sich Menschen impfen lassen.“ Die Biontech-Lieferung sei derzeit gedeckelt auf 30 Dosen – pro Arzt und Ärztin. Die aktuelle Liefer-Situation bedeute: „Wir müssen den Bedarf abschätzen und Moderna extra bestellen. Lehnen die Menschen diesen Impfstoff ab, bleiben wir darauf sitzen.“
Das Ärztezentrum Butendorf habe für diese Woche 1500 Dosen Biontech geordert, inklusive der etwa 500 Dosen, die am 27. November zwischen 9 und 13 Uhr injiziert werden sollen. Eine Online-Anmeldung ist notwendig, und Nagel stellt fest: „Wir haben nahezu alle Plätze vergeben, es sind nur noch wenige frei.“
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An dieser Sonderimpfaktion in beiden Ärztehäusern auf dem Medizincampus beteiligt sich das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin. Für Menschen unter 30 Jahren ist nur der Wirkstoff aus dem Hause Biontech zugelassen. Doch Kinderarzt Carsten Rothert beobachtet die Diskussion um Moderna ebenfalls. Er meint: „Die beiden Impfstoffe sind im Prinzip gleichwertig, wie Zwillinge. Aber unser Gesundheitsminister hat es mit Bravour geschafft, Moderna zur Resterampe zu erklären.“ Erst solle so viel wie möglich geimpft werden, aber dann werde durch Spahns Ankündigung dieses Bemühen konterkariert.
Anmeldung ist erforderlich
Bei der Aktion am 27. November auf dem Medizincampus wird ausschließlich Biontech als Erst-, Folge- oder Boosterimpfung verabreicht. Zu beachten ist, dass zwischen Zweitimpfung und Auffrischung ein zeitlicher Abstand von sechs Monaten einzuhalten ist.
Mädchen und Jungen ab zwölf Jahren sowie deren direkte Angehörige werden im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin geimpft. Dies ist ohne Terminvereinbarung möglich.
Für eine Impfung im Hausarztzentrum ist eine Anmeldung notwendig über „www.hausarztzentrum.de“. Zum Termin mitzubringen sind der Impfausweis und, falls möglich, ein ausgefüllter Aufklärungs- und Einwilligungsbogen. Beide Dokumente stehen unter https://www.corona-kvwl.de/praxisimpfung zum Herunterladen zur Verfügung.
Naturgemäß komme im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Biontech zum Einsatz, 120 Dosen seien für den Sondertermin bestellt. Rothert berichtet: „Manche Eltern stürmen schon die Praxis und fragen nach, wann wir mit Biontech für Fünf- bis Elfjährige impfen.“ Dabei handele es sich um ein Drittel der Erwachsenen-Dosis. Der Arzt geht davon aus, dass es wahrscheinlich noch bis Februar/März dauern werde, bis diese Altersgruppe sich ihren Piks holen kann. Erst müsse die Zulassung der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) erfolgen, dann „warten wir auf die Empfehlung der ständigen Impfkommission“. Die Daten aus Israel, den USA und Kanada, in denen Kinder bereits immunisiert werden, müssten ausgewertet werden. Rothert unterstreicht: „Als Arzt ist mir wichtig, dass nicht ein Politiker, sondern die unabhängige Impfkommission Entscheidungen trifft.“