Gladbeck. Zum 100. Stadtgeburtstag haben einige Gladbecker Erinnerungen aufgeschrieben. Nun erscheint das Buch „Lebensgeschichte ist Stadtgeschichte“.
„Ich bin ein Vierteljahrhundert Gladbeck. Und ich liebe diese Stadt“, schreibt Duygu Söyler. Genau erinnert sie sich noch an ein Appeltatenfest, das sie als Kind besuchte, plötzlich in der Menge verloren ging, über Lautsprecher gesucht und kurz darauf gefunden wurde. Da hatte sie zum ersten Mal das Gefühl: „In Gladbeck kann mir nichts passieren.“ Seitdem aber sei viel passiert. Nazi-Schmierereien auf Stromkästen, Sprüche wie „Du gehörst hier nicht her“, Nazidemos vor dem Rathaus. All das zeige: Gladbeck ist nicht nazifrei. „Und diese Einsicht tut weh. Weil ich ein Vierteljahrhundert Gladbeck bin.“
Duygu Söyler ist eine der Gladbeckerinnen, die sich Gedanken gemacht und zu Papier gebracht hat. Aus all diesen Geschichten ist ein Buch entstanden: „Lebensgeschichte ist Stadtgeschichte. Eine Anthologie mit Texten Gladbecker Bürger“. Die Gladbecker Leonhard Föcher und Martin Schnell initiierten das Schreibprojekt anlässlich des 100. Stadtgeburtstages.
63 Geschichten finden sich in dem Buch
Von der Idee bis zum fertigen Buch sind 16 Monate vergangen – 16 Monate, in denen viele Zeilen geschrieben wurden, 16 Monate, in denen schließlich 63 Geschichten entstanden sind, die es in das Buch geschafft haben. Manch ein Autor schrieb gleich zwei oder auch drei Texte.
Premierenlesung am 10. Dezember
Das Literaturbüro Ruhr lädt am Dienstag, 10. Dezember, zu einer Premierenlesung ein. Dabei werden das Buch und die vielen Geschichten präsentiert. Beginn ist um 20 Uhr in der Stadtbücherei an der Friedrich-Ebert-Straße.
Die Schauspieler Nina Petri und Patrick Joswig lesen Auszüge aus dem Buch vor, WDR-Moderator Stefan Keim führt durch den Abend. Der Eintritt ist frei.
„Die Texte sind ganz unterschiedlich“, sagt Leonhard Föcher. So sind in den vergangenen Monaten „ganz viele tolle Geschichten“ entstanden. „Manche sind sehr biografisch, da werden ganze Lebensgeschichten erzählt“, so Föcher. Jede Geschichte habe ihre Berechtigung. Am meisten aber habe ihn der Text von Walter Hüßhoff begeistert. Der stadtbekannte ehemalige Bergmann erzählt darin von seinen Erfahrungen unter Tage und vom Zusammenhalt der Kumpel.
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„Am Anfang war es recht schwierig, Menschen für das Projekt zu motivieren“, erinnert sich Föcher. Dann sei die Idee einer Schreibwerkstatt aufgekommen, an der sich mehrere beteiligten. Ein Großteil der Geschichten aber entstand nach einer Lesung, bei der einige der bis dahin fertigen Erzählungen vorgetragen wurden. „Das hat noch einmal Aufmerksamkeit erregt.“
Eine Schreibwerkstatt gab es auch an der Werner-von-Siemens-Realschule
Auch an der Werner-von-Siemens-Realschule hatte Föcher auf Initiative eines Lehrers eine Schreibwerkstatt angeboten. Weit über 30 Schüler nahmen teil, sieben der Geschichten finden sich in dem Buch wieder.
Leonhard Föcher ist zufrieden mit der Resonanz auf sein Schreib-Projekt. Aber: „Wir haben uns erhofft, dass mehr Migranten und Flüchtlinge, die 2015 nach Gladbeck kamen, teilnehmen.“ In Gesprächen habe er den Eindruck gewonnen, dass bei vielen „eine gewisse Angst aufgrund ihren Erfahrungen in der Heimat“ eine Rolle spielte.
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Die vielen Geschichten unterteilten die Buch-Macher in verschiedene Kategorien: Ankommen, Arbeit, Alltag, Begegnungen, Befindlichkeiten. „Die einzelnen Texte haben einen Schwerpunkt, und wir mussten eine Form finden, sie zu sortieren.“ Der älteste Schreiber ist 96 Jahre, der jüngste zwölf. Und so umfassen auch die Erinnerungen eine große Bandbreite. „Die Texte umspannen eine Zeit von 1894 bis heute“, sagt Leonhard Föcher und denkt an eine Geschichte, die von einer Dienstmagd erzählt, die 1894 nach Gladbeck kam. Aber auch die Erzählweise kennt verschiedene Formen, und so sind auch Gedichte dabei.
Das Buch „Lebensgeschichte ist Stadtgeschichte“ kostet 18,90 Euro und ist ab kommenden Donnerstag erhältlich, etwa in der Mayerschen Buchhandlung sowie direkt beim Ruhrstadt-Verlag. Dort ist das Buch per Mail bestellbar: info@ruhrstadt-verlag.de