Gladbeck. . Künstler zeigen in der Maschinenhalle im Rahmen der Ruhrtriennale ein Stück, das ein Blick auf Migrationsbewegungen wirft. Großartige Leistungen.

Nach der Schlacht von Kirina, die am Beginn des sich über ganz Westafrika erstreckenden Malireiches steht, wurde das Tanzprojekt von Serge Aimé Coulibaly benannt. Die Premiere in der Maschinenhalle in Zweckel im Rahmen der Ruhrtriennale zeigte ein ambitioniertes Stück, das zwar in der afrikanischen Geschichte wurzelt, das aber einen umfassenden Blick auf Migrationsbewegungen, ihre Implikationen, Auslöser, Bedingungen und ihre Auswirkungen wirft.

Das historische Gründungsepos von Kirina beschreibt den Kampf des Mandika Sundiata Keita gegen den grausamen Sosso-Herrscher Sumanguru Kanté. Sundiatata Keita besiegt mit einer Koalition aus mehreren Mande-Kleinkönigreichen den Tyrannen. Laut der mündlichen Überlieferung wurde danach eine Charta geschaffen, die lange vor der europäischen Version nach der französischen Revolution erstmals die Menschenrechte fasst.

Inszenierung riss Publikum zu Begeisterungsstürmen hin

Was als Symbol der afrikanischen Identität gilt, inspirierte Serge Aimé Coulibaly zu einer kraftvollen Inszenierung von Menschen in Bewegung. Bewegung erzeugt Begegnungen, erzeugt Reibung, und ist gleichzeitig Motor aller Entwicklung.

© Oliver Mengedoht

Die nur mit turmartigen Stapeln aus roten Tüchern ausgestattete Maschinenhalle bot die Bühne für ein Tanztheater, das mit der emotionalen Kraft seiner Bilder zu einer Erzählung unserer globalisierten Wirklichkeit wurde und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Das Libretto zu der Inszenierung wurde von dem senegalesischen Ökonom und Autor Felwine Sart, der mit seinem vielbeachteten Essay „Afrotopia“ Aufsehen erzeugte, geschrieben.

In einzelnen Sequenzen erzählt

Keineswegs linear erzählt, sondern in einzelnen Sequenzen, die durch die Bewegung des Gehens verbunden waren, schuf er einen Bilderbogen, der sich vom Ursprungsepos emanzipiert zu einer zeitlosen Geschichte verwandelte.

© Paul Leclaire/ Ruhrtriennale

Zwar zeigt er in nahezu artistischen Kampfszenen, den Kampf zweier Superhelden (Sumanguru Kanté, Sundiatata Keita). Genauso werden aber auch Fürsorge, Krankheit, Bangen, eine Hochzeit, Selbstinszenierung, die Begegnung mit dem Fremden und der Tod gezeigt. Es gibt keine Lösung. Das Gehen, die Bewegung ist allgegenwärtig und wird als allgemeines Symbol des Menschlichen nicht mehr hinterfragt.

Assoziationen zu großen Ereignissen

Die großartige, physisch an die Grenzen gehende Leistung der Tänzer transportiert einen fast brutalen Einblick in menschliches Erleben und Handeln, in Gefühle und Beweggründe. Da werden Assoziationen geschaffen zu zeitgenössischen und historischen Ereignissen.

Ab dem 14. September wird weiteres Stück gezeig

Der Tänzer und Choreograph Serge Aimé Coulibaly war Mitglied in Kompanien von u. a. Alain Platel und Sidi Larbi Cherkaoui.

2002 gründete er mit dem Faso Danse Théâtre eine eigene Kompanie. Weitere Aufführungen von Kirina sind am 21. und 22. August.

Ab dem 14. September wird in der Maschinenhalle das Ballett „No President“ von Kelly Copper und Pavol Liska aufgeführt.

Da wird von Kolonialismus und seinen Auswirkungen erzählt, von der Auswahl eines jungen Mannes, der übers Meer in die Fremde gesendet werden soll, von jemanden, der aus Angst entgegen der Richtung der anderen läuft und daran scheitert, von der mühsamen und leidvollen Erfahrung eines Behinderten das Gehen zu lernen, von Naturkatastrophen, Dürre, die zum Verharren zwingen, von Freude beim Einsetzen eines erlösenden Regens.

Kongenial war die Musik der vielfach ausgezeichneten Weltmusikerin Rokia Traoré. Die Band mit Gitarre, Schlagzeug und Balafon, begleitet von zwei Sängerinnen, spielte einen rockigen Sound, der sich mit den tänzerischen Darbietungen zu einem intensiven musikalischen Ereignis verband. Am Ende riss die großartige Inszenierung nach einem Moment der Schockstarre zu Standing Ovations hin.