Gladbeck. Die Frauenberatungsstelle feiert 35-Jähriges und blickt auf eine ereignisreiche Entwicklung zurück. An ihrem Ziel sind die Frauen noch nicht.

Mit einem Anrufbeantworter fing alles an. In ihrer Wohnung hatte eine Frau einen Notruf eingerichtet, der Tag und Nacht geschaltet war. Ziel der Bewegung, die sich damals im Verein „Notruf. Frauen helfen Frauen Gladbeck“ organisierte, war die Ächtung der Gewalt gegen Frauen. So fuhren sie auch mitten in der Nacht los, um eine Frau aus ihrem Zuhause zu holen. Ein Zuhause, das eigentlich Schutz bieten sollte, aber durch einen gewalttätigen Partner zerstört wurde.

In diesem Monat feiert die Frauenberatungsstelle 35-jähriges Bestehen. „Wir sind immer noch auf dem Weg zu unserem Ziel“, sagt Marianne Wüstefeld. Sie war eine Frau der ersten Stunde. „Das erste Jahrzehnt war ziemlich heftig. Es ist viel passiert und aufgebaut worden“, erinnert sie sich. Das war auch nötig, denn: „Gewalt in der Familie war ein Tabu-Thema. Noch mehr als heute.“

Erstes großes Projekt waren Notrufsäulen

Ein erstes großes Projekt, das die Mitglieder der Frauenberatungsstelle umsetzten, war, dass es ihnen gelang, die Polizei davon zu überzeugen, Notrufsäulen in den Gladbecker Fußgängertunneln zu installieren. Dort war es zuvor vermehrt zu Übergriffen gekommen.

Im Laufe der darauffolgenden Jahre stieg die Zahl der Frauen, die bei der Beratungsstelle Hilfe suchten nach und nach. Waren es im ersten Jahr nach der Vereinsgründung 30 Frauen, sind es heute jährlich rund 300 bis 350 Frauen.

Bei ihren nächtlichen Aktionen stießen die Frauen auch auf Hürden. „Die größte Schwierigkeit war, die Polizei dazu zu bekommen, uns zu begleiten“, erinnert sich Wüstefeld und berichtet von einem Fall, bei dem sie nur Unterstützung von Beamten bekam, da ein Mann, der seine Frau bedrohte, mit einer Pistole bewaffnet war. „Nur aus diesem Grund kam die Polizei dann mit.“ Oft, so ist sie sich sicher, begaben sich auch sie und ihre Mitstreiterinnen in Gefahr.

Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt

Heute ist die Situation anders. Heute arbeitet die Frauenberatungsstelle mit Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendamt eng zusammen. „Dazu brauchte es einen Anstoß. Der kam durch das Gewaltschutzgesetz.“ 2002 trat es in Kraft. Das Motto: „Wer schlägt, der geht.“ Die Polizei kann so den Täter vorerst aus der Wohnung verweisen und informiert dann auch die Beratungsstelle, die den Frauen Unterstützung bietet.

Besonder stolz ist die Beratungsstelle, dass das Gewaltschutzgesetz auch auf eine Studie zurückgeht, die eine Kollegin vor Ort 1988 für das Bundesministerium für Frauen machte. Darin sollte untersucht werden, inwieweit ein Projekt aus den USA, das unter anderem auch die strafrechtliche Verfolgung von häuslicher Gewalt vorsah, auch auf Deutschland übertragbar sei.

Marianne Wüstenfeld ist Frau der ersten Stunde bei der Frauenberatungsstelle.
Marianne Wüstenfeld ist Frau der ersten Stunde bei der Frauenberatungsstelle. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Männer haben keinen Zutritt zu den Räumen an der Grabenstraße

Die Beratungsstelle mit Sitz an der Grabenstraße ist ein Schutzraum nur für Frauen. „Noch nicht einmal der Postbote darf herein, wenn wir gerade Beratungszeit haben“, sagt Mitarbeiterin Miriam Schmikowski. Denn das Vertrauen der Betroffenen nach einer Gewalterfahrung fehlt. „In der Regel ist es der Lebenspartner, der gewalttätig wird. Also die vertrauteste Person und gerade das macht es für die Frauen so schwierig.“ Vielen fällt daher auch die Trennung schwer. „Im Schnitt dauert es sieben Jahre, bis sich eine Frau aus einer Gewaltbeziehung trennt“, weiß Schmikowski. Und gerade die Zeit der Trennung sei die gefährlichste. Denn wenn die Frau sich wagt, sich zu trennen, reagieren manche Männer heftig. „In NRW stirbt alle 14 Tage eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt. Wir haben hier auch schon Fälle erlebt“, erzählt Mitarbeiterin Susanne Dillner. Betroffen von häuslicher Gewalt sind alle Schichten, alle Altersgruppen und alle Nationalitäten.

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Trotz allem: Die Finanzierung der Frauenberatungsstelle ist nur unzureichend. „Uns fehlen jährlich 15.000 Euro. Wir sind komplett projektgefördert“, erzählt Schmikowski. „Alle wissen wir werden gebraucht, aber wir werden nicht ausreichend politisch gewertschätzt“, kritisiert sie.

Den 35. Geburtstag feiert die Beratungsstelle mit einem „Markt für Frauen“. Er findet am 27. September von 15 bis 20 Uhr auf dem Rathausplatz statt. Frauen können dort Selbstgemachtes anbieten. Wer Interesse an einem Marktstand hat, kann sich melden unter .