Gladbeck. . Mehr als 24 Jahre hat Dietrich Pollmann die Volkshochschule in Gladbeck geleitet. Seine Programme spiegelten stets aktuelle Entwicklungen.
„Wir erwarten von ihm keine Wunder, aber das gute Niveau soll gehalten, nach Möglichkeit verbessert werden.“ Das sagte der damalige Kulturdezernent Dr. Wolfgang Andriske, als er Anfang November 1994 den neuen Leiter der Volkshochschule vorstellte. Wunder hat Dietrich Pollmann sicher nicht vollbracht, aber wenn er Ende dieses Monats, 24 Jahre und sieben Monate später, in den Ruhestand geht, hat er eine ganze Menge bewegt bei der Gladbecker VHS .
Niveauvolle kulturelle Veranstaltungen und prominente Referenten
Klar, es gibt noch die klassischen Sprach- und EDV-Kurse, Angebote zur Gesundheitsvorsorge und zu kreativem Gestalten, aber besonders wichtig waren Dietrich Pollmann immer „die Kerzen auf dem Kuchen“ – niveauvolle kulturelle Veranstaltungen und prominente Referenten. In seinem ersten Jahr in Gladbeck war eine solche „Kerze“ zum Beispiel Carmen Thomas mit ihrem Ü-Wagen vom WDR und dem damals hochaktuellen Thema „Ein ganz besonderer Saft – Urin“, eine weitere der ZDF-Journalist Rudolf Radke mit seinem Vortrag „Der Islam zwischen Aggression und Toleranz“. Der spätere Bundespräsident Joachim Gauck war Gast der VHS in Gladbeck, Thomas de Maizière, Christine Westermann . . .
Im Programm für das zweite Semester 2019, dem letzten, das Pollmann mit seinem Team erarbeitet hat, gehören zu den „Kerzen“ zum Beispiel der Journalist, Historiker und Autor Guido Knopp zum Thema „30 Jahre Wiedervereinigung“ und der Islam-Experte Ahmad Mansour mit seinem Buch „Klartext zur Integration“.
Integrations- und Sprachkurse machen über 50 Prozent aller VHS-Angebote aus
Dass es Dietrich Pollmann über all die Jahre gelungen ist, solche „Hochkaräter“ nach Gladbeck zu holen, verdankt er auch seiner guten Vernetzung weit über die Stadtgrenzen hinaus: Er war u. a. Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaften der Volkshochschulen im Regierungsbezirk Münster“, lange Jahre Vorstandsmitglied im „Landesverband der Volkshochschulen in NRW“ und Vertreter für NRW im „Mitgliederrat des Deutschen Volkshochschulverbandes“.
Nicht nur bei der Auswahl der Referenten und der Themen hat Dietrich Pollmann sein Talent bewiesen, mit „seiner“ VHS auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Das hat er zum Beispiel auch gezeigt, als 2015 unerwartet viele Flüchtlinge auch nach Gladbeck kamen: Deutschunterricht für Ausländer gibt es bei der VHS schon seit den 50er Jahren, mittlerweile aber machen solche Integrations- und Sprachkurse im Stundenvolumen mehr als 50 Prozent aller VHS-Angebote aus.
Mehr Kurse für funktionale Analphabeten sind ihm wichtig
Pollmann: „Wir müssen uns den gesellschaftlichen Herausforderungen stellen, und wir tun das gerne.“ Bliebe er noch ein paar Jahre im Amt, stünden sicher mehr Kurse für funktionale Analphabeten im VHS-Programm. Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie hat ihn aufgeschreckt: Sechs Millionen Menschen in Deutschland können nicht oder kaum lesen und schreiben. Pollmann: „Was wir dagegen bisher tun können, reicht nicht aus. Da braucht es einen ähnlichen Kraftakt und verpflichtende Kurse wie bei den Migranten.“
Mit seiner Frau hat er bereits Reisepläne geschmiedet
Sein Thema wird das nun, zumindest beruflich, nicht mehr sein. Ende des Monats beginnt der neue Lebensabschnitt, „den ich mit ebenso viel Elan angehen werde“. Mit seiner Frau hat er Reisepläne geschmiedet. Sie nehmen an einer Studienreise nach Isreal teil und fahren mit dem Reisemobil nach Schweden. Auf’s Rad will er künftig auch häufiger steigen als bisher.
In Gladbeck wird man Dietrich Pollmann, der in Schermbeck wohnt, auch künftig sehen. Er ist Vorstandsmitglied im Lions Club und im Verein für Orts- und Heimatkunde. Auch der VHS hält er die Treue, als Leiter von Betriebsbesichtigungen und Erkundungstouren im Ruhrgebiet. Und etliche Veranstaltungen im Programmheft für das zweite Halbjahr 2019 begeistern ihn selbst so sehr, „dass sie schon fest in meinem Terminkalender stehen“.
Auch nebenberuflich ist er sehr engagiert
Dietrich Pollmann wurde am 6. Oktober 1953 in Essen geboren, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er studierte an den Universitäten Bochum, Münster und London und bestand beide Staatsexamina für das Lehramt an Gymnasien in Englisch und Sozialwissenschaften mit Auszeichnung.
Sein Berufsweg führte ihn aber nicht an eine Schule, sondern in die Erwachsenenbildung. Er wurde Fachbereichsleiter für Fremdsprachen, Schulabschlüsse, berufliche Weiterbildung und EDV in der Volkshochschule in Rheine.
1990 wechselte er als Weiterbildungsreferent zur IHK Ostwestfalen, wo er drei Jahre später zum Referatsleiter für berufliche Bildung aufstieg.
Beim Besuch seiner Mutter in Essen entdeckte er in der WAZ eine Stellenanzeige: Die Stadt Gladbeck suchte einen neuen VHS-Leiter. Von dieser Position versprach sich Pollmann das, was er bei der IHK vermisste: Gestaltungsmöglichkeiten. Er setzte sich gegen 200 Mitbewerber durch. Der 1. November 1994 war sein erster Arbeitstag in Gladbeck.
Ein eloquenter Moderator
Pollmann hat sein Engagement nicht auf die VHS beschränkt. Nur ein paar Stichworte: Moderation der „Werkstatt lernendes Gladbeck“, Mitglied in der Steuerungsgruppe des „Gladbecker Bündnisses für Familie“, Aufbau und Mitarbeit bei der Kinder- und Jugenduniversität. Zudem stellte er häufig seine Eloquenz als Moderator, zum Beispiel bei den Wahlpartys im Ratssaal, unter Beweis.
Wer seine Nachfolge als VHS-Chef von zehn hauptamtlichen Mitarbeitern und 230 Dozenten antritt, weiß Dietrich Pollmann zwar, verrät es aber noch nicht.