Gladbeck. 1734 wurde Möbelkünstler Johann Heinrich Riesener geboren. 1797 begann der Bau der Zwiebelturm-Kirche. 1802 endete die kurkölnische Herrschaft.
1734 wurde einer der größten Söhne Gladbecks geboren: Johann Heinrich Riesener erblickte am 11. Juli des Jahres als zweiter Sohn der Eheleute Johann Herman Riesener und seiner Frau Margaretha, geb. Brahms, das Licht der Welt. Dass ihm eine der außergewöhnlichsten Lebensgeschichten jener Zeit bevorstand, konnte niemand ahnen.
Die Familie lebte auf einem kleinen Kotten in der Nähe der Lambertikirche. Etwa dort, wo heute der Oberhof ist. Zusätzlich zu seiner bäuerlichen Arbeit verdingte sich Vater Riesener als Stuhldrechsler. Ein weiteres Zubrot verdiente er sich als „Amtsfron“ der Erzbischöflichen Kanzlei des Kölner Fürstbischofs in Gladbeck, das damals rund 1800 Seelen zählte. Der Amtsfron war eine Art unterstes Organ der landesherrschaftlichen Verwaltung. Riesener war zuständig für Botendienste und die Vollstreckung von Gerichtsurteilen.
Johann Heinrich Riesener stellte Möbel für König Ludwig XVI. her
Schon 1755 verließ Sohn Johann Heinrich Riesener, der sich offenbar handwerkliche Fähigkeiten durch die Stuhldrechselei seines Vaters angeeignet hatte, auf Grund der damaligen Not den elterlichen Kotten. Er wanderte nach Frankreich aus, machte sein Glück in Paris. Wie er dort hingelangte, ist bis heute unklar. In Paris gelang es ihm auf jeden Fall, in die Werkstatt des Möbelherstellers Jean-Francois Oebens einzutreten, der auch Hoflieferant war. Nach dem Tod Oebens 1767 heiratete Riesener dessen Witwe, machte seinen Meister und übernahm die Werkstatt.
Er vollendete den noch von seinem Lehrmeister begonnnen Schreibtisch für König Ludwig XV. und versah in mit seinem Namen. 1774 wurde er – nach der Thronbesteigung Ludwigs XVI. – offiziell Hofmöbelkünstler und „Ebenist der Krone“ (Hersteller furnierten Mobiliars). Als Folge der französischen Revolution ebbten die Aufträge für Riesener ab. 1801 schloss er die Werkstatt. Am 6. Januar 1806 starb Riesener zurückgezogen in einem Pariser Wohnviertel, in dem viele alte Handwerksmeister zu Hause waren.
Neubau der Lambertikirche stürzt wegen Schlamperei am Bau ein
Apropos französische Revolution: Die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft in Frankreich hatte sich bis ins Vest Recklinghausen herumgesprochen. Mehr und mehr verrichteten die Bauern die Jahrhunderte alten Hand- und Spanndienste zur Unzufriedenheit der Grundherren. Auch in Gladbeck kam es zu Konflikten – etwa beim Bau der neuen Lambertikirche, die die – wahrscheinlich seit 1223 existierende – kleine dreischiffige Kirche im romanischen Stil ersetzen sollte.
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1797 begann der Bau. Rund 2300 Bewohner zählte Gladbeck damals in Dorf und Kirchspiel. Es kam zu einer Anhäufung von nachlässig oder gar nicht ausgeführten Spann- und Hilfsdiensten der Bauern. Offenbar, so heißt es, bestand keine große Lust, ohne Bezahlung Frondienste zu leisten. Hinzu kamen wirtschaftliche Nöte der Bevölkerung, die für derartige unbezahlte Tätigkeiten einfach gar keine Zeit hatten. Folge: 1799 stürzte der bereits vollständig fertig gestellte Turm mit verschiefertem Zwiebel-Turmhelm auf Grund schlecht ausgeführter Arbeiten wieder ein. Die Fertigstellung der neuen Kirche dauerte bis 1804, die Kosten stiegen auf 25.000 Taler.
1721 startete im Dorf eine neue Schule
Bereits 1721 hatte die Kirchengemeinde unter Pfarrer Bernhard Decker eine neue Schule gebaut. Sie entstand direkt neben der Kirche und war eines der wenigen Häuser mit Dachpfannen – die meisten Häuser im Dorf waren strohgedeckt. Die einklassige Schule wurde bis 1824 genutzt, danach zog das Armenhaus dort ein, das es zuvor an anderer Stelle gegeben hatte und in dem im Jahr 1777 immerhin 27 Personen lebten. 1890 wurde es abgerissen. Bereits 1745 wurde unter Pfarrer Henricus Kocks ein neues Pfarrhaus gebaut.
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Die Gladbecker arbeiteten bis weit ins 18. Jahrhundert auf ihren Höfen und Kotten und lebten von Ackerbau und Viehzucht. Handwerksarbeiten dienten lediglich der Sicherstellung der bäuerlichen Arbeit – dem Anfertigen von Handwerksgeräten und ähnlichem sowie deren Reparatur. Ende des Jahrhunderts hatte sich dies geändert, eine ganze Schar Handwerker lebte inzwischen von ihren Fertigkeiten – etwa der Schmied, Schnieder, Schuster oder Leinenweber.
1802 begann für Gladbeck und das Vest eine neue Zeit
1797 hätte sich dieses Bild ändern können: Der Wuppertaler Fabrikant Lichtinghagen wollte in Gladbeck ein weiteres Baumwoll-Spinnwerk errichten, bekam auch die Erlaubnis des Landesherrn. Allerdings scheiterte das Projekt, da Lichtinghagen keine Arbeiter für sein Werk finden konnte. Die alte (agrarische) Welt war in Gladbeck offenbar noch in Ordnung.
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Im November 1802 begann für Gladbeck und das ganze Vest Recklinghausen eine neue Zeit: Nach über 600 Jahren unter kurkölnischer Herrschaft und Auflösung des geistlichen Fürstentums Köln, kam die Region am Ende der napoleonischen Kriege unter die Herrschaft des Herzogs von Arenberg – als Ersatz für Gebietsverluste, die er westlich des Rheins hinnehmen musste und die an die Franzosen gingen. Offiziell besiegelt wurde die Gebietsveränderungen und die Abschaffung kirchlicher Landeshoheiten durch den berühmten Reichsdeputationshauptschluss im Februar 1803, der in der Folge viele Veränderungen für die Menschen im Vest und somit auch in Gladbeck bringen sollte.
Wittringer Ritter hatten Privilegien
Anfang des 18. Jahrhunderts war Haus Wittringen im Besitz des Freiherrn Friedrich von Vittinghof-Schell. Seine Familie hat das Rittergut aber selten bewohnt. Im Herrenhaus wohnten später der Rentmeister und Förster.
Der Grundbesitz betrug zuletzt 435 Morgen, fast zur Hälfte Wald. Viele Bauern und Kötter waren gegenüber vom Haus Wittringen abhängig. Sie entrichteten Abgaben und mussten an bestimmten Tagen auf der Burg Hand- und Spanndienste leisten.
Zum Haus Wittringen gehörten Privilegien: Bis 1802 waren alle Ritter im Vest Recklinghausen steuerfrei und nahmen am vestischen Landtag teil. Sie hatten das volle Jagdrecht und durften Jagderlaubnisscheine ausstellen.
Als Mitpatrone gehörten die Aufsitzer in Wittringen dem Kirchenvorstand an und hatten auf dem Chor der Lambertikirche reservierte Plätze.