Gladbeck. Der Gladbecker Radclub fühlte vor der Wahl den Bürgermeisterkandidaten der großen Parteien auf den Zahn. In einem Punkt waren sich alle einig.
„Ausgerechnet jetzt!“ - mag sich Dr. Vera Bücker, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in Gladbeck am Samstagnachmittag gedacht haben, als die Technik nicht so wollte, wie sie sollte. Im Namen des ADFC hatte Bücker zum 3. Radkongress ins Bürgerhaus-Ost geladen – eine Veranstaltung, die schon hätte im Mai stattfinden sollen, aber aus bekannten Coronagründen verschoben werden musste. Mit dabei waren die Bürgermeisterkandidaten Bettina Weist (SPD), Dietmar Drosdzol (CDU), Olaf Jung (Die Linke) und Simone Steffens (Bündnis 90/Die Grünen), um ihre Ideen zur Radverkehrspolitik vorzustellen – diese vier, beeilte sich Vera Bücker zu erklären, weil nur sie sich auf Anfrage des ADFC mit ihren Statements zurückgemeldet hätten.
Gemäß der Hygienevorschriften waren im großen Saal des Bürgerhauses Einzeltische in Corona-Sicherheitsabstand aufgestellt worden und genauso viele Interessierte, 22, konnten dann nur als Zuhörer eingelassen werden. Moderator der Veranstaltung war Marcel Knauff, Nahverkehrsmanager der Nachbarstadt Oberhausen. Bettina Weist (SPD) nahm den Eigensinn der Technik pragmatisch mit Humor und referierte zwischenzeitlich ohne die visuelle Unterstützung. Sie empfahl einen Blick über den Tellerrand in andere Länder, oder auch nur in die Nachbarstädte. Die konsequente Umsetzung der Baumaßnahmen aus dem Radverkehrskonzept (s. Info), mehr Fahrradstraßen und sogenannte Pop-Up Radwege (temporäre/improvisierte Radwege), Radschnellwege für Pendler und Freizeitradler waren ihre Anliegen und es sollte sich bald zeigen, dass es bei diesen Punkten durchaus Schnittmengen mit den anderen Kandidaten gab. Zusätzlich warb Weist dafür, „Anreize“ zu schaffen, denn Radfahren müsse „sich lohnen.“ Am Beispiel der Stadt Oberhausen plädierte sie am Schluss ihrer Ausführungen für ein kommunales Mobilitätskonzept, um von Teilplänen zum Großen und Ganzen zu kommen.
Die Sanierung zahlreicher Fahrradwege- und -straßen ist nötig
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„Ich will ehrlich sein: Ich werde nichts für Radfahrer machen, um andere Verkehrsteilnehmer zu behindern.“ Mit dieser deutlichen Ansage machte Dietmar Drosdzol (CDU) seine Prioritäten klar. „Wir müssen versuchen, den Radverkehr so zu ertüchtigen, dass er auf Augenhöhe mit dem Autoverkehr ist.“ Der Radverkehr müsse attraktiver werden, ist der Kandidat überzeugt. Dazu gehöre nicht nur ein „verlässlicher ÖPNV“ sondern auch die Sanierung zahlreicher Fahrradwege und -straßen. Diese letztere Ansicht, teilten alle Kandidaten. Eine Verzahnung der unterschiedlichen Verkehrsmittel miteinander ist für Drosdzols ideal.
Fahrradfreundliches Gladbeck 2025
Das aktuelle Radverkehrskonzept „Fahrradfreundliches Gladbeck 2025“ enthält 256 Einzelmaßnahmen, um Gladbeck als fahrradfreundliche Kommune aufzustellen.
Seit 2016 hat die Stadtverwaltung gemeinsam mit Experten der Stadt, Vertretern der Politik, des ADFC, des Seniorenbeirats, der Polizei, eines Planungsbüros und unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger, am neuen Radverkehrskonzept gearbeitet, das 2019 verabschiedet wurde
Für Olaf Jung (Die Linke) ist der Sicherheitsaspekt von besonderem Interesse. Die Zahl der verunfallten Radfahrer sei wieder im Steigen, so der Kandidat. Er plädierte für eine stärkere Ausweisung bestimmter Straßen als Fahrradwege oder Fahrradzonen und die Umwidmung von Parkstreifen zu Fahrradwegen. „Da ist richtig Drive drin“, freute sich Simone Steffens, Bürgermeisterkandidatin der Grünen. „ich gehe davon aus, dass sich in den nächsten Jahren dazu einiges tun wird.“ Die konsequente Förderung des Radverkehrs, die Verdichtung des Netzes sowie „attraktive, komfortable und sichere Radwege“ sind ihr ein großes Anliegen.
Entwicklung ganzheitlicher Mobilitätskonzepte
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass für den zukünftigen Bürgermeister, die zukünftige Bürgermeisterin die Mobilität der Zukunft auf der Basis des Radverkehrskonzeptes ein bestimmendes Thema sein wird, angefangen beim oftmals katastrophalen Zustand der Straßen und Radwege bis hin zur Entwicklung intelligenter, ganzheitlicher Mobilitätskonzepte.