Gladbeck. Die Bezirksregierung Münster registriert immer mehr Schulschwänzer. Für Schulverweigerer greift die Stadt Gladbeck auf ein Ersatzprogramm zurück.

Hand aufs Herz: Wer hat in seiner Schulzeit nicht schon mal blau gemacht? Ein paar, wenige, Stunden gefehlt – Schwamm drüber! Aber wenn sich Kinder und Jugendliche kontinuierlich und längerfristig nicht im Unterricht blicken lassen, ruft das Lehrkräfte und Behörden auf den Plan. Und die Tendenz dieses Phänomens ist „eher steigend“, sagt Andreas Winnemöller, Pressesprecher bei der Bezirksregierung Münster. Im Jahr 2019 wurden im Einzugsgebiet 1106 Schulpflichtverletzungen, wie es korrekt in Amtsdeutsch heißt, registriert.

Darunter seien jene Fälle zu verstehen, in denen ein Bußgeldverfahren eingeleitet wurde, so Winnemöller. Er erläutert: „Das geschieht nur dann, wenn eine Schule die Pflichtverletzung meldet. Aber da haben die Schulen einen Ermessungsspielraum.“ Hatte die Bezirksregierung Münster, der auch Gladbeck untersteht, noch 846 Schulpflichtverletzungen im Jahre 2016 registriert, waren es in den folgenden Jahren schon deutlich mehr. Für 2017 waren es 1037 Fälle.

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In Ruhrgebietsstädten gibt es das Phänomen häufiger als im Münsterland

Wie groß der Anteil von Gladbeckern in diesen Statistiken ist, lässt sich laut Winnemöller nicht stadtscharf herunterbrechen. Ebenso wenig könne er aufschlüsseln, in welchen Schulformen das „Schwänzen“ besonders häufig auffalle: „Da ist von der Grundschule bis zur Oberstufe alles dabei.“ Aber eines kann der Sprecher der Bezirksregierung sagen: „In städtischen Regionen gibt es das Phänomen häufiger als in ländlichen, in Ruhrgebietsstädten häufiger als im Münsterland.“

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Wer denkt, dass Schüler mit Vorliebe an Tagen direkt vor und/oder nach Ferienbeginn (unentschuldigt) im Unterricht fehlen, mit oder ohne Einverständnis der Eltern, irrt. Denn: „Die Fehlzeiten sind über das ganze Jahr gleichmäßig verteilt.“ Aber auch „Ferienverstöße“ sind keine Petitessen: „Sie können geahndet werden.“

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Höhe der Bußgelder hängt von Häufigkeit, Dauer und Art des Verstoßes gegen die Schulpflicht ab

Vielfach, so berichtet Winnemöller, „ziehen sich die Bußgeldzahlungen in Raten über Jahre.“ Die Höhe richte sich nach mehreren Faktoren, wie Häufigkeit, Dauer und Art des Verstoßes gegen die Schulpflicht, für deren Durchsetzung die Eltern – beziehungsweise Erziehungsberechtigte – verantwortlich sind. Für Jugendliche ohne Berufsausbildungsverhältnis gilt: Diese Pflicht dauert bis zum Ablauf des Schuljahres, in dem ein Schüler das 18. Lebensjahr vollendet.

Schulersatzprogramm

Das Schulersatzprogramm (SEP), ein Projekt der Jugendsozialarbeit, zielt darauf ab, soziale Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Frustrationstoleranz, Verlässlichkeit und einen konstruktiven Umgang mit Konflikten oder Krisen zu schulen. Gefördert werden sollen zudem Fähigkeiten wie das Erkennen eigener Stärken und Schwächen, das Einhalten von Regeln und Absprachen sowie die Entwicklung persönlicher und schulisch-beruflicher Ziele.

Den Kindern und Jugendlichen, die an dem Angebot teilnehmen, soll geholfen werden, ihr Fachwissen und ihre Allgemeinbildung zu erweitern. Angestrebt ist auch der Aufbau grundlegender Fähigkeiten. Dazu zählen Ausdauer und Sorgfalt.

Zum Programm gehören unter anderem Praktika in ausbildenden Betrieben. Um auf einen schulischen Abschluss vorzubereiten, stellt die Erich-Fried-Hauptschule als Kooperationsschule eine Lehrkraft für die benötigten Unterrichtsstunden zur Verfügung.

Über die Ursachen der Negativfälle „ist uns in der Regel nichts bekannt“, so Andreas Winnemöller, „wir erhalten lediglich eine Mitteilung der Schule.“ Anders kann es da jedoch auf lokaler Ebene aussehen. Christiane Schmidt von der Pressestelle der Stadtverwaltung Gladbeck: „Wir haben es vor Ort mit den harten Fällen zu tun.“ Da gehe es nicht um einige verpasste Unterrichtsstunden, sondern einen dauerhaften Zustand. Auslöser für solch ein Verhalten können sehr unterschiedlich sein, beispielsweise familiäre Probleme, totale Entmutigung oder schwierige Wohnverhältnisse. Schmidt: „Es handelt sich um multiple Problemlagen, kein Fall ist wie der andere.“

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„Wir haben in Gladbeck derzeit neun solcher Fälle, in denen gar nichts mehr geht“, sagt die Stadtsprecherin. Aber auch einen Lösungsweg: das Schulersatzprogramm (SEP). „Träger ist in Gladbeck die Arbeiterwohlfahrt. Das Programm bietet insgesamt maximal zehn Plätze und ist konzipiert für 13- bis 16-Jährige“, erläutert Christiane Schmidt. Ziel sei „nicht der externe Abschluss“: „Die Schüler sollen irgendwann einmal wieder in den normalen Schulalltag zurückkehren können.“