Gladbeck. . Schuster Andreas Arendt lebt von Kunden, die Qualität schätzen. Doch der 54-Jährige weiß auch – eine große Zukunft hat sein Handwerk nicht mehr.
Wer Laden und Werkstatt von Andreas Arendt an der Straße „Am Sägewerk“ betritt, der fühlt sich in der Sekunde in längst vergangen geglaubte Zeiten zurückversetzt. Das ist nicht nur dem intensiven Geruch von Leim, Lösungsmittel und Leder geschuldet, sondern vielmehr der gesamten Atmosphäre in der kleinen Werkstatt hinter der Ladentheke.
Dort stehen Schleif- Ausputz- und Durchnähmaschinen, in den Regalen stapeln sich Lederreste und auf einem Rondell warten reparierte Schuhe darauf, von ihren Trägern abgeholt zu werden. Ein Kofferradio aus den 60ern spielt Oldies, während Schuhmachermeister Arendt einen Damenschuh über den Leisten zieht.
Vater Konrad gründete 1954 „Konny’s Schuhladen“
Mit „Konny’s Schuhladen“ fing alles an. In der Luisenstraße gründete Vater Konrad im Jahr 1954 den Schuhladen, in dem er sogar noch selbst hergestellte Schuhe verkaufte, 1968 zog er weiter in die Buersche Straße und etablierte ein Jahr später – 1969 – als zusätzliches Standbein eine medizinische Fußpflege.
Nach Konrad Arendts Tod übernahm Sohn Andreas dann 1989 das Geschäft und siedelte nochmals um in die Straße Am Sägewerk. Dem Stadtteil Gladbeck-Ost ist die Familie also immer treu geblieben. Den besonderen Charme des Ladens macht auch die Einrichtung aus, die er von einer Apotheke übernommen hat.
Die Baustelle brachte ziemliche Umsatzeinbußen
Viel Holz, viel Glas und viele kleine Schubladen: „Da sind überall Schnürsenkel drin, die will nur heute keiner mehr“, sagt Arendt. „Wir haben im letzten Jahr, als hier vor der Tür die Bauarbeiten waren, ziemliche Umsatzeinbußen erlebt“, erinnert sich der 54-Jährige, „aber wir haben es als Betrieb überlebt.“
Sicher hat dies auch mit den Stammkunden zu tun, die ihre Schuhe nach wie vor regelmäßig zu Andreas Arendt bringen. „Das sind diejenigen, die noch auf Qualität setzen, aber sie sterben langsam aus“, bedauert der Schuhmachermeister, der der letzte seiner Art in der Stadt ist.
„Früher hatten wir rund 20 Schuhmacher im gesamten Stadtgebiet von Gladbeck, jetzt bin ich der einzige, der übrig geblieben ist – und das ohne Geselle“, sagt Arendt mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme, und er zeigt alte Fotos aus der Werkstatt seines Vaters – natürlich mit einem Gesellen.
Andreas Arendt selbst hat in Düsseldorf das Handwerk gelernt und seine Meisterprüfung abgelegt: „Ich hätte gern auf Maß gefertigte Schuhe hergestellt und habe Kunden angesprochen, doch das wollte dann niemand bezahlen.“ Qualität habe aber nun mal ihren Preis, davon ist der passionierte Schuhmacher überzeugt.
Schuhe werden heutzutageviel zu billig produziert
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„Heutzutage werden die Schuhe viel zu billig hergestellt, dann halten sie maximal ein Jahr und werden weggeworfen.“ Andreas Arendt feiert in diesem Jahr gleich ein doppeltes Jubiläum, ist er doch selbst schon 30 Jahre an diesem Standort. 50 Jahre alt wird die medizinische Fußpflege, die seine Schwester in einem Nebenraum anbietet.
Ob er die Geburtstage feiern möchte, weiß er noch nicht so genau, obwohl dieses Zusatzangebot für sein Geschäft von Vorteil ist.
Seine Perspektive hört sich dennoch eher düster an: „Ich fürchte, das Handwerk stirbt aus“, sagt er zunächst etwas resigniert, um doch sogleich mit einem Appell an potentielle Kunden für seinen Beruf zu plädieren: „Die Menschen sollten mehr auf Qualität setzen. Bei mir kommt nur Gummi oder Leder unter den Schuh, alles andere ist tabu.“
Und - wird es eine dritte Generation Schuhmacher Arendt geben? „Das ist unwahrscheinlich“, winkt Andreas Arendt ab.