Gladbeck. Nachbarn der Mischanlage sprechen von auffällig vielen Erkrankungen. Die Firma habe nicht aktiv über die Verarbeitung giftiger Abfälle informiert

Die Nachbarn der Steag-Tochter MineralPlus im Gladbecker Gewerbegebiet rund um Möller- und Stollenstraße sorgen sich nach dem WAZ-Bericht um ihre Gesundheit. „Wir haben nicht gewusst, dass in der Baustoffmischanlage auch giftige Abfälle in großen Mengen angeliefert und für die Endlagerung aufbereitet werden“, sagt Jürgen Zeller. Er selbst sei an Lungenkrebs erkrankt und habe das auch von anderen Gewerbetreibenden im Umfeld von MineralPlus gewusst. Da habe sich ihm der Verdacht aufgedrängt, „ob nicht von den karzinogenen Abfallstäuben bei der Siloanlieferung Teile in die Umgebungsluft gelangt sein und zu Erkrankungen geführt haben könnten“. Seine ersten Recherchen dazu hätten ihn „eher weiter alarmiert statt beruhigt“, so der langjährige Geschäftsführer eines Entsorgungsfachbetriebes.

Täglich fahren zahlreiche Schwerlaster aus dem In- und Ausland im Gladbecker Werk an der Stollenstraße vor, um ihre auch giftigen Abfälle in die bunt bemalten Silos („Konfettibunker“ im Volksmund) zu pumpen.
Täglich fahren zahlreiche Schwerlaster aus dem In- und Ausland im Gladbecker Werk an der Stollenstraße vor, um ihre auch giftigen Abfälle in die bunt bemalten Silos („Konfettibunker“ im Volksmund) zu pumpen. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Denn seine Umfrage habe ergeben, „dass in nahezu jedem Betrieb an der Stollenstraße in den letzten Jahren jemand an Krebs erkrankt oder sogar verstorben ist“. Das sei „doch auffällig“, meint auch Bauunternehmer Elmar Kremer, der sich „um die Gesundheit seiner 15 Mieter sorgt“, die unweit des Firmenareals wohnen. Peter Pluta firmiert direkt gegenüber von MineralPlus, er hat mit seinem Bruder den Betrieb seines Vaters übernommen, „der vor 13 Jahren an Lungenkrebs gestorben ist“, so der Dachdecker. Bruder Heinrich berichtet, dass auch er selbst an einer Krebserkrankung leide. Sicher habe man beobachtet, „das tagtäglich rund 20 schwere Silo-Lkw auch aus dem europäischen Ausland die Baustoffmischanlage anfahren“. Keiner der befragten Nachbarn habe aber auf Nachfrage gewusst, „dass bei MineralPlus auch solche gefährlichen Stoffe verarbeitet werden“. Alle sind sich einig: „Wir wollen, dass MineralPlus Stellung bezieht und uns die Sorgen nimmt, indem das Unternehmen klipp und klar ausschließt, dass giftige Abfälle in die Umgebungsluft gelangt sein könnten.“

Der Entsorgungsbetrieb wird mit einem Gefährdungspotential der oberen Klasse eingeordnet

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Die Pressestelle der Steag informierte auf Anfrage der WAZ, dass ihre Tochter MineralPlus GmbH als Entsorgungsfachbetrieb „aufgrund der Arbeit mit gefährlichen toxischen Stoffen der Störfallverordnung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterliegt“.

Noch keine Störung aufgetreten

Laut Information von MineralPlus wird die Baustoffmischanlage in Gladbeck seit 1990 betrieben und unterliegt seit April 2010 den besonderen Vorschriften gemäß der Störfallverordnung, die der Gesetzgeber zum Schutz der Bürger und der Umwelt erlassen hat. Somit werden hier Abfälle mit gefährlichen, giftigen Stoffen offensichtlich seit bald zehn Jahren verarbeitet.

In der Baustoffmischanlage dürfen jährlich bis zu 250.000 Tonnen fein- und feinstkörnige Trockenstoffe zu mineralischen Bau-, Füll- und Versatzstoffen verarbeitet werden. Bei den eingesetzten Stoffen handelt es sich teils um umweltgefährliche Abfälle, die insbesondere aus Verbrennungsanlagen (Industrie, Müll) stammen.

Die Abfallstäube werden per Lkw angeliefert und mittels Druckluft in die großen Firmensilos gefördert. Über die Mischanlage werden auch giftige Trockenstoffe nach bestimmten Rezepturen aufbereitet, damit sie für die Endlagerung zulässig sind. Die fertigen Produkte werden in Silos zwischengelagert, um dann abtransportiert zu werden.

Laut Firmenangabe ist die Baustoffmischanlage mit einer hochwirksamen Entstaubungsanlage ausgerüstet, die die Abluft mehrstufig reinigt. Modernste Schutzvorkehrungen und Sicherheitsausrüstungen wie eine Überfüllsicherung, Überdruckschalter, Druckausgleichsventile und ständige Kontrollen gut ausgebildeter Mitarbeiter sorgten zudem für Sicherheit. Seit Inbetriebnahme sei keine relevante Störung aufgetreten.

Da MineralPlus als ein Betrieb mit Gefährdungspotential der oberen Klasse eingeordnet wird (wie z.B. Ineos Phenol), ist das Unternehmen auch gesetzlich zu einer weitergehenden Information der Öffentlichkeit verpflichtet. Dies betrifft die Betriebsprozesse und mögliche Gefahren sowie Verhaltensregeln für den Störfall und die Freisetzung gefährlicher Stoffe. Informiert werden müssen „alle Personen und alle Einrichtungen mit Publikumsverkehr, wie öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, einschließlich Schulen und Krankenhäuser, sowie benachbarte Betriebe, die von einem Störfall betroffen sein könnten“.

In den großen Firmengebäuden ist auch ein Labor untergebracht, in dem die angelieferten und aufbereiteten Stoffe analysiert werden.
In den großen Firmengebäuden ist auch ein Labor untergebracht, in dem die angelieferten und aufbereiteten Stoffe analysiert werden. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Die schriftliche Information muss jederzeit zugänglich sein, etwa in elektronischer Form über die Firmenhomepage. Zudem muss sie, sollten sich keine störfallrelevanten Änderungen ergeben haben, spätestens alle fünf Jahre aktiv „in einer auf die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Adressatengruppe abgestimmten Weise“ (Anschreiben, Infoflyer) erfolgen. „Eine solche schriftliche Information jemals von MineralPlus erhalten zu haben, daran können wir uns nicht erinnern. Und alle, bei denen wir nachgefragt haben, darunter Holzland Hegener, auch nicht“, so die besorgten Anlieger.

Eine Störfall-Infobroschüre kann via Internet bei MineralPlus heruntergeladen werden

Auf ihrer Homepage hält MineralPlus alle geforderten Informationen vor. Im Downloadbereich kann eine Störfall-Infobroschüre angesehen und heruntergeladen werden. Auch TÜV-Zertifikate sind dort für den Entsorgungsfachbetrieb zu finden, die belegen, dass die DIN-Vorschriften auch beim Umgang mit gefährlichen Stoffen angewandt werden. Das betrifft einen großen Abfall-Cocktail, darunter toxische Stoffe in Rost- und Kesselaschen, Schlacken und Kesselstaub, in Filterstäuben, Baustoffen oder Baggergut und in Pyrolyseabfällen. Das Unternehmen informiert hier auch, dass die letzte Vor-Ort-Besichtigung durch die Bezirksregierung Münster als Oberer Aufsichtsbehörde am 1. Dezember 2017 stattgefunden hat. „Es wurden keine Mängel festgestellt“, so MineralPlus.