Gladbeck. . Werner Hülsermann ist gebürtiger Oberhausener. Doch seit 1991 hat er in Gladbeck Wurzeln geschlagen. Sein Motto: Man muss auf andere zugehen.
Oberhausen – bei dem Stichwort wabern im Kopf von Werner Hülsermann Erinnerungen. „Für mich war die Stadt damals das Stiefkind des Ruhrgebiets, ein Drecksloch“, sagt der 66-Jährige aus Buschhausen. Doch da gab’s auch Felder und Bäche – „dort haben wir Jungs Stichlinge gefangen. Aber jetzt ist das alles bebaut.“ Ach ja, und man war Fan von Rot-Weiß Oberhausen, was sonst? Unvergessen, doch längst passé. Denn: „Ich habe nun hier meine Heimat gefunden“, sagt Werner Hülsermann. Und meint mit „hier“ Rentfort.
Frau ist eine waschechte Gladbeckerin
Dieser Ortsteil ist seit dem Jahr 1981 sein Zuhause. Das hätte er sich als Buschhausener nicht träumen lassen: „Ich habe mich damals nie mit der Frage befasst, wegzuziehen.“ Bodenständig seien seine Familie – Eltern, drei Jungen und ein Mädchen – sowie Freunde gewesen: „Was soll ich woanders?“ Ja, was? Zum Beispiel mit seiner Liebsten zusammenleben. Denn die Frau an seiner Seite, Gerda, ist eine waschechte Gladbeckerin. Als Hülsermann sie während eines Spanien-Urlaubs kennen lernte, habe er sich gefragt: „Woher kommt sie? Aus Gladbeck? Wo liegt das denn?“ Auf der Landkarte habe er die Stadt gefunden. „Ich wusste später, wie man mit Bus und Bahn dorthin kommt“, erzählt der 66-Jährige mit einem Augenzwinkern. Erstmal war der gelernte Maler, der umschulte zum Chemikanten, nur zu Besuch in Gladbeck, traf sich mit seiner Gerda und Freunden in Wittringen.
Freude auf den Umzug
Wie viel er heutzutage über seinen Wohnort weiß, der so viel mehr als ein Haus mit Garten für ihn ist! Mittlerweile kennt er die Stadt, und speziell Rentfort, wie seine Westentasche. Unvergessen der erste Eindruck: „Was für eine beschauliche kleine Stadt!“ Euphorisch sei er nicht gewesen, räumt Hülsermann ein. Aber schon angetan. „Ich kannte aus Oberhausen ja nur Zechenhäuser; so etwas wie in Rentfort, dieses Siedlerleben, war mir neu und hat mich beeindruckt“, sagt er. Zunächst wohnte er noch mit seiner Frau in Oberhausen. „Als es später hieß: Umziehen nach Gladbeck, habe ich mich darauf gefreut“, so Hülsermann. Als wenn er damals schon geahnt hätte, wie wohl er sich einmal in Rentfort fühlen würde.
Abschotten? Bloß nicht!
Aber das dürfte auch in seinem Naturell begründet sein, ist Hülsermann doch fest davon überzeugt: „Ich muss den ersten Schritt machen!“ Wer als Zugezogener irgendwo Fuß fassen will, sollte sich bloß nicht abschotten. Ganz dick unterstreichen möchte er den Satz: „Eine gute Nachbarschaft ist Gold wert. Die sollte man pflegen wie die Familie!“ Sein Tipp: „Wenn man auf andere zugeht, ergibt sich alles andere von selbst.“ Und er knüpfte Kontakte zu den Leuten auf der anderen Seite des Gartenzauns und in diversen Vereinen.
Hintergrund
Seit nunmehr 19 Jahren steht Werner Hülsermann an der Spitze der Siedlergemeinschaft Gladbeck-Rentfort ( 4 59 19). Der 66-Jährige sagt: „Man kümmert sich um einander; versucht bei Streitigkeiten zu schlichten; steht mit Rat und Tat bei Problemen zur Seite.“ Sei es nun, dass es sich um einen kranken Kirschbaum handelt, oder um Tipps zum Energiesparen.
Die Mitglieder der Gemeinschaft, der aktuell 895 Familien angehören, unternehmen unter anderem auch Ausflüge.
25,90 Euro kostet der Jahresbeitrag. Hülsermann zählt auf: „Darin enthalten sind die Grundstückshaftpflichtversicherung, der Rechtsschutz für Haus und Hof, die Bauhelferversicherung und Rabatte mit 50 ausgewählten Anbietern.“
Ungefähr 30 Prozent der Bewohner im Einzugsbereich gehören der Siedlergemeinschaft Gladbeck-Rentfort an. Der Vorsitzende Werner Hülsermann meint dazu: „Es könnten mehr sein, aber viele wissen gar nicht, dass es uns gibt.“
Freundschaften seien entstanden, obwohl nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen geherrscht hätten. Ein Rheinländer in Westfalen, das war für ihn anfangs etwas gewöhnungsbedürftig: „Mir kam es so vor, als seien Oberhausener offener als Gladbecker. Und den Humor hier, den muss man verstehen lernen.“ Dazu hatte Hülsermann, der gern auf vielen Hochzeiten tanzt, oft Gelegenheit. Er steht an der Spitze der Siedlergemeinschaft in Rentfort, ist Mitbegründer des Kulturvereins Leuchtfeder, setzt sich für den Förderverein Kotten Nie ein. Und wer ein echter Rheinländer ist, der hat auch jeckes Blut in den Adern und einen Heidenspaß am Karneval.
Am Guten erfreuen
„Leute, die nur für sich bleiben“ und sich ins stille Kämmerchen zurückziehen, dürften es schwer haben, Anschluss zu finden“, meint Hülsermann. Und weiterentwickeln könne sich im Alleingang nur wenig. Der 66-Jährige: „Wir sind in Gladbeck ja dabei, einiges zu ändern – man muss nur Geduld haben.“ Klar, es gebe einige Stellen in der Stadt, die nicht ansehnlich seien. Aber da er unübersehbar ein durch und durch positiver Mensch ist, überrascht sein Motto nicht: „Man muss sich am Guten erfreuen.“ Da fällt ihm zum Beispiel die Innenstadt ein: „Der Umbau ist schnell und gut realisiert worden . . .“ Zufriedenheit schwingt in seiner Stimme mit. Ob er stolz auf Gladbeck ist? – „Ja! Ja!“, kommt die Antwort mit Vehemenz.
Manchmal packt ihn das Heimweh
Wenn man den ebenso rührigen wie kontaktfreudigen Hülsermann so reden hört, spürt man: Er hat die Befindlichkeiten der Menschen in Gladbeck-Rentfort verstanden, hat einen Draht zu ihnen. Er meint: „In einer Gemeinschaft gehört man dazu, das finde ich toll.“ Die Verbindungen zu Oberhausen sind seit dem Tod von Verwandten und Freunden abgerissen. Nur ab und an blitzt ein Fitzelchen Erinnerung auf, zum Beispiel bei einigen Vokabeln. „Dubbel“ sei so ein Wort: „Wir Kinder haben früher gerufen: Muddi, schmeiß uns mal ‘nen Dubbel runter – das ist eine Stulle mit Schrieben und Maggi!“ Doch mittlerweile ist Werner Hülsermann mit Haut und Haaren ein „Gladbeck-Rentforter“. Er sagt: „Hier habe ich Wurzeln geschlagen, hier will ich nie wieder weg!“
Freude auf Rentfort
Was aber längst nicht bedeutet, dass er Rentfort nicht doch dann und wann den Rücken kehrt und auf Reisen geht – zum Beispiel zu seinem Sohn Jens samt Familie nach Malaysia, wo der Bauingenieur mit Frau und den beiden Kindern lebt. „Da waren wir jetzt wieder. Aber nach vier Wochen dort habe ich mich darauf gefreut, nach Hause zu kommen“, gesteht Werner Hülsermann freimütig. Die Currywurst, die tägliche WAZ-Lektüre und vieles andere, was ihm in Rentfort lieb und teuer ist, vermisse er einfach nach einer Weile.
Heimat bedeutet auch Muttersprache
Dazu gehört ebenfalls: die deutsche Sprache. Werner Hülsermann sagt: „Heimat bedeutet für mich auch Muttersprache. Der deutsche Zungenschlag ist für mich auf jeden Fall wichtig!“ Auch wenn sein Sohn derzeit mit dem Thema „Heimat“ nicht viel am Hut habe, hofft der Vater, „dass er irgendwann einmal sesshaft wird und Wurzeln schlägt.“ Wie es ihm selbst in Rentfort gelungen ist.