Gladbeck. Schon in der Oberstufe wollte Jonas Schulte-Eickholt Priester werden. Er studierte Theologie. Doch kurz vor der Weihe entscheidet er sich um.
Im Jahr 2018 ließen sich in Nordrhein-Westfalen zehn Neupriester in der katholischen Kirche weihen, im Bistum Essen war es ein einziger. Und seit ein paar Wochen ist klar: Das Bistum Essen hat mit Jonas Schulte-Eickholt für die diesjährige Diakonweihe, der die Weihe zum Priester gefolgt wäre, einen weiteren Kandidaten verloren.
In der Oberstufe lag die Entscheidung für den Priesterberuf noch nahe
„Die Idee, Priester zu werden, kam mir in der Oberstufe“, erzählt Jonas Schulte-Eickholt. „Irgendwann kam der Gedanke: Was machst du mit deinem Leben? - Ich wollte eine sinnvolle Arbeit tun, und da ich aus einer kirchlich geprägten Familie komme und immer viel Jugendarbeit gemacht habe, lag die Entscheidung zum Priesterberuf nahe.“
Nach dem Abitur folgte also ein Theologie- und Geschichtsstudium in Bochum. „Ich wollte nicht sofort ins Priesterseminar, sondern erst einmal das ,normale’ Studentenleben kennenlernen“, so Schulte-Eickholt. „Danach ging es für ein Jahr nach Münster in die Priesterausbildung, und anschließend war ich drei Jahre in Rom.“ Dort verbrachte er viel Zeit mit Menschen aus aller Welt, davon sind ihm besonders die Kontakte mit den Jesuiten in Erinnerung geblieben.
Anfang 2019 bot er um ein Jahr Bedenkzeit bis zur Diakonweihe
Seit Mitte 2018 ist Jonas Schulte-Eickholt in Gladbeck für die Pfarrei Sankt Lamberti im Einsatz. Als Priesteramtsanwärter war er einige Zeit helfende Hand in Gottesdiensten und zu anderen Anlässen, bei denen Priester gebraucht werden. Doch irgendwann spürte er: Irgendwas stimmt so nicht. Im Januar 2019 bat der heute 28-Jährige bei Bischof und Personalabteilung um ein Jahr Bedenkzeit bis zur Diakonweihe, um sich seiner Sache wirklich sicher zu sein – und beendete die Priesterausbildung. „Ich möchte auf die Möglichkeit, eine Familie zu haben, nicht verzichten. Ich will nicht mein ganzes Leben nach Hause kommen und da ist niemand“, erzählt Jonas Schulte-Eickholt, „Mit 28 sieht man die Dinge anders als mit 23. Damals dachte ich, dass ich für die große Priesteraufgabe darauf verzichten könnte.“
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Also stand als Nächstes ein Gespräch mit Propst André Müller an. Der ist stolz auf seinen Schützling: „Ich finde es toll, dass Jonas sich Gedanken gemacht und umentschieden hat und dass er hoch erhobenen Hauptes dahinter steht.“ Auch von Jonas’ Eltern, Geschwistern, Freunden und Bekannten gab es überwiegend positive Reaktionen. „Viele haben gesagt, sie zollen mir großen Respekt für meine Entscheidung – und ich denke immer: Was nützt der Kirche der bestgeeignete Priester, wenn er unglücklich ist?“
Seit Anfang des Jahres macht er in Sankt Lamberti eine Ausbildung zum Pastoralreferenten
Der Kirche und auch Gladbeck wird Jonas Schulte-Eickholt erhalten bleiben: Seit Anfang des Jahres macht er in der Pfarrei Sankt Lamberti eine Ausbildung zum Pastoralreferenten. Denn: „Ich habe gemerkt, dass ich genügend Fähigkeiten in den Kirchendienst einbringen kann, für die ich keine Weihe brauche.“
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Dem gebürtigen Hattinger gefällt es in Gladbeck: „Nach der Zeit in Rom habe ich es genossen, wieder im ,Pott’ zu sein. Die Menschen hier haben mich so freundlich aufgenommen.“ Als angehender Pastoralreferent betreut Jonas Schulte-Eickholt nun die Messdiener in der Pfarrei, feiert Wortgottesdienste, bereitet Gottesdienste und Sakramente vor. Taufen oder Paare trauen darf er als Pastoralreferent nicht, Ansprachen halten zum Beispiel aber schon. Während er das alles erzählt, wirkt er entspannt. „Als ich die Entscheidung gegen den Priesterberuf getroffen hatte, war das eine richtige Befreiung. Es haben sich ganz neue Möglichkeiten eröffnet, die ich für mich schon lange verworfen hatte.“
Priesterausbildung
Die Priesterausbildung dauert etwa zehn Jahre. Nach dem Theologiestudium folgt die Seminaristenausbildung im Priesterseminar.
Nach einem praktischen Jahr und dem Pastoralkurs wird der Seminarist zum Diakon geweiht, ein Jahr später zum Priester.
Was sagt jemand, der seinen einstigen Traumberuf zugunsten von Liebe und Familie aufgegeben hat, zur Zukunft der Kirche? „Ich kenne gute Leute, die gern Priester geworden wären“, sagt Jonas Schulte-Eickholt, „aber für sie wäre der Verzicht auf eine eigene Familie nicht infrage gekommen.“ Er räumt ein: „Es käme keine Priesterschwemme, wenn es den Zölibat nicht gäbe, aber: Kann die Kirche auf engagierte, offene und begeisterte Menschen verzichten? Ich wünsche mir, sie würde mit der Zeit gehen und sich den Menschen öffnen.“