Gladbeck. Leserbriefe und Kommentare im Internet zum Artikel der WAZ. Viel Kritik, aber auch Verständnis für den Sohn des ehemaligen Bürgermeisters.

Der Bericht der WAZ über den illegale Anbau, den der Sohn des ehemaligen Bürgermeisters an seinem Wohnhaus errichte hat, schlägt große Wellen in der Bürgerschaft. Der Artikel wird in Sozialen Netzwerken stark diskutiert, mit deutlicher Kritik, aber auch Verständnis für den Bauherren. Zudem erreichten Leserbriefe die Redaktion mit eindeutigen Stellungnahmen.

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„Offenbar ist Bauherr Roland nicht in der Lage, wenigstens nachträglich Nachweise für die Einhaltung des geltenden Bauordnungsrechts, etwa für die im Rahmen des Erlaubnisverfahrens beizubringenden Pläne eines vorlageberechtigten Architekten samt den Berechnungen eines Statikers zu liefern“, schreibt Matthias Raith (Bürgerforum-Gladbeck e.V.). „Die von ihm eilfertig veranstaltete Unterschriftenaktion ist eine schräge Verzweiflungstat. Sie soll zu Lasten vieler Nachbarn vom Kern des eigenen Fehlverhaltens ablenken. (...) Gleichbehandlung im Unrecht nach dem Muster - ich habe zwar im Supermarkt geklaut, möchte aber nicht bestraft werden, weil das alle machen - gibt es bei uns nicht. Von besonderer Pikanterie ist, dass Vater Roland noch zu Amtszeiten als Gladbecker Bürgermeister nicht nur informiert war, sondern, wie man aus dem Rathaus hört, offenbar aktiv versucht hat, den Bau seines Sohnes an den Vorschriften vorbei legalisieren zu lassen. (...) Das ist mehr als ein „Geschmäckle“. (...) Das alles zu beurteilen wird nicht mehr Aufgabe der Gladbecker Stadtverwaltung und Kommunalpolitik sein. Es ist Sache der zuständigen Landesbehörden.“

Rechtsanwalt spricht von einem „unglaublichen Vorgang“

In vielen schönen Gladbecker Gärten gibt es Lauben und Schuppen, die rechtmäßig genutzt werden.
In vielen schönen Gladbecker Gärten gibt es Lauben und Schuppen, die rechtmäßig genutzt werden. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Der Gladbecker Rechtsanwalt Martin Löbbecke ist ebenfalls empört: „Das ist ein unglaublicher Vorgang! Ich bin überzeugt , dass die Familie Roland sehr viel gutes für unsere Stadt getan hat und dabei immer nach bestem Wissen und Gewissen handelte. Aber: Ein Bürgermeister hat Bauplanungsrecht und sonstiges Ortsrecht zu setzen und durchzusetzen. Dann kann er doch nicht ernsthaft privat meinen, das Ortsrecht gelte für ihn und seine Familie nicht. Wer soll denn das Ortsrecht noch befolgen, wenn es nicht mal deren Schöpfer und Hüter mehr beachten? Das hat nichts damit zu tun, dass man selbstverständlich die übrigen Siedler dort mit ihren kleinen Anbauten in Ruhe lassen sollte. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ein Privateigentümer ein bisschen anbaut und auf Nachsicht der Verwaltung hofft, oder ob die Familie eines Stadtoberhauptes mit einem Schwarzbau die Wohnfläche verdoppelt.“

Bürger Robert Giebler (Bauleiter in Rente) hat kritische Fragen: „Mitarbeiter im Bauamt? Da zeigt sich die ganze Inkompetenz des Mitarbeiters Roland! Gelten die Bauvorschriften nur fürs gemeine Fußvolk? Wurde der Anbau in Schwarzarbeit hochgezogen? Wurde bei der Grundsteuer B die neue Wohnfläche angegeben? Und nun die Flächennutzung im nachhinein ändern? Jetzt sind wir in der Bananenrepublik Gladbeck angekommen!“

„In der kompletten Gegend sind Erweiterungen im Garten“

Lutz Westermann befürchtet, dass der Fall bewusst aufgebauscht wird: „Interessanter Artikel. Wobei ich mich Frage wieso hier unterschieden wird? In der kompletten Gegend sind Erweiterungen im Garten. Ist hier doch nicht jeder gleich und es soll von unserer neuen Bürgermeisterin ein Exempel statuiert werden? Klar sollte man ohne Genehmigung nicht bauen, aber da jetzt so ein Fass aufzumachen und jemanden an den Pranger zustellen? Und woher hat die WAZ Gladbeck die Info? Benötigt da jemand PR zum Amtsantritt? Just saying. Viel zu viel Wirbel um nichts!“

Maria König hat für diese Ansicht kein Verständnis: „Lutz Westernmann, diese Äußerung scheint wohl auf einer Nähe zum Schwarzbauer zu beruhen. Es gibt keine Entschuldigung für 70 qm Schwarzbau. Mit Anderen aus dem Gebiet zu vergleichen ist ein Äpfel-und-Birnen-Vergleich. Andere haben allenfalls kleine Anbauten oder Gartenhütten die offensichtlich nicht zu beanstanden sind. Dass diese Causa öffentlich ist, resultiert schon daraus, das sich u. a. der Schwarzbauer an die Bürgermeisterin gewandt hat und Thema im öffentlichen Ausschuss wird. Hier gibt es auch nichts runterzuspielen. Wer sehenden Auges als Beschäftigter des Bauamtes, dessen Chef der Bürgermeister war und zugleich sein Vater ist, handelt bei Errichtung des Anbaus gegen den Bebauungsplan vorsätzlich. Wer dann auch noch die Nachbarschaft und Freunde zur Legalisierung des Schwarzbaus instrumentalisiert, verdient wegen des absoluten Vorsatzes eine öffentliche Wahrnehmung.“

Ein illegaler 70-Quadratmeter-Anbau ist keine Bagatelle

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Für Rudi Cop ist der 70-Quadratmeter-Anbau auch keine Bagatelle: „Na ja, es stehen da mehrere Straftaten (Steuerrecht, Abgabenordnung, Betrug, Vorteilsannahme) im Raume! Das ist ja kein Fahrrad-Unterstand, sondern die Verdoppelung der gesamten Wohnfläche. Zufällig ist der Papa gerade kommissarisch der Chef vom Baudezernat und der Sohn arbeitete zu der Zeit im Bauamt! Das darf man nicht ablegen mit‚ ach, ein versehen! Natürlich gehört es auch dazu sich im Umfeld umzusehen. Es gibt nun mal eine Bauordnung! Und die zählt für alle.“

Murat Er fordert eine Stellungsnahme von Bürgermeisterin Bettina Weist: „Das ist ein Unding. Es geht hier nur um den Namen des Betroffenen. Die Behörden müssen auch endlich mal einsehen und verstehen, dass sie Dienstleister sind und für die Bürger da seien müssen. Vielleicht sollte man mal das Bauamt in Gladbeck in seiner Kompetenz in Frage stellen. Ich habe bereits mehrere Konflikte mitbekommen, wo ich als Mitarbeiter einer anderen Baubehörde einfach nur mit dem Kopf schütteln kann. Mann sollte sich hier auch die Frage stellen, was sagt die Bürgermeisterin dazu?“

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Für Christopher Spegar ist die WAZ zu weit gegangen: „Hier zeigt die WAZ Gladbeck ein Paradebeispiel für unseriösen Journalismus. Mit Objektivität hat das rein gar nichts zu tun. Schämen solltet ihr euch, Menschen derart an den Pranger zu stellen!“

„Die Aufregung ist absolut übertrieben“

Carsten Zwingmann bewertet das Ganze auch als übertrieben: „Also wenn man in Gladbeck jeden „illegalen“ Anbau oder jede „illegale“ Gartenlaube abreißen würde, könnte man mit einem Bergepanzer durch alle Gärten rasen. Diese Aufregung ist absolut übertrieben. Das sage ich sogar als absoluter Gegner der SPD und damit auch von Herrn Roland. Vor allem kommen sie jetzt aus den Büschen gekrochen wo er weg ist, das ist feige.“

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„Ich finde es einfach nur traurig, dass wir offenbar nichts anderes mehr zu tun haben, als andere Menschen zu diffamieren“, sagt Sonja Schrooten: „Gerade in den heutigen Zeiten sollte man doch meinen, dass die Menschen ein wenig mehr zusammenhalten würden. Es muss gleiches Recht für alle gelten, keine Frage. Aber dann doch bitte wirklich für alle. Ich habe letztes Jahr noch in Rentfort in einer sogenannten „Gartenhütte“ gefeiert, von ca 50 Quadratmeter Größe und definitiv als Wohnraum ausgestattet. Mich hat es nicht interessiert ob es da einen Bauantrag für gegeben hat und das tut es auch heute nicht. (...) Das ist das Hauptproblem unserer Gesellschaft. Wir missgönnen unseren Mitmenschen alles. (...) Sorry, aber mir ist das zu hoch. Die Menschlichkeit ist uns allen abgegangen. Das ist die traurige Wahrheit. Seid froh, dass ihr gesund seid und lasst Familien mit so einem Mist in Ruhe!“