Gladbeck. Zahlungsmoral und Zahlungsfähigkeit – wie es darum bei den Gladbeckern bestellt ist, wissen Jürgen Schulz, Christof Boh und Rolf Schittek ziemlich genau; sie haben mit den Menschen zu tun, die Schulden bei der Stadt haben.

Schulz ist Leiter der Stadtkasse, Boh leitet die Vollstreckungsstelle und Schittek ist der Mann „vor Ort”, er ist Vollziehungsbeamter. Alle sagen übereinstimmend: „Es ist schwieriger geworden.”

Ende 2008 gab es fast 6,7 Millionen Euro offene Forderungen der Stadt an ihre Bürger, wurden rund 11 000 Mahnungen an säumige Schuldner auf den Weg gebracht. Jetzt, kurz vor dem Ende 2009, sagt Jürgen Schulz: „In diesem Jahr bewegt sich das in der gleichen Größenordnung.”

Die Entwicklung sei ein Indiz für die schwierigere wirtschaftliche Lage, in der sich viele Gladbecker befänden, erklärt Christof Boh. Viele lebten von Hartz IV, bei manchen sei am Ende auch gar nichts mehr einzutreiben. „Werden bestimmte Einkommensgrenzen unterschritten, gibt es nichts Verwertbares mehr in der Wohnung, gelten sie am Ende als unpfändbar. Und das ist immer häufiger der Fall.”

Das Verfahren ist – zumindest am Anfang – automatisiert. Der Computer hält nach, wer wieviel zu zahlen hat und produziert 20 Tage nach der Fälligkeit automatisch Mahnungen. Reagiert der Schuldner nicht, geht nach vier bis sechs Wochen der Vollstreckungsauftrag raus an die Vollziehungsbeamten. Bis dann Rolf Schittek, seine zwei Kollegen und eine Kollegin tatsächlich tätig werden, dauert es allerdings noch sechs bis neun Monate.

Das Quartett nimmt dann zunächst Kontakt auf, stellt fest, ob und was zu pfänden ist. Wird mit der Pfändung des Autos gedroht, zahlen die Schuldner in den allermeisten Fällen sehr schnell. Eine Parkkralle am Auto oder alternativ einen so genannten Ventilwächter – das will keiner.

Diese Ventilwächter erfüllen die gleiche Funktion, sind aber viel einfacher zu handhaben und deshalb von der Stadt bevorzugt. Sie werden einfach aufs Ventil des Autoreifens geschraubt und bewirken, dass nach rund 100 Metern die Luft 'raus ist – falls der Schuldner die deutliche, knallgelbe Warnung an der Autoscheibe und das Pfandsiegel, den „Kuckuck” ignorieren sollte. Ist dieses Verfahren erst einmal in Gang, geht's zügig. „Wenn das Pfand nicht innerhalb von drei Tagen ausgelöst ist, wird abgeschleppt”, erläutert Christof Boh. „Nach weiteren 14 Tagen wird versteigert.”

Wenn irgend möglich, suchen die städtischen Vollziehungsbeamten allerdings Härten zu vermeiden. „Oft übernehmen sie fast die Funktion eines Sozialarbeiters”, sagt Boh. „Es ist Fingerspitzengefühl gefragt, die Balance zwischen der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zu finden und der Situation, wie sie sich dann am Ort tatsächlich darstellt.” Häufig werden deshalb Ratenzahlungen vereinbart.

Den Leuten wird es zu leicht gemacht, Schulden aufzuhäufen”, meint Jürgen Schulz. „Wer früher einen Offenbarungseid – heute eine eidesstattliche Versichung – abgelegt hat, der bekam keinen Kredit mehr. Heute ist das anders.” Jederzeit könne man auf Pump kaufen und deshalb schrecke die eidesstattliche Erklärung auch kaum mehr.

„Schon erschreckend, wie sehr man Schulden ansammeln kann”, findet auch Christof Boh, dessen Abteilung auch über Insolvenzverfahren informiert wird, um gegebenfalls Forderungen der Stadt geltend zu machen. Auch diese Fälle, sagt er, häuften sich immer mehr.