Gladbeck. Viele Fragen zum Thema Organspende hatten Besucher des WAZ-Medizinforums an Chefarzt Dr. Oelmann und Schwester Ute Jensch vom Barbara-Hospital.
Die Zahlen sind alarmierend: In Nordrhein-Westfalen warten derzeit 2000 Patienten auf eine Organspende. Dieser Zahl stehen 163 Spender gegenüber, die im vergangenen Jahr ein Organ gespendet haben. „Das ist ein hochsensibles Thema“, sagte Dr. Heinz-Dieter Oelmann, Ärztlicher Direktor, Chefarzt der Neurologie und Transplantationsbeauftragter am St. Barbara-Hospital in Gladbeck, wo am Mittwoch das erste WAZ-Medizinforum in Kooperation mit dem Krankenhaus in Trägerschaft der St. Augustinus GmbH stattfand.
Gut 35 Interessierte waren gekommen, um sich über das Thema zu informieren und ihre Fragen zu stellen. Referentin neben Dr. Oelmann war Krankenschwester Ute Jensch, die vor drei Jahren selbst eine Leberspende erhalten hat. Sie berichtete eindrucksvoll über ihre Erfahrungen. Schirmherr der Veranstaltung war Bürgermeister Ulrich Roland, der zugab „gerade erst“ einen Organspendeausweis unterschrieben zu haben. Maria Lüning, Leiterin der WAZ-Lokalredaktion in Gladbeck, die den Abend moderierte, berichtete, dass es ihr Sohn gewesen sei, der sie darauf angesprochen habe, und gab die Frage, ob es vielleicht jüngeren Menschen leichter falle, über die Thematik zu sprechen, an den Mediziner weiter. Die Menschen beschäftigten sich allgemein „ungern“ mit den Fragen um den eigenen Tod, erklärte dieser und rief den Zuhörern zu: „Wenn es eine Möglichkeit gibt, den Tod weniger sinnlos erscheinen zu lassen, dann ist es die, einem anderen Menschen zu helfen“.
Deutschland ist Schlusslicht in der Spenderskala
Ein Faktum, das nachdenklich stimmt: Deutschland bildet unter den acht Ländern, die sich zu Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für Organspenden, zusammengeschlossen haben, das Schlusslicht in der Spenderskala. Oelmann wollte für eine stärkere Bereitschaft zur Organspende werben und schilderte detailliert die komplexen Abläufe, die mit dem Tod eines Menschen und der Frage nach einer Organspende einhergehen. Das Thema Hirntod, oder „irreversibler Hirnfunktionsausfall“, wie es laut Deutschem Ethikrat korrekt heißen soll, löste erste Diskussionen seitens der Zuhörer aus, die Zweifel an der klinischen Definition dieses Begriffes deutlich machten. „Der Tod ist uns im Alltag fremd geworden“, führte Heinz-Dieter Oelmann als einen der Gründe an, die zu - wie er sagte – „irrationalen Ängsten“ führten.
Organspenden sind unabhängig vom Alter des Menschen
Organspenden sind unabhängig vom Alter des Menschen möglich, klärte Dr. Oelmann auf Nachfrage aus dem Publikum auf. Ein Ausschlusskriterium allerdings seien in der Regel vorherige Krebserkrankungen.
Für weiterführende Informationen empfiehlt der Chefarzt folgende Adressen:Eurotransplant: www.eurotransplant.org, Deutsche Stiftung Organspende: www.dso.deDeutscher Ethikrat: www.ethikrat.org
Die zunehmende Technisierung der Medizin sei ein weiteres Indiz. „Die Ängste müssen wir ernst nehmen“, so der Mediziner, „aber am besten können wir ihnen begegnen, wenn wir darüber sprechen.“ Er plädierte dafür, im Familien- und Verwandtenkreis das Thema rechtzeitig zu behandeln, „denn der Wille des Verstorbenen hat immer Vorrang“. So werde es auch für die Angehörigen leichter, wenn sie eine Entscheidung treffen müssen.
Ein Spenderorgan rettete das Leben der dreifachen Mutter
Ute Jensch (50), Krankenschwester am St. Barbara Hospital, und dreifache Mutter, schilderte den Verlauf ihrer Lebererkrankung, bis ihr vor drei Jahren ein Spenderorgan das Leben rettete. „Heute geht es mir wieder gut, ich bin glücklich und dankbar, dass da ein Mensch war, der mir sein Organ gegeben hat“, bekannte sie. Maria Lüning wies abschließend auf die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis hin: „80 Prozent der Menschen, die in Deutschland befragt wurden, äußerten sich positiv zur Organspende, aber nur 36 Prozent haben einen Ausweis.“ Heinz-Dieter Oelmann fügte an: „Wenn es mir heute gelungen ist, ein Stück Vertrauen in unser Handeln zurück zu gewinnen, dann habe ich viel erreicht.“