Gladbeck. Der Gladbecker Kai Wehmeier lebt und lehrt seit 18 Jahren in Kalifornien. Der 52-Jährige bekommt einen Preis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.

Ein Gladbecker, der an der University of California Logik lehrt? Klingt gut, wenngleich kaum zu glauben. Wird dieser zudem noch für sein „Gesamtschaffen“ auf einem Empfang beim Bundespräsidenten mit einem Forschungspreis der renommierten Alexander-von-Humboldt-Stiftung geehrt, erscheint die Geschichte fast zu schön, um wahr zu sein. „Ehrung fürs Gesamtschaffen klingt schon sehr dramatisch“, wehrt der gerade mal 52 Jahre junge Kai Wehmeier, Professor für Logik und Wissenschaftsphilosophie an der UC Irvine, lachend ab. Und zur Begegnung mit dem ersten Mann des Staates in dessen Amtssitz „Schloss Bellevue“ sei es, „natürlich wegen der Corona-Pandemie“, im Juni nicht gekommen. „Ich hoffe jedoch, dass das im kommenden Jahr nachgeholt wird.“

Gladbeck: Kai Wehmeier konnte sich schon als Schüler für Mathematik und Chemie begeistern

Die Jahrestagung der Stiftung musste – wie so viele Events – virtuell über die Bühne gehen. Ansonsten besucht Wehmeier, der mittlerweile schon seit 18 Jahren in Kalifornien lebt und lehrt, normalerweise zwei- bis dreimal pro Jahr Deutschland. „Ich freue mich immer über Vortragseinladungen nach Deutschland, weil mir das auch Gelegenheit gibt, meine Tochter Anna zu besuchen.“

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Im März 1968 erblickte Wehmeier das Licht der Welt. „Meine Eltern weilten berufsbedingt im US-Bundesstaat New Jersey, so dass ich automatisch amerikanischer Staatsbürger wurde.“ Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Kirchhellen und in Gladbeck-Rentfort. 1987 legte er am Ratsgymnasium das Abitur ab, als Leistungskurse belegte er Mathematik und Chemie. „Eigentlich schien alles auf Chemie hinauszulaufen“, so Wehmeier, „im Keller unserer Hauses hatte ich sogar schon recht früh ein kleines Labor.“

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Der Gladbecker Kai Wehmeier hatte schon als Schüler am Ratsgymnasium ein kleines Labor.  
Der Gladbecker Kai Wehmeier hatte schon als Schüler am Ratsgymnasium ein kleines Labor.   © KW

Die Tatsache, dass dem Schreiber dieser Zeilen in unmittelbarer Nachbarschaft das Hobby des Nachbarjungen akustisch nie auffiel, spricht für ein durchgängiges Gelingen der Experimente. Nach einem Semester Chemie sattelte er jedoch um auf Mathematik. „Die Art des Lernens lag mir mehr; in der Mathematik ist schon in den Anfangssemestern mehr das selbstständige Ableiten und nicht das Auswendiglernen gefragt“, betreibt der Gladbecker Ursachenforschung. In seiner Schulzeit besonders geprägt haben ihn seine Lehrer Detlev Böer, Hugo Appelhoff und Manfred Lauffs. „Böer hat mit beigebracht, Texte akribisch Satz für Satz zu analysieren – das tägliche Brot eines Philosophen. Appelhoff hat an uns Schüler die höchsten Ansprüche gestellt, und Lauffs war nicht nur das menschliche Gesicht des Ratsgymnasiums, sondern ist auch für meine Liebe zur französischen Sprache verantwortlich.“

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So fühlt sich der Philosoph auch für eine im September bevorstehende Gastprofessur in Frankreich gewappnet. Wehmeiers Forschungsgebiet liegt im „Dreiländereck“ von Philosophie, formaler Logik und theoretischer Sprachwissenschaft. Derzeit interessiert er sich unter anderem dafür, wie man mit den formalen Sprachen der Logik, etwa in der Computerwelt, zum besseren Verständnis menschlicher Sprachen beitragen kann. So beschäftigt er sich zum Beispiel gerade mit dem Verhältnis zwischen persönlichen Fürwörtern wie „er“ und „sie“ in den natürlichen Sprachen und Variablen wie „x“ und „y“ in den Logiksprachen; aber auch die logische Modellierung von konjunktivischen Wendungen wie „es hätte sein können, dass...“ hat es ihm angetan. So weit, so (un)klar?!

Ob ein Lehrstuhl an einer deutschen Universität ihn reizen könne? „Ich hatte in den vergangenen Jahren Rufe an die Universität des Saarlandes und an die Uni Wien, die ich beide mit einem weinenden Auge abgelehnt habe. Aber ich fühle mich hier richtig wohl, lebe ja auch schon nahezu ein Drittel meines Lebens in Amerika“, so die prompte Antwort.

Die Ehrung wird verschoben

Im kommenden Jahr soll, wenn nicht wieder das Coronavirus allem einen Strich durch die Rechnung macht, die Ehrung des Gladbecker Forschers im Berliner Schloss Bellevue über die Bühne gehen.

Kai Wehmeier sagt: „Vielleicht werde ich dann ja ein paar Worte mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier wechseln können.“ Für ein eingehendes Gespräch über die „Logik des Konjunktivs“ dürfte die Zeit aber wohl kaum reichen....

„Die University of California ist die beste öffentliche Uni der Staaten. Mein Institut hat einen hervorragenden Ruf, die Studenten sind erstklassig.“ Zudem seien die Lehrverpflichtungen geringer als in Deutschland, entsprechend mehr Zeit bleibe für die Forschung. „Die Uni-Verwaltung arbeitet sehr viel kreativer, ihr Hauptanliegen ist, Forschung und Lehre zu erleichtern. Das war ich aus meiner Zeit in Deutschland so nicht gewohnt“, kann sich Wehmeier einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen. Zudem sorge das immer herrliche Wetter dafür, dass sich so etwas wie Heimweh nicht zwingend einstelle. „Auf dem Campus ist es immer grün, immer blüht etwas“, gerät er regelrecht ins Schwärmen.