Gladbeck. . Polizeisprecher: „Das klassische Übersehen führt zu prekären Situationen.“ Radler sollten Augenkontakt suchen und Abstand halten, raten Experten.

50 Verkehrsunfälle, bei denen Radler beteiligt und verletzt wurden, weist die Statistik 2017 der Polizeibehörde Recklinghausen für Gladbeck aus – dabei wurde niemand getötet. Zum Glück. Denn immer wieder machen Fahrradunfälle Schlagzeilen. Zwei Beispiele: Eine 13-Jährige stirbt in Mülheim, nachdem ein Betonmischer sie angefahren hat; eine Mutter wird in Essen vor den Augen ihrer Tochter von einem Laster überrollt. In beiden Fällen wurden die Opfer schlichtweg übersehen, als die schweren Fahrzeuge abbogen.

30 bis 40 Opfer deutschlandweit

Die Art der Unfälle sei in der Statistik nicht gesondert aufgeschlüsselt, so Michael Franz. Der Sprecher der Polizei im Kreis Recklinghausen weiß aber: „Abbiegevorgänge bergen besondere Gefahren.“ Wer als Radler im „Toten Winkel“ – also außerhalb eines einsehbaren Bereichs – unterwegs ist, könne leicht übersehen werden. Deswegen rät der Polizeisprecher Radlern: Am besten den Augenkontakt zu motorisierten Verkehrsteilnehmern suchen. Denn: „Das klassische Übersehen führt immer zu prekären Situationen.“

Laut Schätzung der Versicherer ist etwa ein Drittel der Radler, die im Straßenverkehr getötet werden, auf Unfälle mit rechts abbiegenden Lastwagen zurückzuführen. Pro Jahr handele es sich dabei deutschlandweit um 30 bis 40 Opfer.

Deutlich vor oder dahinter fahren

Vera Bücker vom hiesigen Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) empfiehlt: „Es ist sinnvoll, entweder deutlich vor oder hinter einem Lkw zu fahren – niemals daneben.“ Sie ergänzt: „Mein Rezept für kleinere Kreisverkehre lautet: sich mittig aufhalten.“ Dadurch könnten Autofahrer nicht parallel zum Drahtesel-Nutzer fahren, der „Tote Winkel“ werde so ausgehebelt.

Radler haben Anspruch auf Platz

Auch Radler, unterstreicht Bücker, haben einen Anspruch auf Platz im Straßenverkehr. Die Butendorferin: „Wenn kein Raum zum Überholen ist – das heißt ein Abstand von 1,50 Meter neben dem Fahrrad – muss der Autofahrer gefälligst dahinter bleiben.“ Nirgendwo stehe geschrieben, dass Menschen in motorisierten Gefährten stets mit mindestens 50 Stundenkilometern unterwegs sein dürfen und Radfahrer in die Gosse ausweichen oder verbotenerweise auf den Bürgersteig wechseln müssen. „Drängeln ist ein No-Go“, unterstreicht Bücker – wohlwissend, wie unangenehm und auch gefährlich es ist, „wenn Autofahrer einem auf dem Sattel hängen“.

Ausrüstung mit Abbiegeassistenten

Sie befürwortet die Ausrüstung von Lkw mit Abbiegeassistenten. Solch ein technisches System erkennt Radler und Fußgänger im direkten Umfeld eines Fahrzeugs und gibt akustische oder optische Warnsignale. Die Expertin schlägt außerdem an Ampeln eine Haltelinie für Pedalritter vor: „Zumindest da, wo es Radfahrstreifen gibt. An dieser Linie stellen sich Fahrradfahrer auf, dort haben Autos nichts zu suchen.“

Fahrradklima-Test läuft bis November

Vera Bücker, eine passionierte und erfahrene Fahrradfahrerin, spricht vom „Kampf auf der Straße“. Wer hat die Macht – Radler oder Autofahrer? Die ADFC-Vertreterin: „Abdrängen inklusive Hupen und Anschreien, rücksichtsloses Überholen, zugeparkte Radstreifen . . .“ Beispiele, wie Pedalritter ausgebremst werden, kennt sie viele. Sie gibt aber auch zu: „Radfahrer sind auch nicht immer Engel.“

Erfahrungen und Meinungen

Bedeutet Radeln in Gladbeck Spaß oder Stress? Im bundesweiten ADFC-Fahrradklima-Test 2018 – www.fahrradklima-test.de – können Fahrradfahrer noch bis zum 30. November ihre Meinung und Erfahrungen mitteilen. Die Rückmeldungen sollen Verkehrsplanung, Politik und Verwaltung Hinweise geben, wo’s glatt läuft und wo an den Bedingungen für Menschen, die aufs Rad steigen, noch geschraubt werden muss.

„Diese Umfrage wird alle zwei Jahre gestartet“, erläutert Bücker. Die aktuellen Ergebnisse dieses achten Fahrradklima-Tests sollen im Frühjahr 2019 vorliegen.