Gladbeck. Das Bündnis für Courage in Gladbeck hatte zur Gedenkfeier geladen. Schüler dokumentierten eine Vielzahl heutiger antisemitischer Anfeindungen.

„Das Auschwitzgedenken gehört zur deutschen Identität“, stellte Roger Kreft, Sprecher des „Gladbecker Bündnis für Courage“, gleich zu Beginn der Gedenkfeier klar und appellierte: „Wir haben die Verantwortung, uns entschieden gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu stellen.“ Die Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Auschwitzbefreiung stand in diesem Jahr besonders im Zeichen des Wiederaufkommen neuer rechter Strömungen und gegenwärtigen Antisemitismus. Schülerinnen und Schüler des Heisenberg- und Ratsgymnasiums brachten sich mit vielfältigen Beiträgen ein und sorgten für Gänsehautmomente.

Roger Kreft vom Bündnis für Courage warnte vor einer starken AfD

Mit neuen Interpretationen des „Lieds der Moorsoldaten“ und „Die Gedanken sind frei“ sorgte etwa ein Chor aus Mädchen der fünften bis siebten Klasse für einen bewegenden Einstieg in die Gedenkveranstaltung und zeigte zugleich, wie vielfältig man sich mit dem Holocaustgedenken befassen kann.

Roger Kreft vom Bündnis Courage: „Wir haben die Verantwortung, uns entschieden gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu stellen.“
Roger Kreft vom Bündnis Courage: „Wir haben die Verantwortung, uns entschieden gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu stellen.“ © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Wie Kreft, der mit Blick auf die anstehenden Kommunalwahlen vor einer starken AfD warnte und die zahlreichen Anwesenden im Heisenberg-Forum aufforderte, genau hinzuschauen, wo sich Nährböden für antisemitische oder rassistische Meinungen entwickelten, appellierte auch Bürgermeister Ulrich Roland: „Wir müssen immer wieder mutig für Demokratie, Gerechtigkeit und Menschlichkeit eintreten“.

Das Bündnis für Courage nehme mit dieser Gedenkveranstaltung und anderen Aktionen eine wichtige Stellung im Einsatz gegen das Vergessen ein. „Dafür bin ich sehr dankbar“, schloss Roland ab.

Die AfD als „parteipolitisches Dach differenter rechter Millieus“

Auch der Rechtsextremismus-Experte und diesjährige Gastredner Alexander Häusler von der Hochschule Düsseldorf zeigte heutige Entwicklungen rechter Strömungen und Parteien auf und legte die Strategien und Mechanismen der aktiven Gruppierungen dar. „Der Rechtsextremismus lebt von der Erinnerungsabwehr“, erklärte Häusler, weshalb eine aktiv gelebte Erinnerungskultur im Kampf gegen verbreiteten Rechtsextremismus hilfreich sei.

Schülerinnen des Heisenberg-Gymnasiums sangen auf der Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz das Lied vom Moorsoldaten.
Schülerinnen des Heisenberg-Gymnasiums sangen auf der Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz das Lied vom Moorsoldaten. © Funke Foto services | Heinrich Jung

Aktuelle Bewegungen rechter Organisationen und rechtspopulistischer Parteien, zu denen Häusler auch die AfD als „parteipolitisches Dach differenter rechter Milieus“ zählte, „werden von einer lautstarken Minderheit unterstützt.“

Der Sozialwissenschaftler appellierte: „Die schweigende Mehrheit muss etwas tun. Wir alle müssen mithelfen, dass wir weiter in friedlichen und demokratischen Verhältnissen leben können.“ Die Courage-AG des Heisenberg-Gymnasiums hatte sich ebenfalls mit heutigem Antisemitismus befasst und zeigte, dass man auf die Forderung „Nie wieder“ heute häufig mit „Es ist längst wieder soweit“ antworten könne. Sie dokumentierte eine Vielzahl antisemitischer und rassistischer Anfeindungen sowie ein Stimmungsbild von Juden in Deutschland.

Gedichte und innere Monologe junger Menschen in der NS-Zeit

Eine Gruppe aus Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Eltern des Ratsgymnasiums las aus „Adressat unbekannt“ von Kathrine Kressmann Taylor.

Mehr Schulen einbeziehen

So eine lange Gedenkfeier habe er noch nie veranstaltet, sagte Roger Kreft am Ende der Veranstaltung.

Allerdings wolle man die Schülerinnen und Schüler nicht in ihrem Engagement beschränken, sondern ihren Einsatz fördern. „Wir hoffen, zukünftig mit noch mehr Schulen zusammenzuarbeiten und, dass auch die Schulen miteinander kooperieren“, so Kreft.

Der Briefroman schildert die tragische Entwicklung einer Freundschaft eines jüdischen Amerikaners und eines nicht-jüdischen Deutschen in den frühen 1930er Jahren und zeigt, wie sich vermeintlich tolerante Charaktere unter dem Einfluss der Nationalsozialisten veränderten.

Gedichte und innere Monologe junger Menschen in der NS-Zeit, wie etwa über die letzte Begegnung der Geschwister Scholl mit ihren Eltern vor ihrer Hinrichtung oder den Erlebnissen der jugendlichen Widerstandsgruppe der Edelweißpiraten, die die Schüler auch szenisch darstellten, zeigten gemeinsam mit weiteren Musikbeiträgen noch einmal, wie vielseitig und künstlerisch sich das Auschwitzgedenken äußern kann.