Gladbeck / Kreis Recklinghausen. Bodo Klimpel (CDU) und Michael Hübner (SPD) hoffen auf Unterstützung der Grünen. Die Wahl zum Landrat im Kreis Recklinghausen bleibt spannend.

Vor der Stichwahl für das Amt des Landrats des Kreises Recklinghausen am 27. September wird es für die Kandidaten Bodo Klimpel und Michael Hübner richtig spannend. Denn beide werben jetzt um die Gunst der Kreis-Grünen, deren Entscheidung und Wahlempfehlung für die Stimmenmehrheit ausschlaggebend sein könnte. Eine komfortable Situation für die auf Kreisebene deutlich erstarkte Partei, die 17,18 Prozent der Stimmen holte und damit ihr Ergebnis der Wahl 2014 (8,8 %) fast verdoppeln konnte.

 Martina Herrmann, Kreisvorstandssprecherin Grüne im Kreis Recklinghausen.
 Martina Herrmann, Kreisvorstandssprecherin Grüne im Kreis Recklinghausen. © Grüne KV

„Dass wir so deutlich drittstärkste Fraktion im Kreistag werden, das hat mich überrascht. Wir haben mehr Stimmen geholt als ich erwartet hatte“, freut sich Kreisvorstandssprecherin Martina Herrmann. Sie war selbst als Grüne Bürgermeisterkandidatin in Herten angetreten, holte dort 10,08 Prozent hinter dem unabhängigen Bewerber Matthias Müller (35,14 %) und dem bisherigen Bürgermeister Fred Toplak (41,32 %), die in die Stichwahl gehen. Apropos: Sie bestätigt auf WAZ-Anfrage, dass es noch am Wahlabend Gespräche mit Bodo Klimpel und Michael Hübner gegeben habe, „um über mögliche Unterstützung bei der Stichwahl zum Landrat zu reden“.

Kreis-Grüne konnten ihren Stimmenanteil verdoppeln

Gespräche hätten auch schon vor Beginn des Wahlkampfes stattgefunden, wobei sich die Kreisgrünen bekanntermaßen hinter keinen der ,Spitzenkandidaten’ stellen wollten. Sie wollten sich so ein stärkeres eigenes Profil mitsamt ihrem Landratskandidaten Marco Zerwas (15,91 %) geben, mit der Absicht, Stimmanteile auszubauen.

Landratskandidat Michael Hübner (SPD) hofft auf die Unterstützung der Grünen Wähler.
Landratskandidat Michael Hübner (SPD) hofft auf die Unterstützung der Grünen Wähler. © Funke Foto Services | Lutz von Staegmann

Das gute Ergebnis gibt jetzt dieser Taktik recht. Denn nach dem vorläufigen Endergebnis erhalten die Grünen 13 Sitze im Kreistag (zuvor sechs). Sie können damit bei künftigen wichtigen Entscheidungen das Zünglein an der Waage sein, da sich CDU (33,57 %, 24 Sitze) und SPD (30,41 %, 22 Sitze) im Kreistag nahezu egalisieren – wobei die Christdemokraten auf die Unterstützung der FDP (4,48 %, drei Sitze) setzen können, mit der sie den gemeinsamen Landratskandidaten Klimpel aufgestellt haben. Welche Angebote letzterer beziehungsweise Michael Hübner den Grünen jetzt in Sachen künftiger Kreistagspolitik im vertraulichen Gespräch gemacht haben, wird über die Unterstützung bei der Stichwahl entscheiden.

Die Grüne Basis soll entscheiden, ob Hübner oder Klimpel unterstützt werden

CDU neue stärkste Kraft im Kreistag

Als Bürgermeister direkt gewählt wurden André Dorra in Datteln (SPD, 56,49 %), Tobias Stockhoff in Dorsten (CDU, 76,91 %), Andreas Stegemann in Haltern (CDU, 53,66 %), Carsten Wevers in Oer-Erkenschwick (CDU, 63,03 %) und Christoph Tesche in Recklinghausen (CDU, 60,14 %). So schnitten die übrigen Bewerber der Landratswahl ab: 6,66 % Steffen Christ (AfD), 3,44 % Rolf Kohn (Die Linke), 2,56 % Tobias Köller (UBP), 0,71 % Udo Surmann (Aktiv) und 0,54 % Detlev Beyer-Peters (DKP).

In die Bürgermeister-Stichwahl am 27. September gehen in Gladbeck Bettina Weist (SPD, 42,44 %) und Dietmar Drosdzol (CDU, 23,48 %), in Waltrop Marcel Mittelbach (SPD, 45,70 %) und Nicole Moenikes (CDU, 36,13 %), in Marl Werner Arndt (SPD, 47,09 %) und Angelika Dornebeck (CDU, 25,46 %), in Castrop-Rauxel Rajko Kravanja (SPD, 49,38 %) und Oliver Lind (CDU, 25,25 %) sowie Fred Toplak (TOP, 41,71 %) und Matthias Müller (Unabh., 34,74 %).

Die SPD verliert im Vergleich zum Wahlergebnis 2014 satte 10 Prozent der Stimmen. Das Kräfteverhältnis im Kreistag verlagert sich so zugunsten der Christdemokraten und stellt sich wie folgt dar: CDU 24 Sitze (33,57 % der Stimmen, zuvor 25 Sitze), SPD 22 Sitze (30,41 %, 29 Sitze), Grüne 13 Sitze (17,18 %, 6 Sitze), AfD 5 Sitze (7,06 %, zuvor nicht vertreten), FDP 3 Sitze (4,48 %, 3 Sitze), Die Linke 3 Sitze (4,17 %, 4 Sitze), UBP 2 Sitze (2,42 %, 3 Sitze).

„Mehr Schnittpunkte hat es bislang eindeutig mit der SPD gegeben“, stellt Hübner fest, der sich „sehr über die Unterstützung der grünen Wähler freuen“ würde, „um meine Wahlversprechen umsetzen und den sozial-ökologischen Umbau des Kreises vorantreiben zu können, mit den Schwerpunkten Klima- und Mobilitätswende, Förderung sauberer Industrien wie der Wasserstoff-Wirtschaft und Schuldenschnitt für die Städte“. Eine Unterstützungszusage für den Fall der Stichwahl sei vorab aber nicht erfolgt, unterstreicht Martina Herrmann. „Wir wollten die Wahl abwarten, über unsere weitere Positionierung soll unsere Basis bei unserer Sitzung am Dienstagabend entscheiden.“

Bodo Klimpel (CDU) ist gemeinsamer Landratskandidat der CDU und FDP.
Bodo Klimpel (CDU) ist gemeinsamer Landratskandidat der CDU und FDP. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Schlagen sich die Kreisgrünen auf die Seite eines Landratskandidaten, steigert das dessen Wahlchancen. Bleiben sie neutral, wird es vor allem für Michael Hübner entscheidend sein, wie viele SPD-Wähler motiviert werden können, in zwei Wochen erneut zur Wahl zu gehen. Beim ersten Urnengang lag der Gladbecker hinter seinem stärksten Kontrahenten mit rund sechs Prozent zurück. Klimpel hat aber den Nachteil, dass in fünf der zehn Kreisstädten seine CDU-Parteifreunde direkt den Bürgermeisterposten geholt haben (Infobox).

Die Stichwahl vieler SPD-Bürgermeister könnte ein Vorteil für Hübner sein

In Dorsten, Haltern, Recklinghausen, Oer-Erkenschwick wie auch im SPD-dominierten Datteln finden nämlich keine Stichwahlen statt. Anders sieht es (neben Herten) in Gladbeck, in Waltrop, Marl und Castrop-Rauxel aus, wo SPD-Kandidaten die meisten Stimmen holten und jetzt in die Stichwahl gehen. Mobilisieren sie ihre Stammwähler, kann das ein Vorteil für Hübner sein, weil bei der Stichwahl ja das Kreuz für Bürgermeister- und Landratskandidat gesetzt wird. Die Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass in Städten ohne Bürgermeisterwahl die Luft raus und die Landrats-Wahlbeteiligung entsprechend niedrig ist. Das könnte ein möglicher Nachteil für Bodo Klimpel sein.