Gladbeck. Das Jugendamt hat 2018 122 Mal überprüft, ob Gefahr für ein Kindeswohl besteht. In einigen Fällen werden Kinder aus der Familie genommen.
Immer mehr Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung werden Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen gemeldet. Auch wenn die Zahl der Fälle in Gladbeck entgegen des Landestrends etwas rückläufig ist: Jeder Fall ist einer zu viel. Im vergangenen Jahr sind der Stadtverwaltung 122 Fälle gemeldet worden. Das teilte die Verwaltung auf WAZ-Anfrage mit. Ein Jahr zuvor waren es noch 150 Meldungen, 2016 134 Meldungen. „Die Entwicklung unterliegt ständigen Schwankungen“, so Christine Hellebrand, Leiterin des Jugendamts.
Unterschieden wird zwischen akuter und latenter Gefährdung. Von einer akuten Gefährdung spricht man, wenn Leib und Leben des Kindes unmittelbarer Gefahr ausgesetzt sind. Dazu zählen etwa körperliche Misshandlungen, sexueller Missbrauch und fehlende Lebensmittel. „Eine akute Gefährdung liegt aber auch dann vor, wenn Medikamente, Zigaretten oder andere giftige Stoffe den Kindern frei zugänglich sind. Oder wenn der Zustand der Wohnung so desolat ist, dass Kinder etwa durch offene Stromkabel in ihrer Reichweite oder ähnlichen Gefahren ausgesetzt sind“, erklärt Christine Hellebrand. Latent gefährdet sind Kinder etwa dann, wenn sie emotional vernachlässigt werden.
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Ein Kind aus der Familie zu nehmen, ist eine traumatische Erfahrung
Aus der Familie genommen werden die Kinder bei einer akuten Gefährdung. Egal wie schlecht es dem Kind in seiner Situation gehe: „Es aus der Familie zu nehmen, ist immer eine traumatische Erfahrung“, weiß die Jugendamtsleiterin. Bei Gefahr in Verzug entscheidet das Amtsgericht, ob das Kind für kurze Zeit in Obhut genommen wird, oder etwa in einem Kinderheim oder einer Pflegefamilie untergebracht werden muss.
Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung kommen sowohl von Ärzten, der Schule oder der Kita als auch von Freunden und Verwandten der Betroffenen. „Es scheint mir, dass die Menschen heute aufmerksamer im Umfeld sind und sich eher an die Behörden wenden“, beobachtet Christine Hellebrand. Es gebe aber auch diejenigen, die von sich aus Unterstützung beim Jugendamt suchten.
Landesweit stieg die Zahl der Fälle
Landesweit gab es im vergangenen Jahr deutlich mehr Einschätzungen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung.
In 43.375 Fällen haben die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen im Rahmen ihres Schutzauftrags geprüft. Das waren 9,9 Prozent mehr als noch im Jahr 2017 (39.478). Die Zahlen hat das statistische Landesamt ermittelt.
37,8 Prozent der Kinder, bei denen landesweit eine akute Kindeswohlgefährdung festgestellt wurde, waren zwischen zehn und 17 Jahren alt. Fast jedes vierte Kind (24,6 Prozent) war jünger als drei Jahre.
Jugendamtsmitarbeiter werden auch selbst auf die Fälle aufmerksam
Hauptaufgabe der Jugendhilfe ist nicht nur, in akuter Gefahr einzugreifen, sondern Kinder, Jugendliche und auch die Erziehungsberechtigten in ihrer Entwicklung zu unterstützen. „Die Präventionsarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Jugendarbeit“, betont die Leiterin des Amts für Jugend und Familie. Auch in der beratenden Arbeit stoßen die Jugendamtsmitarbeiter so auf Gefährdungslagen der Kinder.
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Jede Meldung, die beim Jugendamt ankomme, werde geprüft. Bei akuter Gefährdung greift das Jugendamt sofort ein, zwei Mitarbeiter suchen das betroffene Kind dann auf. Das kann zu Hause oder aber auch etwa in der Schule oder im Kindergarten sein, je nachdem, woher die Meldung kommt. Dabei arbeitet das Jugendamt auch eng mit der Polizei zusammen. „Ergeben sich im Rahmen der Falleinschätzung Hinweise auf Gewaltbereitschaft etwa der Eltern, unterstützt die Polizei unsere Hausbesuche“, sagt Hellebrand.
Die Arbeit kann auch für die Mitarbeiter des Jugendamts zur Belastung werden. „Es ist wichtig, sich abzugrenzen und die Eindrücke zu verarbeiten“, so Hellebrand. Denn nicht selten gehe der Blick des Jugendamts in menschliche Abgründe.