Gladbeck. Zwangsstörungen, Ticks, soziale Ängste: Die Schulpsychologische Beratungsstelle sieht erste Corona-Effekte auch bei Kindern in Gladbeck.

Immer mehr Eltern, Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler suchen Hilfe – bei der Schulpsychologischen Beratungsstelle des Kreises Recklinghausen ist die Zahl der gemeldeten Krisen-Situationen in Zeiten von Corona und in Folge von Lockdowns gestiegen. „Ich bin überzeugt, dass da noch mehr schlummert“, sagt Eva Latta-Weber, Leiterin der Schulpsychologischen Beratungsstelle.

So werden nun unter anderem soziale Ängste bei Kindern und Jugendlichen verstärkt festgestellt. „Es sind Zwangsstörungen und Ticks, die jetzt zutage treten.“ Auch wenn die Zeiten von Homeschooling vorbei sind, die Auswirkungen, davon ist Latta-Weber überzeugt, werden wir noch lange zu spüren bekommen. „Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon. Und einiges werden wir erst in einigen Jahren sehen.“ Der Bewegungsmangel etwa durch ausbleibenden Sportunterricht habe zu mehr übergewichtigen Jungen und Mädchen geführt. „In den kommenden Wochen und Monaten wird da noch viel mehr auch auf uns zukommen“, vermutet die Diplom-Psychologin.

Standort im Bürgerhaus Ost

Die Schulpsychologische Beratungsstelle des Kreises Recklinghausen gibt es seit 1989, sie ist für 145 Schulen aller Schulformen zuständig und hat drei Standorte – in Recklinghausen, Gladbeck und Castrop-Rauxel.

Die Beratungsstelle in Gladbeck ist im Bürgerhaus Ost an der Bülserstraße 172. Sie ist erreichbar unter 02043-23193 oder per E-Mail: schulberatung@kreis-re.de. Die Schulpsychologische Telefonsprechstunde findet montags von 14 bis 16 Uhr statt.

„Viele Kinder und Jugendliche haben die Struktur verloren“

Zwar sei die Zahl der Beratungsanfragen, etwa von Lehrer, zunächst um ein Drittel zurückgegangen, doch das liege wahrscheinlich daran, dass die Schüler aufgrund der Lockdowns nicht in der Schule waren, Probleme daher nicht erkannt wurden, so Eva Latta-Weber. „Vor den Sommerferien aber haben wir eine ganze Reihe von Anfragen bekommen. Das war mehr als sonst.“

Eva Latta-Weber leitet die Schulpsychologische Beratungsstelle des Kreises Recklinghausen, die auch einen Standort in Gladbeck hat.
Eva Latta-Weber leitet die Schulpsychologische Beratungsstelle des Kreises Recklinghausen, die auch einen Standort in Gladbeck hat. © WAZ FotoPool | Olaf Fuhrmann

Viele Lehrer mit Schwierigkeiten seien bei der Beratungsstelle aufgelaufen. Es ging auch oft um Frage, wie sie damit umgehen sollen, wenn ein Schüler während des Homeschooling etwa sein Endgerät nie einschaltet, am Unterricht so nicht mehr teilnimmt. „Es waren viele Kinder und Jugendliche, die die Struktur verloren haben.“ Latta-Weber sei daher froh, dass sich viele Schulen bei ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen melden, denn: „Da muss man früh und sehr individuell hinsehen.“

Die Leistungen besonders im Fach Mathe haben deutlich gelitten

Schule ist mehr als Wissensvermittlung. Gerade für Teenager ist sie ein wichtiger Sozialraum in einer Zeit, in der sie sich von der Kernfamilie lösen und Freunde immer wichtiger werden. Die aber waren plötzlich verschwunden“, weiß auch Dr. Richard Schröder, Leiter des Fachbereichs Gesundheit, Bildung und Erziehung in der Kreisverwaltung Recklinghausen. Viele seien zwar gut damit zurechtgekommen, andere jedoch nicht.

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Aufgefallen ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beratungsstelle auch, dass sich die Lesefertigkeit in den vergangenen Monaten zwar etwas verbessert habe, aber die Leistungen im Fach Mathe deutlich nachgelassen hätten. „Es wurde wohl mehr gelesen. Recht einfaches Rechnen aber können viele Eltern schon nicht mehr vermitteln“, weiß Latte-Weber. Auch sie selbst habe so eine Krisenzeit wie Corona noch nicht erlebt. „In Haltern am See gab es nach dem Absturz der Germanwings-Maschine auch sehr viel Arbeit für uns. Aber es war kürzer, nach einem halben Jahr war ein Ende abzusehen.“ Jetzt aber sei es anders, auch mit Blick auf den anstehenden Herbst. „Ich sehe noch immer nicht den Horizont.“