Gladbeck. Die brummende Konjunktur und Fachkräftemangel führen zu langen Wartezeiten für die Kunden. Vier Innungsobermeister berichten über die Lage.

Wer derzeit nach einem Handwerker Ausschau hält, muss Geduld haben. Und Wochen, wenn nicht Monate, warten. Ralf Wünnemann (Elektriker, Gladbeck), Franz Fahnenbruck (Fliesenleger, Bottrop) Mike Sternkopf (Dachdecker, Gelsenkirchen) und Martin Rüsel (Sanitär- und Heizungsbauer, Gelsenkirchen) sind Innungsobermeister in der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West. Sie zeichnen ein Lagebild in der Region, das zwischen Chaos und reger Betriebsamkeit so ziemlich alles abbildet.

Für Martin Rüsel und seinen Sieben-Mann-Betrieb ist derzeit die Frage, ob er „generell einen weiteren Auftrag annimmt“. Seine Auftragsbücher sind proppevoll, wenn überhaupt, sind nur kleine (Reparatur-)Arbeiten machbar. Wartezeit: gut zwei Wochen. Bestandskunden haben klar Vorrang. Wer seine Heizungsanlage modernisieren will, vielleicht in einem Mehrfamilienhaus – „der bekommt in diesem Jahr keinen Termin mehr.“ Sondern frühestens im nächsten Frühjahr nach der Heizperiode.

„Wir steuern auf ein Chaos zu“

Der Sanitär- und Heizungsbauermeister ist sich sicher: „Wir steuern auf ein Chaos zu“. Denn, wenn sich überhaupt noch ein Jugendlicher für eine Ausbildung interessiert, so reicht das Erlernte aus der Schule als Grundlage selten aus, um die Lehrzeit erfolgreich abzuschließen. Und: Der Konkurrenzkampf wird größer. Die Industrie wirbt verstärkt Fachkräfte mit besser dotierten Verträgen ab, da „können kleine und mittlere Betriebe nicht mehr mithalten.“ Bis ein guter Handwerker mit ausreichend Erfahrung herangebildet sei, vergingen zehn Jahre.

Dachdeckermeister Mike Sternkopf steht mit seiner 40-köpfigen Belegschaft vor ähnlichen Herausforderungen. Gut acht Wochen beträgt bei ihm der Vorlauf, bis er sich einem neuen Auftrag widmen kann. Auch in seinem Betrieb ist der Fachkräftemangel akut, so dass für ihn schlechtere Noten oder ein geringwertigerer Schulabschluss bei Bewerbern mittlerweile kaum eine Rolle mehr spielen.

Wartezeit bis zu acht Wochen

Ein Lied, in das auch Elektromeister Ralf Wünnemann mit seinem Acht-Mann-Betrieb einstimmen kann – aber mit anderer Melodie. Oft ist es die Mathematik, die der Karriere als Elektriker im Wege steht. Mühevoll ist auch für ihn die Suche nach qualifiziertem Nachwuchs und Fachkräften, häufig bewürben sich Jugendliche, „die mangels Alternativen und Interesse“ nicht anderes gefunden hätten. Da scheint der Weg zum Amt später eher vorgezeichnet. Ohnehin – die guten Werker bleiben selten, heuern woanders an – gern in Großbetrieben zu besseren Löhnen. Auch der Engpass bei Elektrikern spiegelt sich in Wartezeiten wieder: zwei bis acht Wochen.

Neben brummender Konjunktur und dem Trend, zumeist in „Betongold“ zu investieren, führt Mike Sternkopf aber noch andere Faktoren an, die Problematik verschärfen: „Die Industrie produziert lange schon nicht mehr auf Vorrat, sondern meist nur noch just in time.“ Heißt: Die Dämmplatten beispielsweise sind schon verkauft, auch wenn sie im Lager liegen. In anderen Branchen ist es ähnlich.

Wegfall der Zulassungsvoraussetzungen sorgt Fliesenlegermeister

Fliesenlegermeister Franz Fahnenbruck hat andere Sorgen. Denn nach dem Wegfall der Zulassungsvoraussetzungen 2003 konnte jeder, der Lust hatte, sich als Fliesenleger selbstständig machen – ob er das nötige Wissen und Geschick hatte oder nicht. Gegen 900 zusätzlichen Konkurrenten im Emscher-Raum muss sich Fahnenbruck seitdem mit seinem Zehn-Mann-Betrieb wehren. Er bildet noch aus, aber die Nachwuchsfrage stellt sich in der Branche kaum einer mehr. Vielmehr die: Wie die Zukunft des Betriebes sichern?

Antwort: Nischen besetzen. Fahnenbruck hat sich auf Sanierungen spezialisiert, „im 50+“-Kundensegment. Auch das ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das Land überaltert, es wächst nichts nach – auch nicht an guten jungen Handwerkern.