Gladbeck. . Die Bergbaubranche produzierte auch Tränen und Belastungen. Auf allen fünf Gladbecker Schachtanlagen kämpften die Kumpel auch immer mit Problemen

Als der Bergbau nach Gladbeck kam, gab es Böllerschüsse und die Glocken der kleinen Dorfkirche läuteten. Die Leute tranken freudetaumelnd Sekt und Bier – die Erwartungen waren groß. Aber der Bergbau, das ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand, brachte den Menschen in Gladbeck auch viele Tränen, Leid, sogar den Tod. Es war nicht immer golden, was in der Grube und rund um den Schacht geschah...

Probleme beim Abteufen

Die Bergbaupioniere der Gründerzeit zahlten viel Lehrgeld beim Abteufen der Zechen, in Gladbeck vor allem beim ersten örtlichen Pütt, Graf Moltke 1/2. Immer wieder mussten die Gewerke Geld hinzuschießen. Manch einen trieb das in den wirtschaftlichen Ruin. Johann Sellerbeck, einer der ersten Grubenvorstände, brachte sich 1882 sogar um, als er pleite war und keinen Ausweg mehr sah. Immer wieder hatten die Gründer mit Problemen zu kämpfen: Mal setzte ihnen Grubenwasser zu, mal brach der Schacht zusammen oder soff ab.

Grubenunglücke

Arbeitsunfälle oder gar Grubenunglücke trafen vor allem die einfachen Kumpel. Das schwerste Grubenunglück ereignete sich am 15. Juni 1949 auf Moltke 1/2, bei dem sechs Todesopfer zu beklagen waren – Kumpel im Alter zwischen 28 und 32 Jahren. In einem Streb des Flözes Gretchen war es zu einem Bruch gekommen, und die Männer waren verschüttet worden. Schon am 16. März 1903 hatte es auf Moltke 3/4 beim Abteufen von Schacht 4 ein Unglück gegeben. Acht tote Kumpel gab es zu beklagen. Auf Zeche Möller kam es im Jahr 1957 beim Rückbau von Übertageanlagen zu einem Unglück, bei dem zwei Männer starben. Es gab einen Fehler beim Umlegen des 117 m hohen Kamins „Langer Emil“.

Bergarbeiterstreiks

Beim Streik im Mai 1889 auf Moltke schoss das Militär gezielt auf streikende Kumpel, wie die Zeichnung von Elga Morgenstern-Hübner rekonstruiert.
Beim Streik im Mai 1889 auf Moltke schoss das Militär gezielt auf streikende Kumpel, wie die Zeichnung von Elga Morgenstern-Hübner rekonstruiert. © Stadtarchiv

Immer wieder mussten die Kumpel streiken – für mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit unter Tage. 1883 und 1884 gab es Ausstände, bei denen man sich einigte. Folgenschwer war der Streik, der am 7. Mai 1889 begann: Rund 1000 Kumpel prostestierten für bessere Arbeitsbedingungen, die Grubenleitung sprach von Zechenbesetzung, die Behörden forderten das Militär an, um „Ruhe und Ordnung wiederherzustellen“. Und das feuerte ohne Zögern in die streikende Menge – drei Tote und fünf Verletzte gab es. Ein Protest ganz anderer Art war die Demonstration von rund 4000 Kumpeln im November 1966 gegen Stilllegungspläne.

Arbeitsbedingungen

Gefährlich und hart ging es im Berg zu, strapaziös und manchmal bis an die Grenzen der Kräfte gehend – nicht nur in den Anfangsjahren des Bergbaus. Knochenarbeit pur war das für Generationen von Kumpeln. Sicherheit war immer ein großes Thema, oft genug wurde sie allerdings vernachlässigt, oft arbeiteten die Bergleute in Todesangst. Viele hielten nicht durch. Zu schaffen machte den Kumpeln auch das Klima unter Tage: Meist wurde unter tropischer Hitze gearbeitet, es gab aber auch Kälte und sogar Eiszapfen, die bei der täglichen Arbeit behinderten.

Hygiene

© Stadtarchiv

Die war, zusammenfassend, bescheiden. Unter Tage gab’s natürlich keine Toiletten, höchstens Kübel am Schacht, sonst nichts. Auch über Tage war in den ersten Jahrzehnten ein Gemeinschaftsbad für alle die Regel. Nicht umsonst gab es später eine „Badeanstalt“, die war nicht zum Schwimmen oder gar zur Wellness da. Trinken und Essen musste der Kumpel bei sich, also am Mann haben. Die Zeche stellte erst spät Getränke. Kantinen – Fehlanzeige.

Bergetransporte

Vor allem in Brauck und Butendorf litten die Menschen jahre-, ja fast jahrzehntelang unter den Bergetransporten. Matsch, Staub, Lärm – sie wurden ertragen, weil man wusste, sie gehörten dazu. Ein Drittel bis zur Hälfte des geförderten Materials bestand aus Gestein, Bergematerial genannt, das auf Halde kam. Selbst als ein Großteil per Blasversatz retour ging, waren die Bergetransporte nicht verschwunden; Erleicherungen gab es, als vieles auf die Schiene kam.

Halden

Die Bezeichnung „Landschaftsbauwerk“ und die angepriesene Freizeitnutzung („Braucker Alpen“) kaschiert, dass die Bergeaufschüttungen Landschaften, vor allem in Brauck, nachhaltig zerstörten. Hinzu kamen quälende Bergsenkungen sowie naturfeindliche Bachbegradigungen mit Umwandlungen in Köttelbecken.

Meistens zahlten die Kumpel die Zeche für Krisen im Bergbau

Umweltzerstörungen

Eine historische Aufnahme von Mathias Stinnes 3
Eine historische Aufnahme von Mathias Stinnes 3

Nicht nur in Gladbeck, überall sorgte der Bergbau für gravierende Eingriffe in die Umwelt. Luftverschmutzungen – etwa in Form rauchender Schlote – nahmen die Menschen anfangs positiv hin als Zeichen des Fortschritts. Gravierend waren die Gewässerverunreinigungen. Teils salzhaltige Grubenwasser wurden einfach in die Bäche geleitet. 1883 ergab eine Analyse des Wittringer Mühlenteichs einen Salzgehalt, der dem des Atlantiks entsprach! Tiere litten, aber Überschwemmungen der Äcker brachten auch Verschlechterungen der Böden.

Absatzkrisen

Absatzkrisen begleiteten den Bergbau, seitdem es ihn gab. Immer war das mit Entlassungen verbunden, die Menschen – vor allem in den ersten Jahrzehnten – in Not stürzten. Schon in den ersten Jahren, in den 1870ern, gab’s eine Wirtschaftskrise, die die Zechen in die Knie zwang. In den 20ern, Anfang der 30er Jahre brach die Produktion ein. Dann kam die Kohlekrise in den 50ern und 60ern. Erste Püttschließungen gab es, aber nicht als Folge fehlender Kohle in den Gruben oder erschöpfter Flöze. Vielmehr setzte billige Importkohle den Revierzechen immer mehr zu, auch wurden gern, selbst in florierenden Pütts, Stilllegungsprämien mitgenommen. Die Kumpel zahlten aber die Zeche.

Brachen

Lange litt die Stadt unter den riesigen, ungenutzten Flächen der ausgedienten Zechen. Erst allmählich wurde eine Wiedernutzung eingeleitet (Gewerbepark Brauck, Gewerbegebiet Stollenstraße), am gravierendsten und längsten dauerte die Umwandlung von Moltke 1/2 zum Wohnquartier.

Die alten Grubengebäude und das Grubenwasser blieben

Alte Strecken

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Auch fast 50 Jahre nach Beendigung des Bergbaus in Gladbeck gibt es unter Tage noch alte Strecken. Wieviel des auf 200 bis 300 Kilometer geschätzten, auf mehreren Sohlen verteilten Grubengebäudes in welchem Zustand noch existiert, lässt sich laut Ruhrkohle AG nicht sagen.

Wie die Strecken, die nicht für die Ewigkeit gemacht wurden, heute aussehen – keiner weiß es, denn sie wurden nach dem Ausrauben der zwischen 1963 und 1972 geschlossenen Zechen nie wieder inspiziert. Aber es gibt sicher auch genügend Hohlräume, Klüfte und Spalten, die jetzt auch Grubenwasser führen. Einige aber nicht, in wieder anderen fließt vielleicht ein Rinnsal.Das Grubenwasser, oft PCB-belastet, ist aber für die RAG bis heute ein Thema. Da es unter Tage ein Nordgefälle gibt, fließt Grubenwasser aus Gladbeck in andere untertägige Bereiche, die miteinander verbunden sind. Dort werden sie abgepumpt und dann überprüft. In Gladbeck wird, so die RAG, auf jeden Fall nicht abgepumpt.

PCB-belastetes Grubenwasser

Die Gewähr, dass auf „normalem“ Wege kein PCB-belastetes Grubenwasser aus mehreren hundert Metern Tiefe in Gladbeck austreten könnte, sei das Deckgebirge, das über den Kohlen-Abbaugebieten (mehrere hundert Meter tief) liegt, so die RAG. Auch die Trinkwasserhorizonte liegen mehrere hundert Meter höher, als dass sie mit dem belasteten Grubenwasser in Berührung kommen könnten. Ganz zu schweigen vom normalen Grundwasser und von Gartenbrunnen, die dieses Wasser anzapfen.