Gladbeck. . Die Muslimin Lale Akgün spricht sich im Lesecafé Gladbeck für einen säkularisierten Islam aus. An die Lesung schloss sich eine Diskussion an.
„Vorreiter eines liberalen Islams sind die Frauen“, stellte Müzeyyen Dreessen in ihrer Begrüßung am Donnerstagabend im Lesecafé der Stadtbücherei fest. „Das ist kein Zufall“, bestärkte Lale Akgün, ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete, „Senior Researcher“ an der Universität Bonn-Rhein-Sieg, Buchautorin und Referentin des Abends, diese These. Der Umgang mit Frauen sei das Schlüsselthema des Islams. Akgün: „Wenn es um Frauenrechte geht, reicht mir bloße Integration nicht, Assimilation ist der richtige Weg.“
„Hier kommen die aufgeklärten Muslime“
Die Interkulturelle Frauengruppe um Müzeyyen Dreessen und die Volkshochschule (VHS) hatten im Nachgang zum Internationalen Frauentag am 8. März zur Veranstaltung mit Lale Akgün eingeladen, die über ihr Buch „Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime“ sprach. Der Untertitel „Schluss mit der Vorherrschaft des konservativen Islams in Deutschland“ macht die Stoßrichtung der scharfsinnigen, manchmal scharfzüngigen Analyse deutlich. Damit wendet sich die Autorin insbesondere gegen den „Verbands-Islam“. Dieser beanspruche für sich, alle Muslime in Deutschland – rund fünf Millionen – zu vertreten Dabei sei nur etwa eine Million Muslime in Verbänden organisiert.
Die Folge ist eine Separierung in der Gesellschaft
Die deutsche Politik habe den Verbands-Islam gestärkt, „dadurch sind die Grenzen zwischen dem orthodoxen Islam und der Politik fließend geworden“, kritisierte Akgün. Das führe zu einer deutlichen Separierung in der Gesellschaft. Ihre Überzeugung: „Der säkulare Staat geht auf die Menschenrechte zurück, der Glaube ist Privatsache.“ Akgün plädiert für einen liberalen Islam, der sich weder von Religionsverbänden noch politischen Lobbyisten vereinnahmen lässt.
Blick in die Biografie
Lale Akgün wurde im Jahre 1953 in Istanbul geboren. In Deutschland studierte sie nach dem Abitur unter anderem Medizin und Psychologie.
Akgün hat die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Die Diplom-Psychologin hat promoviert. Als SPD-Vertreterin war sie Bundestagsmitglied
Deshalb sollte aus ihrer Sicht der Religionsunterricht durch einen Ethikunterricht ersetzt werden. Kern der Missverständnisse sei die wortwörtliche Auslegung des Korans, die so nicht mehr zeitgemäß sei: „Jede Zeit sucht sich ihre eigenen moralischen Kriterien. Die Ethik bleibt.“ Zum Schluss ihrer Ausführungen eröffnete Akgün ihre Vision eines deutschen Islams. „Es kann ihn geben, diesen Islam der Menschen- und Frauenrechte, der Gleichberechtigung, eines Korans, der nicht wörtlich ausgelegt wird. So kann ein importierter Islam hier heimisch werden.“
Verhaltensmuster junger Muslime
In der anschließenden Diskussion meldeten sich Lehrerinnen zu Wort, die ein Bild von Verhaltensmustern muslimischer Jungen und Mädchen zeichneten, das durch Repression untereinander geprägt sei. Hoffnung machte da ein 18-jähriger türkischstämmiger Schüler der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule. Er trat dafür ein, den Islam in der Schule zu hinterfragen, denn im Elternhaus gebe es „viel fehlendes Wissen.“ „Lassen Sie Ihr altes Islambild ruhen“, rief Lale Akgün ihrem Publikum zu, und „Machen Sie uns Mut!“, kam die Aufforderung aus den Reihen zurück.