Gladbeck. Vier bergmännische Schulen gab es einst in Gladbeck. Sie schlossen um 1970 – als die Zechen dicht machten. In Zweckel war schon 1963 Schluss.
In der Blütezeit des Bergbaus, vor allem in den 50er Jahren, bildeten die Zechen Zehntausende Berglehrlinge aus, um den unstillbaren Durst der Pütts nach Nachwuchskräften zu bändigen. In den Bergberufsschulen wurden die Jugendlichen schulisch ausgebildet – vier davon gab es einst allein in Gladbeck. Darunter seit 1916 die der Zeche Zweckel (zunächst als Vorschule), eine der ersten Bergschulen überhaupt, und die der Zeche Moltke an der Horster Straße, eine der bekanntesten in der Stadt. Seit vielen Jahren ist dort die Waldorfschule zu Hause.
„90 Prozent aller Bergleute, die nach dem Krieg unter Tage arbeiteten, sind durch Bergberufsschulen gegangen“, sagen der Gladbecker Wolfgang Koschei und der Bottroper Prof. Dr. Karl Eckart. „Insgesamt mehrere hunderttausend.“ Die beiden müssen es wissen, schließlich haben sie das gesamte Bergberufsschulwesen untersucht und ein über 500-seitiges Kompendium mit allen Daten und Fakten zu mehr als 100 Jahren Schulbildung der Berglehrlinge zusammengetragen. 1921 war die eigentliche Geburtsstunde des bergmännischen Berufsschulwesens, so die Autoren. „Auf einen Schlag wurden im Ruhrrevier 125 Schulen mit 230 Klassen gegründet, die sofort 4376 Schüler hatten“, weiß Koschei, der bis Mitte 2016 Schulleiter der Bergberufsschule Recklinghausen war (zuletzt „TÜV Nord College Berufskolleg Mitte“).
In den 50er Jahren gab es in der Spitze 40 000 Lehrlinge
In den 50er Jahren, in den besten Bergbaujahren, zählte man über 140 Schulen, in der Spitze 40 000 Lehrlinge. Ein großer Bruch kam Ende der 60er Jahre mit Gründung der RAG und Anfang der 90er Jahre mit Beginn der Auslauf-Pläne.
In Gladbeck gab es in den 60er Jahren vier Bergberufsschulen. Die der Zeche Moltke wurde 1963 neu gebaut an der Horster Straße – ein den „Anforderungen eines ordnungsgemäßen neuzeitlichen Unterrichts“ ausgestattetes Schulhaus – immerhin mit fünf Unterrichtsräumen für 164 Schüler. Vorher war sie im Verwaltungsgebäude der Zeche untergebracht. Die Schule schloss mit dem Aus des Pütts ‘71.
Die älteste Schule war die der Zeche Zweckel
Die älteste Schule war die der Zeche Zweckel, die 1916 auf dem Bergwerksgelände an der Frentroper Straße errichtet und 1957 umgebaut wurde. Sie war für 108 Schüler ausgelegt, hatte sogar Turnhalle, Hallenbad und einen Vortragsraum für 120 Zuhörer. Schon 1963 mit dem Zechen-Ende schloss sie. Das Gebäude gibt es bis heute, es steht seit Jahrzehnten leer.
Die Zeche Mathias Stinnes hatte ihre Bergberufsschule auf dem Püttgelände. Sie wurde 1946 errichtet, zwei Jahre später umgebaut und war über den Zecheneingang Hering-straße zu erreichen. In ihr konnten 94 Schüler unterrichtet werden. Ende der 60er Jahre schloss sie. Die 1954 gebaute Schule an den Möllerschächten war eigentlich eine Zweigstelle der Bergberufsschule des Schwesterbergwerks Rheinbaben und lag auf dem Zechengelände. 84 Schüler zählte die Schule, die auch über eine Turnhalle verfügte. Sie hatte 1964 ausgedient.
Nachschlagewerk spürt der Historie der Bergberufsschulen nach
Anlass für das Buch war das Schließen der beiden letzten Bergberufsschulen in Recklinghausen und in Bergkamen vor gut einem Monat, am 3. Juli. „Mit dem Auslaufen des Bergbaus starben nach und nach auch die Bergberufsschulen“, so Prof. Karl Eckart. Damit das viele Wissen der Schularchive nicht verloren geht, bekamen er und Wolfgang Koschei den Auftrag des Schulträgers (TÜV Nord Bildung College), das Wichtigste an Daten und Fakten zusammenzutragen. In den vergangenen drei Jahren recherchierten und schrieben sie – gemeinsam mit Thorsten David – an dem 527-seitigen Werk, dass bildlich von der Gladbecker Bildkünstlerin Anke Erlenhoff illustriert wurde. Die Auflage beträgt 700, im wesentlichen sind die Buchbände gedacht für Bibliotheken und interessierte Bergbaukenner.
Am 31. Juli wurde das bergmännische Berufsschulsystem geschlossen – Lehrlinge der Schultendorfer RBH waren übrigens – bis 2015 – die letzten Gladbecker, die dort unterrichtet wurden. Gestartet war das bergmännische Berufschulwesen 1921, nachdem 1919 die Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr eingeführt wurde. Immerhin, so die Autoren, kamen damals viele junge Menschen zum Pütt nach der 8. Volksschulklasse, manchmal auch schon nach der 7., 6. und sogar nach der 5. Klasse. Vorher – seit 1873 – gab es Bergvorschulen und Bergschulen, in denen vorwiegend Steiger gesucht und ausgebildet wurde. In den Bergvorschulen lernten aber auch einfache Kumpel nachträglich Rechnen und Schreiben.