Gladbeck. Zwischen Gladbecker Landratten und den blauen Jungs von der Marine gibt es eine ganz besondere Beziehung. Und das schon seit fast 40 Jahren.

Dass die Stadt seit vielen Jahren eine ganze Reihe von Paten- und Partnerschafen hegt und pflegt, das weiß in Gladbeck doch jedes Kind. Die Wappen der Partnerstädte sind ja sogar mitten in der Innenstadt ins Pflaster eingelassen. Was vielleicht nicht jeder weiß: Zwei der Partner heißen L 762 und L 765 und sind gerade mal 42 x 8,80 x 3,10 Meter groß.

Und man könnte sie sogar komplett bis nach Gladbeck schaffen. Na ja, fast bis nach Gladbeck jedenfalls. „Wir haben das mal spaßeshalber durchgespielt”, sagt der städtische Pressesprecher Peter Breßer-Barnebeck. „Am Gelsenkirchener Stadthafen ist Endstation.” Stadthafen – da hat man schon fast des Rätsels Lösung. Bei L 762 und L 765, die weniger profan die Namen „Lachs” und „Schlei” tragen, handelt es sich um Landungsboote der deutschen Marine. Um die letzten beiden von ehemals 22 Booten, die zu Beginn der Patenschaft vor beinahe 40 Jahren noch in Borkum stationiert waren.

Dass die Beziehung der Gladbecker Landratten zur Marine zustande kam, ist der traditionsreichen Marinekameradschaft zu verdanken. Die hatte 1969 die ersten zarten Bande geknüpft, die dann am 14. August 1971 nach Besuchen und Gegenbesuchen zur Unterzeichnung der Patenschaftsurkunde im Gladbecker Rat führten.

Stand der europäische Gedanke Pate bei den Partnerschaften etwa mit dem englischen Enfield oder dem französischen Marcq en Baroeul, war der ideelle Hintergrund dieser Patenschaft ein eher nationaler: Als die Bundesrepublik noch jung war, sollten die Streitkräfte möglichst fest im demokratischen Gefüge verankert werden. „Bürger in Uniform” leisteten fortan Wehrdienst. Eine Vielzahl an Patenschaften von Städten über Teile von Heer, Luftwaffe, Marine war Ausdruck dieses neuen Bildes.

Einer, der sich gut daran erinnern kann, wie die Beziehung zwischen Gladbeck und den Landungsbooten wuchs und lebendig blieb, ist Peter Wirth,16 Jahre lang Vorsitzender der Marinekameradschaft und heutiger Ehrenvorsitzender. Er kann berichten über regen gegenseitigen Besuchsverkehr. „Drei, vier, fünf Mal jedes Jahr waren Gladbecker zu Besuch an der Nordsee”, sagt er, damals, als die Patenschaft noch die gesamte II. Division des 1. Landungsgeschwaders auf Borkum umfasste. Aber auch wenn sich da inzwischen viel verändert hat, wenn die Standorte von Borkum über Kiel, Olpenitz bis heute Eckernförde wechselten, wenn zwischenzeitlich der Partner schrumpfte bis auf die zwei Boote Lachs und Schlei, die heute zu den Spezialisierten Einsatzkäften der Marine gehören, die Beziehung ist nicht kaputt gegangen. Sie hat sogar ein zwischenzeitliches Einschlafen überstanden, das fast zwangsläufig mit den vielen Umorganisationen der Marine einherging.

Eine Brücke, die durchs Wasser fährt

„1992, im 100. Jahr der Marinekameradschaft, war die Patenschaft faktisch ausgelaufen”, berichtet Peter Wirth – aber dann auch von der Reaktivierung fünf Jahre später. Auch hier war die Marinekameradschaft nicht ganz unbeteiligt und sie ist auch heute ein Garant dafür, dass diese Patenschaft lebendig ist. Unterstützt von Politik und Verwaltung und nicht zuletzt auch durch Freundschaften, die gewachsen sind aus vielen Begegnungen, an die zu erinnern sich lohnt.

Törns auf Nord- und Ostsee sind darunter, gemeinsame Karnevalsfeiern, Teilnahmen an der Kieler Woche, bei der die Landungsboote den Kampfrichtern als Plattform dienen. „Mittendrin, zwischen den Großseglern dieser Welt, das ist schon ein tolles Erlebnis”, schwärmt Peter Wirth.

Im Gegenzug lernten die Mariner Gladbeck und das Revier kennen. Das Schiffshebewerk in Henrichenburg, die Schalke-Arena, die Zeche Zollverein, das CentrO und den Gasometer in Oberhausen. „Wenn wir zu Besuch sind, überlässt die Besatzung uns ihre Kojen in der Kaserne und schläft auf den Booten”, beschreibt Wirth den Umgang miteinander. „Bei uns werden sie in Familien untergebracht.”

Die Leute von den Landungsbooten, die aktuell unter dem Kommando der Hauptbootsleute Thomas Brüdgam und Jan Schmidt stehen, sind regelmäßige Gäste etwa beim Appeltatenfest. Was reinkommt beim Verkauf maritimer Utensilien, fließt in Gladbeck sozialen Zwecken zu. „Anfangs haben die Bootsbesatzungen Waisenkinder beschenkt. Heute werden caritative Einrichtungen unterstützt”, so Peter Wirth.

Der gibt der Zukunft der Patenschaft gute Chancen: „Die Boote werden sicher nicht in der näheren Zukunft außer Dienst gestellt.” Wer weiß, vielleicht kommen sie ja irgendwann Gladbeck mal wieder ein Stück näher, so wie bei einer PR-Tour auf dem Rhein, an die sich Peter Breßer-Barnebeck lebhaft erinnert: „Das war eine irre Atmosphäre. Wir sind von den anderen Booten auf dem Rhein völlig irritiert wahrgenommen worden.” Aber die Landungsboote seien auch faszinierend, meint er. „Wie eine Brücke, die durchs Wasser fährt. Da ist Platz ohne Ende. Und es gibt kaum etwas, das weniger kriegerisch aussieht als diese Boote.”