Gladbeck. Der Planungschef der Stadt nennt vier Szenarien zur Bebauung von Grünflächen in Wohngebieten. In der Regel sind die Möglichkeiten klar begrenzt.

Ja, sagt Karsten Fuchte, das Baugesetz sei in den letzten Jahren gelockert worden, „so dass die Bebauung von grünem Hinterland in Wohngebieten nicht mehr so strikt ausgeschlossen wird wie in der Vergangenheit“. Eine generelle Sorge, dass jetzt in allen grünen Gärten in der Nachbarschaft die Möglichkeit der Wohnbebauung in zweiter Reihe drohe, sei aber unbegründet, so der Chef des Amtes für Stadtplanung und Bauaufsicht. Denn es gebe planungsrechtlich bei der Bebauung von so genannten Block-In-Bereichen im Prinzip vier Szenarien, die für Gladbecker Wohngebiete unterschieden werden müssten. Und bei einigen sei in der Regel „das Bauen in zweiter Reihe ausgeschlossen“.

Luftbild des Neubaugebietes zwischen Phönixstraße und Eichendorffstraße in Gladbeck, Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Luftbild des Neubaugebietes zwischen Phönixstraße und Eichendorffstraße in Gladbeck, Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, Deutschland © www.blossey.eu | Hans Blossey

Auslöser für die Konkretisierung ist das jetzt bekannt gewordenen Bauvorhaben zur Errichtung eines Einfamilienhauses im grünen Hinterland der Wohnsiedlung an der Voßstraße. Nachbarn hatten im Gespräch mit der WAZ protestiert, nicht über die Gesetzeslockerung und die Baupläne informiert worden zu sein. So dass jetzt Wohnbebauung erlaubt werde, wo diese Anfang der 2000er Jahre noch strikt von der Stadt abgelehnt worden sei.

Die Bauherren haben eine Rechtsanspruch, wenn der Genehmigung nichts entgegen steht

Dieser Fall betreffe das Szenario der ungleichmäßigen Baustruktur im Blockinnenbereich, so Fuchte. Charakterisiert durch unterschiedliche Hauptnutzungen im Blockinneren, „die häufig über Jahrzehnte entstanden sind“, wie kleingewerbliche Nutzung und bereits bestehendes Wohnen in zweiter Reihe. Füge sich die Planung in den bestehenden Rahmen ein, und sind alle weiteren Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt (Abstandsgrenzen, Erschließung), so habe der Antragsteller einen Rechtsanspruch und die Stadt keinen Ermessensspielraum. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber zur Förderung der Wohnraumentwicklung bei der Nutzungsänderung bestehender Gebäude zu Wohnzwecken, oder einer Erweiterung von Wohngebäuden, „in den letzten Jahren gewisse Überschreitungsmöglichkeiten im Rahmen des Baugesetzbuches (§34) ermöglicht“.

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Das Szenario einer Bebauung in zweiter Reihe wird ausgeschlossen, wenn dazu klare Regelungen in Bebauungsplänen festgeschrieben sind. Dies ist in Gladbeck dort der Fall, wo städtebaulich und architektonisch besondere Situationen bestehen. Insbesondere im Bereich der historischen Zechensiedlungen, die dem Plankonzept der Gartenstadt folgen, sowie bei Bebauungsplänen, die eine entsprechende Hinterlandbebauung ausschließen.

Der Wohnbebauung in Blockinnenbereichen sind enge Grenzen gesetzt

Massiver Wohnbedarf

Gladbeck sei eine der wenigen Ruhrgebietsstädte, „deren Bevölkerungszahl wächst“, so der Chef der Wirtschaftsförderung Peter Breßer-Barnebeck. In der Stadt bestehe massiver Wohnbedarf. Die große Nachfrage belege der Vermarktungserfolg aktueller Neubaugebiete, die mehrfach hätten verkauft werden können.

Größere noch freie Brachflächen im städtischen Bereich, etwa alte Zechen- oder Gewerbeflächen, stünden in Gladbeck nicht mehr zur Verfügung. Um die Versiegelung weiterer Stadtrandbereiche zu vermeiden, sei es so auch Ziel der Stadtplanung, mögliche Innenbereiche (Baulücken, Hinterland) für die Wohnbebauung zu nutzen.

Beim Szenario einer sehr einheitlichen Bestandsbebauung ohne Bebauungsplan seien der Bebauung im Blockinneren enge Grenzen gesetzt. Auch unter Betrachtung der großzügigeren neueren Möglichkeiten über den Paragrafen 34. Denn hier richte sich die Bebaubarkeit nach dem Rahmen, den die umgebende Bebauung vorgibt. Zum Beispiel die großen Gärten hinter den Wohnhäusern der Moltke- oder Luftschachtsiedlung. Die Wohnbebauung ist hier klar gegliedert, so dass sich etwa ein Einfamilienhaus in zweiter Reihe nicht in die vorhandene Struktur einfügen würde.

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Eine geordnete Nachverdichtung im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens sei indes ein Szenario, „das die Bebauung von Blockinnenbereichen ermöglicht“, auch bei einheitlicher Baustruktur im Umfeld, so Experte Fuchte. Er nennt als Beispiel das Neubaugebiet Phönix- und Eichendorffstraße. Hier sei eine große freie Grünfläche genutzt worden, „die sich an die rückwärtigen Gärten der bestehenden Siedlungsbebauung anschloss“. Die Voraussetzung der Erschließungsmöglichkeit und der Mitwirkung aller Flächeneigentümer sei hier kein Problem gewesen, da das Gesamtgebiet dem Wohnungsunternehmen Vonovia gehörte.

Bei der Umsetzung von Bauvorhaben werden immer die Interessen des Klimaschutzes abgewogen

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Die geordnete Bebauung von Blockinnenbereichen biete, angesichts des dringlichen Bedarfes, weiteren Wohnraum zu schaffen, den Vorteil, „dass bestehende Infrastruktur genutzt, Freiflächen im Außenbereich geschont und grüne Randgebiete nicht verdichtet werden müssen“. Die Umsetzung dieser Bebauung werde immer mit den Interessen des Klimaschutzes abgewogen, unterstreicht Fuchte. Damit geht der Stadtplaner auf die Kritik vieler Leser nach dem WAZ-Bericht ein. Sie diskutierten, wie die Klimaerwärmung und der von der Stadt ausgerufene Klimanotstand mit der Bebauung von innerstädtischen Grünflächen zusammenpasse. Fuchte unterstreicht, dass keine Entscheidung leichtfertig getroffen werde und insgesamt gelte, „dass jeder Einzelfall individuell zu prüfen ist“.