Gladbeck/Recklinghausen. Der Unmut über den geplanten Neubau des Kreishauses bereitet der SPD-Basis großes Unbehagen. Sie befürchtet Belastungen für die Kommunalwahl 2020

Dass das vom Dorstener Uwe Kähler angestoßene Bürgerbegehren gegen den Bau eines neues Kreishauses erfolgreich sein wird, daran zweifelt kaum noch jemand. Bis zum 2. Oktober haben Kähler und seine Mitstreiter Zeit, 15 000 Unterschriften gegen den mit 130 Millionen Euro veranschlagten Kreishausneubau zu sammeln. Inzwischen sollen bereits mehr als 17 000 Unterschriften zusammengekommen sein, heißt es.

Allein die CDU, die neben den Linken das Bürgerbegehren aktiv unterstützt, hat mehr als 10 000 Unterstützer-Unterschriften gesammelt. So läuft alles darauf hinaus, dass der Kreistag nochmals entscheiden muss: Beugt er sich dem Bürgerwillen und belässt es bei einer schlanken Sanierung des 38 Jahre alten Kreishauses oder riskiert er einen Bürgerentscheid.

SPD-Ratsfraktionschef Hübner: Sollten das Feld räumen

SPD-Ratsfraktionschef Michael Hübner MdL geht „sehr kritisch“ mit der Kreistagsentscheidung um, die „dem Bürger nicht näher zu bringen ist“.  Die SPD sollte daher „das Feld räumen“.
SPD-Ratsfraktionschef Michael Hübner MdL geht „sehr kritisch“ mit der Kreistagsentscheidung um, die „dem Bürger nicht näher zu bringen ist“. Die SPD sollte daher „das Feld räumen“. © Oliver Mengedoht

Aus den SPD-geführten Rathäusern soll es Appelle an Landrat Cay Süberkrüb (SPD) geben, die Neubaupläne nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren sofort zu beerdigen. Gladbecks SPD-Ratsfraktionschef Michael Hübner sagte zur WAZ: „Ich bin für eine wirtschaftliche Lösung, das ist hier erkennbar nicht der Fall. Deshalb bin ich dafür, das Feld zu räumen.“

In der Kreistagssitzung im Juni hatten SPD, FDP und Grüne für ein neues Kreishaus gestimmt. An der SPD-Basis ist man darüber gar nicht mehr glücklich. Auf dem letzten Kreisparteitag hatte der Landrat zwar noch Rückendeckung erhalten. Doch das war vor dem Bürgerbegehren. Jetzt herrscht in der Partei nach außen hin größtenteils Zurückhaltung. Hinter den Kulissen aber brodelt es: Die Basis in den Städten hat keine Lust, im Kommunalwahlkampf für eine Entscheidung in die Verantwortung genommen zu werden, die sie nicht zu vertreten hat. Wie man überhaupt solch einen brisanten Beschluss habe fassen können, ohne die CDU im Boot zu haben, ist eine Frage, die Genossen umtreibt. „Die CDU wartet doch nur darauf, uns im Wahlkampf als Verschwender von Steuergeldern vor sich herzutreiben“, sagt ein Parteimitglied.

SPD in Marl-Sinsen ist inzwischen sehr kritisch

Nur wenige äußern sich öffentlich. Einer von ihnen ist Arvid Weber, Vorsitzender des Ortsvereins Marl-Sinsen. „Man kann ja rational für den Kreishausneubau sein. Aber wenn man merkt, dass das nicht dem Bürgerwillen entspricht, sollte man die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen“, sagt er.

Die SPD Sinsen hatte sich die Mühe einer Bürgerbefragung gemacht und festgestellt, dass zwischen dem Bürger und dem Kreis eine große emotionale Distanz besteht. Von den Befragten kam die Anregung, Aufgaben des Kreises in die Städte zu verlagern. Weber schlägt deshalb vor, im Kreishausstreit innezuhalten und zu überlegen, wie ein besserer Bürgerservice gewährleistet werden könne. Bei einer Dezentralisierung könne man auf den Neubau eines Verwaltungsgebäudes jedenfalls verzichten.

Noch keine Strategieänderung der SPD-Kreistagsfraktion

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

Wenn das Bürgerbegehren erfolgreich ist – also bis zum 2. Oktober mindestens 15 000 Unterschriften vorgelegt werden –, muss sich der Kreistag noch einmal mit der Frage beschäftigen, ob er bei seinem Neubaubeschluss bleibt.

Wenn ja, kommt es zum Bürgerentscheid innerhalb von drei Monaten, bei dem alle Wahlberechtigten abstimmen können. Die Gegner des Kreishausneubaus hätten gewonnen, wenn erstens eine Mehrheit ihr Anliegen unterstützt und zweitens die Mehrheit aus mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten (ca. 50 000) besteht.

Bei der SPD im Kreistag gibt es bislang noch keine Strategieänderung. „Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass unsere Entscheidung richtig war, weil ein Neubau auf Dauer die geringsten Kosten verursacht“, betont Fraktionschef Klaus Schild. Er verweist hier auf die geplante Integration von Nebenstellen, die zu Einsparungen in Millionenhöhe führe.

Ähnlich argumentiert Gladbecks SPD-Kreistagsmitglied Volker Musiol, gleichzeitig Chef des SPD-Ortsvereins Mitte, der einen Neubau nach wie vor für „einfach sinnvoll“ hält. Die Kosten für eine Sanierung würden den Städten direkt „vor die Füße fallen“, ein Neubau als Investition würde über Jahre in die Kreisumlage einfließen und böte durch Zentralisierungen Einsparmöglichkeiten.

Die Unruhe ist auch in Gladbeck zu spüren

Volker Musiol ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Mitte und Kreistagsmitglied. Er findet die Diskussion unsachlich.
Volker Musiol ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Mitte und Kreistagsmitglied. Er findet die Diskussion unsachlich. © Michael Korte

Gleichwohl nimmt er die Unruhe und die Diskussion, auch im Ortsverein, zur Kenntnis, die inzwischen entstanden ist. Jens Bennarend, Stadtparteichef und ebenfalls Kreistagsmitglied, hat dagegen im Stadtverband „erstaunlich wenig Unruhe“ ausgemacht. Bennarend, der den Neubau ebenso für richtig hält, heißt das Bürgerbegehren „gut“, gibt aber zu, dass man in der Kreistagsfraktion nicht damit gerechnet habe. „Das wird noch ein Eiertanz“, so Bennarend.

Gladbecks CDU-Kreistagsmitglied Reinhold Fischbach zeigt sich derweil „sehr optimistisch, dass wir das Bürgergehren spielend schaffen“. Er seit mit seiner Fraktion von Anfang an gegen das Projekt gewesen. „Die Berechnung der Kreisverwaltung zu Neubau und Sanierung ist eine Farce.“ Ein 38 Jahre altes Gebäude abzureißen – „die müssen verrückt sein“. Seiner Meinung nach wird von der SPD nach dem erfolgreichen Bürgerbegehren ein Vorschlag kommen – „irgendwie werden sie den Neubau kippen“, glaubt Fischbach.